zum Hauptinhalt
Demonstranten am Dienstag in Israel

© imago/UPI Photo/IMAGO/DEBBIE HILL

Erster Teil der Justizreform in der Knesset abgesegnet: Gegner protestieren mit „Tag der Störung“

Die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs in Israel sollen eingeschränkt werden. Das hat das Parlament beschlossen. Die Protestbewegung reagiert mit einem „Tag der Störung“.

Schon am frühen Morgen schallten die Rufe der Demonstranten durchs Zentrum Tel Avivs: „Demokratie oder Aufstand!“ Hunderte hatten sich vor dem Gebäude der Histadrut versammelt, dem Dachverband der Gewerkschaften, um gegen das erste Element der umstrittenen Justizreform zu protestieren, das am Montagabend die erste Lesung im Parlament passiert hatte.

Ein paar Straßen weiter blockierten Menschen eine vielbefahrene Kreuzung. Und das war nur der Auftakt des „Tag der Störung“, den Israels Protestbewegung für Dienstag ausgerufen hatte.

Geplant waren unter anderem Proteste am internationalen Ben-Gurion-Flughafen, die Blockierung wichtiger Verkehrswege und Streiks. Zudem kündigten Hunderte Reservisten an, ihren Reservedienst zu verweigern.

„Coup“ oder „Revolution“?

Die geplante Justizreform, von ihren Gegnern als „Coup“ oder „Revolution“ bezeichnet, zielt unter anderem darauf ab, die Macht des Obersten Gerichts zu begrenzen, und würde die Balance zwischen den drei Gewalten tiefgreifend verändern.

Weil der rechts-religiösen Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu jedoch seit Monaten massiver Widerstand entgegenschlägt, versucht sie nun offenbar, ihre Pläne schrittweise durchzusetzen.

Der jüngste Gesetzesentwurf betrifft die sogenannte „Doktrin der Angemessenheit“, auf deren Grundlage der Oberste Gerichtshof Entscheidungen der Regierung als unangemessen einstufen kann.

Unter anderem stoppte das Gericht damit den Versuch Netanjahus, den Vorsitzenden der ultraorthodoxen Shas-Partei, Aryeh Deri, zum Innen- und Gesundheitsminister zu küren, welcher mehrfach wegen Steuervergehen verurteilt worden war. Befürworter der Pläne argumentieren, das Gericht mische sich übermäßig in politische Angelegenheiten ein; Kritiker meinen, mit der Doktrin würde ein wichtiger Kontrollmechanismus gegenüber der mächtigen Exekutive abgeschafft werden.

64
Abgeordnete von 120 haben am Montagabend dem ersten Teil der Justizreform im israelischen Parlament in erster Lesung zugestimmt.

Die Regierung will den Entwurf bis Ende Juli durchs Parlament bringen. Da die Koalitionsparteien dort über eine stabile Mehrheit verfügen, dürfte das auch gelingen – es sei denn, der Protestbewegung gelingt es ein zweites Mal, den Prozess aufzuhalten.

Dialog war im Juni gescheitert

Ende März hatte Netanjahu nach massivem öffentlichen Druck die geplante Gesetzgebung bereits vorübergehend auf Eis gelegt und einem Dialog mit der Opposition zugestimmt, der allerdings im Juni in gegenseitigen Vorwürfen endete.

Seitdem hat sich der Konflikt verschärft. Vertreter der rechts-religiösen Koalition werfen Polizei und Gerichten vor, zu lax gegen Demonstranten vorzugehen, die bei Protesten das Gesetz brechen. Itamar Ben-Gvir, Minister für nationale Sicherheit und selbst vorbestrafter Chef der rechtsextremen Partei Jüdische Stärke, verlangte israelischen Medienberichten zufolge am Dienstag vom Kommandeur des Zentralbezirks eine Erklärung dafür, warum „rechte und linke Demonstranten unterschiedlich behandelt werden“.

Minister fordern Entlassung der Generalstaatsanwältin

Offenbar unter dem Druck seiner radikalen Koalitionspartner hatte Netanjahu Anfang der Woche die Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara aufgefordert, einen Bericht über die Strafverfolgung rechtsbrechender Demonstranten vorzulegen. Manche seiner Minister fordern gar, die Generalstaatsanwältin zu feuern. Zwar stellt Netanjahu sich bislang dagegen. Die Abschaffung der „Doktrin der Angemessenheit“ würde eine solche Entlassung allerdings deutlich erleichtern.

Derweil scheinen die Forderungen nach einem härteren Vorgehen gegen Demonstranten Wirkung zu zeigen. Videos auf sozialen Medien zeigen, wie berittene Polizisten in Jerusalem und Tel Aviv Demonstranten mit ihren Pferden rammen. Mindestens ein Mensch soll dabei verletzt worden sein. Bis Dienstagnachmittag wurden zudem mindestens 60 Menschen wegen Störung der öffentlichen Ordnung festgenommen.

Die Organisatoren der Protestbewegung machen derweil klar, sich von dem härteren Vorgehen nicht einschüchtern lassen zu wollen. „Die Polizei setzt bereits Wasserwerfer ein“, meldeten sie am Dienstagnachmittag mit augenzwinkerndem Emoji über ihre Kanäle in den sozialen Medien. „Bringt Regenschirme mit.“  

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false