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Streit um Wehrpflicht für Strenggläubige: Israels Parlament stimmt gegen Auflösung – vorerst keine vorgezogenen Neuwahlen
Die Knesset stimmt über einen Antrag zur Selbstauflösung ab. Hintergrund ist der Konflikt um die Wehrpflicht für ultraorthodoxe Männer. Am Ende ist die Mehrheit hauchdünn.
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In Israel ist der von der Opposition einbrachte Antrag zur Auflösung des Parlaments gescheitert – die Möglichkeit für vorgezogene Neuwahlen ist somit vorerst vom Tisch. Die Abgeordneten in Jerusalem stimmten am Donnerstag mit knapper Mehrheit gegen die Auflösung der Knesset. 61 der insgesamt 120 Parlamentarier votierten dagegen, 53 dafür.
Die Opposition hatte den Antrag vor dem Hintergrund des erbitterten Streits innerhalb der Regierungskoalition über ein seit langem gefordertes Wehrpflicht-Gesetz für ultraorthodoxe Juden eingebracht. Sie hatte gehofft, die ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereintes Tora-Judentum (VTJ) auf ihre Seite zu ziehen und so die rechtsreligiöse Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu Fall zu bringen, die in der Knesset derzeit über 68 Sitze verfügt.
Allein die sieben Stimmen der Partei VTJ hätten genügt, um den Antrag voranzubringen, für dessen endgültige Billigung drei weitere Lesungen notwendig gewesen wären. Die sefardische Schas-Partei verfügt über elf Sitze im Parlament.
Die ultraorthodoxen Parteien fordern eine generelle Befreiung vom Wehrdienst. Vor dem Hintergrund des andauernden Krieges gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen haben sich zuletzt jedoch auch immer mehr Mitglieder der Koalition für ein Gesetz ausgesprochen, das ultraorthodoxe Männer zum Wehrdienst verpflichtet.
Einen neuen Antrag auf Auflösung der Knesset können die Oppositionsparteien laut Gesetzeslage frühestens wieder in sechs Monaten stellen. Die nächsten regulären Wahlen in Israel stehen im Oktober 2026 an. Aktuellen Umfragen zufolge liegen Netanjahus mögliche Herausforderer derzeit vor dem Regierungschef.
Ausnahmeregelung für Ultraorthodoxe aufgehoben
In Israel ist der Militärdienst verpflichtend. Männer müssen 32 Monate in der Armee dienen. Frauen werden für zwei Jahre einberufen. Streng religiöse Männer, die sich in einer religiösen Jeschiwa-Schule Vollzeit dem Studium der heiligen Schriften widmen, waren in Israel jedoch seit Jahrzehnten von der Wehrpflicht befreit. Diese Ausnahmeregelung lief jedoch im vergangenen Jahr aus. Der israelischen Regierung gelang es nicht, ein neues Gesetz zu verabschieden, um diesen Sonderstatus für die Ultraorthodoxen zu zementieren.
Der Oberste Gerichtshof erließ schließlich im Sommer 2024 ein Urteil, wonach ultraorthodoxe Männer zum Wehrdienst einzuziehen sind.
Viele ultraorthodoxe Juden empfinden den Militärdienst als Bedrohung ihres frommen Lebensstils, unter anderem weil Frauen und Männer gemeinsam dienen.
Die Armee hatte aber angesichts des langen Kriegs gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen eindringlich vor einem drastischen Mangel an kampffähigen Soldaten gewarnt. Zudem empfinden es viele Israelis als ungerecht, dass ultraorthodoxe Juden vom Dienst an der Waffe und gefährlichen Kampfeinsätzen ausgenommen sind.
Laut der israelischen Statistikbehörde zählen etwa 13 Prozent der jüdischen Bevölkerung Israels zu den Ultraorthodoxen, den sogenannten Cheredim. Das sind fast 1,3 Millionen Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von zehn Millionen israelischen Staatsbürgern. Sie halten sich an eine strenge Auslegung der jüdischen Tradition und leben in Israel und anderswo weitgehend in abgeschotteten Gemeinschaften. (AFP, dpa)
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