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Tabu-Bruch in Frankreich: Konservative Republikaner wollen Wahlbündnis mit Rechten eingehen
Der Chef der konservativen Republikaner will sich den Rechtspopulisten des Rassemblement National (RN) öffnen und löste damit viel Kritik aus. Das RN bestätigte nun ein Wahlbündnis.
Stand:
Vor den Neuwahlen in Frankreich hat der Chef des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, ein Wahlbündnis mit Teilen der konservativen Republikaner (LR) bestätigt. „Es wird eine Verständigung zwischen dem Rassemblement National und den Republikanern geben“, sagte Bardella am Dienstag. Dies schließe mehrere LR-Abgeordnete ein, die vom RN „eingesetzt“ oder „unterstützt“ würden.
LR-Chef Eric Ciotti hatte zuvor gesagt, seine Partei brauche ein Bündnis mit dem RN - und damit einen absoluten Tabubruch begangen. Der Schritt ist auch in seiner eigenen Partei höchst umstritten.
Er habe „alle patriotischen politischen“ Parteien, die etwas zur zukünftigen „Mehrheit des Aufschwungs“ im Parlament beitragen wollten, dazu aufgefordert, sich ihm anzuschließen, sagte Bardella. „Ich freue mich, dass Eric Ciotti dies positiv beantwortet hat“, fügte er hinzu.
Er kündigte an, sich noch im Laufe des Abends mit dem Parteichef der Konservativen auszutauschen. Ein Bündnis mit der Partei Reconquête, die politisch noch weiter rechts steht als der RN, schloss Bardella am Dienstag aus.

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte die Neuwahlen zur Nationalversammlung nach dem triumphalen Wahlsieg des RN und der krachenden Niederlage der ihn unterstützenden Liste bei der Europawahl am Sonntag ausgerufen. Der Urnengang soll am 30. Juni und 7. Juli stattfinden.
Bei Parlamentswahlen werden die Abgeordneten in Frankreich in zwei Durchgängen ausgewählt: Holt in einem Wahlkreis im ersten Wahlgang keiner der Bewerber die absolute Mehrheit, findet ein zweiter Wahlgang statt, bei dem der Bewerber mit den meisten Stimmen gewinnt. Um ihre Chancen zu erhöhen, können Parteien Bündnisse eingehen, bei denen sie nur einen gemeinsamen Kandidaten pro Wahlkreis aufstellen.
Eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten war für die meisten Parteien in Frankreich, darunter auch die Republikaner, in den vergangenen Jahrzehnten tabu gewesen. Die französischen Konservativen berufen sich auf die Tradition von Charles de Gaulle, der vor seiner Zeit als Präsident im Zweiten Weltkrieg den französischen Widerstand gegen Nazi-Deutschland angeführt hatte.
Die Vorgängerpartei des RN, den Front National, hatten hingegen Anfang der 1970er Jahre Jean-Marie Le Pen und Pierre Bousquet gegründet, ein ehemaliges Mitglied der Waffen-SS.
Viel Kritik an LR-Chef Ciotti
Ciottis Aussage zu einer Zusammenarbeit mit dem RN sorgte in Teilen seiner Partei für heftigen Gegenwind. Der republikanische Senatspräsident Gérard Larcher sagte, er werde „ein Abkommen mit dem RN niemals billigen“.
Der Vorsitzende der republikanischen Fraktion im Senat, Bruno Retailleau, sprach von einer rein „persönlichen Linie“, die Ciotti in dieser Frage verfolge. Der Parteichef habe über seine Pläne im Umgang mit dem RN „gelogen“ und müsse daher seinen Posten aufgeben.
Noch heftigere Kritik äußerte Innenminister Gérald Darmanin, der früher Mitglied der Republikaner war und 2017 ins Lager von Präsident Macron wechselte. Ciotti bereite der „gaullistischen Familie“ mit seiner Annäherung an den RN eine Schande und habe dadurch „das Münchner Abkommen“ unterzeichnet.
Er zog damit einen historischen Vergleich zu dem Vertrag, mit dem Frankreich und Großbritannien Nazi-Deutschland im Jahr 1938 den Einmarsch in das zur Tschechoslowakei gehörende Sudetenland zugestanden - hinter dem Rücken der demokratisch gewählten Regierung in Prag.
Ciotti äußerte sich indes auch nach seinem Interview unbeirrt. Er werde nicht zurücktreten, sagte der konservative Parteichef vor Reportern. Sein Mandat liege in der Hand der Parteimitglieder.
RN-Chefin Le Pen verfolgt seit einigen Jahren die Strategie, ihre Partei nach und nach salonfähig zu machen und etwas näher an die Mitte zu rücken. Der RN erzielte bei der Europawahl einen Wahltriumph und wurde in Frankreich mit Abstand stärkste Kraft. Die Partei mit dem Spitzenkandidaten Jordan Bardella kam auf mehr als doppelt so viele Stimmen wie die Liste von Präsident Macron. (AFP)
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