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Donald Trump wurde im vergangenen Jahr zum zweiten Mal zum US-Präsidenten gewählt.

© dpa/AP/Evan Vucci

„Teile seiner treuesten Gefolgschaft distanzieren sich“: Ist Donald Trump doch nicht allmächtig?

Lange schien es so, als könne Donald Trump nichts etwas anhaben, er wirkte unantastbar. Doch in den vergangenen Wochen hat sich das dramatisch geändert.

Stand:

Von einer Kapitulation des US-Präsidenten war in US-Medien zu lesen, einer präzedenzlosen Niederlage. Denn Donald Trump hat zuletzt einen ungewohnten Rückschlag hinnehmen müssen. Die Republikaner stimmten in der vergangenen Woche für die Freigabe der Epstein-Akten – ein Vorgang, gegen den sich Trump zuvor lange und heftig gewehrt hatte. Doch es half nichts, er hielt dem Druck seiner Partei nicht stand – und befürwortete die Abstimmung letztlich.

Das ist er nicht gewohnt. Über Jahre hatte Trump den Nimbus des Unantastbaren. Desjenigen, für den politische Gesetzmäßigkeiten nicht gelten und der jede noch so schwere Krise und jeden Skandal durchsteht. Und der seine Partei eisern im Griff hat und nach Belieben steuern kann.

Doch die jüngsten Ereignisse scheinen darauf hinzudeuten, dass auch Trump vor einer Sache nicht gefeit ist: vor dem Machtverlust, der noch jeden US-Präsidenten im Laufe seiner letzten Amtszeit heimgesucht hat. Es ist die Phase, in der die Staatschefs kaum noch Dinge durchsetzen können und sie deshalb auch als „lame duck“ bezeichnet werden. Wird Trump nun also im Laufe seiner Amtszeit genau das: eine lahme Ente?

Abstimmung über die Epstein-Akten war ein Rückschlag

Die Abstimmung in dieser Woche über die Epstein-Akten war ein heftiger Schlag für Trump. Nach den deutlich verlorenen Regionalwahlen Ende Oktober, bei denen die Demokraten mehr oder weniger überall Siege einfuhren, war es der nächste messbare Rückschlag für den Präsidenten.

Zum ersten Mal in seiner zweiten Amtszeit erlebt Trump, dass sich spürbare Teile der eigenen Partei von ihm distanzieren, sowohl im Kongress als auch an der Basis.

Philipp Adorf, Experte für die Republikanische Partei

Hinzu kommen katastrophale Umfragewerte, die schlechtesten seiner zweiten Amtszeit. Laut dem Umfrageportal „Real Clear Politics“ finden 55 Prozent der Amerikaner, dass Trump seine Arbeit als Präsident nicht gut macht.

Dass Trump sich nun auch noch mit derartigem Widerspruch aus der eigenen Partei arrangieren muss, kommt erschwerend hinzu. „Zum ersten Mal in seiner zweiten Amtszeit erlebt er, dass sich spürbare Teile der eigenen Partei von ihm distanzieren, sowohl im Kongress als auch an der Basis“, sagt Philipp Adorf, Experte für die Republikaner und die amerikanische Rechte an der Universität Bonn.

„Brisant ist dabei, dass es nicht die üblichen, immer weniger gewordenen parteiinternen Skeptiker sind, sondern Teile seiner bislang treuesten Gefolgschaft“, sagt Adorf weiter. Insbesondere der Fall Jeffrey Epstein macht ihm da zu schaffen.

Über Monate hatte Trump sich geweigert, die gesamten Akten im Falle des verurteilten Sexualstraftäters freizugeben – und das, obwohl er es im Wahlkampf versprochen und auch seine Justizministerin Pam Bondi es in diesem Jahr zugesagt hatte.

Protest gegen den Präsidenten: eine eine Statue von Trump und Epstein nahe dem US-Kapitol.

© Reuters/Jonathan Ernst

Es half nichts. Der Druck aus der eigenen Partei, für die Freigabe der Akten zu stimmen, wurde überwältigend. Allen voran waren es die Abgeordneten aus dem Repräsentantenhaus Thomas Massie und Marjorie Taylor Greene, die sich lautstark öffentlich dafür einsetzten – und den Beschimpfungen und politischen Drohungen Trumps trotzten.

Trump bezeichnet Vertraute als „Verräterin“

Und hier zeigte sich, dass ein Mittel Trumps, das bislang noch immer funktionierte, in diesem Fall versagte: die Einschüchterung.

Der US-Präsident attackierte Massie und Taylor Greene massiv. Trump bezeichnete die ultrarechte Abgeordnete und ehemalige Trump-Vertraute etwa als „Verräterin“. Doch weder Greene noch Massie ließen sich davon zunächst beeindrucken. Inzwischen hat Greene jedoch die Reißleine gezogen und am Freitag ihren Rückzug aus dem US-Kongress zu Anfang Januar angekündigt. Trump begrüßte den Schritt als „großartige Nachricht“.

Falls Massie sein Mandat behält, wird es interessant sein, zu sehen, wie er bei den Zwischenwahlen im kommenden Jahr abschneidet. Massie muss sich gegen einen von Trump unterstützten Gegner durchsetzen. Sollte ihm das gelingen, könnte das darauf hindeuten, dass der Einfluss des Präsidenten, der in der Vergangenheit beinahe nach Gutdünken Kandidaten aufstellen konnte, schwindet.

„Die zweite Hälfte einer zweiten Amtszeit ist für US-Präsidenten traditionell die schwierigste. Abgeordnete der eigenen Partei richten den Blick zunehmend auf die Zeit danach und darauf, wer künftig an der Parteispitze stehen wird“, sagt Philipp Adorf. „Dadurch schwindet der Einfluss des Präsidenten; seine Fähigkeit, Druck auszuüben, nimmt spürbar ab.“

Auch der Senat stellt sich quer

Hier kommt auch der Senat ins Spiel. Denn es ist nicht nur das Repräsentantenhaus, von dem Trump derzeit unerwarteten Widerstand erfährt. Trumps Macht scheint auch bei den Republikanern in der höheren Kammer an ihre Grenzen zu kommen. Bislang trug der traditionell selbstbewusste Senat alle kontroversen Kabinettsnominierungen und politischen Projekte des Präsidenten mit.

Doch zuletzt stellte sich insbesondere der Mehrheitsführer, der Republikaner John Thune, mehr oder weniger gegen Trumps Wünsche.

John Thune, republikanischer Mehrheitsführer des US-Senats, wollte Trumps Forderung nach einer Abschaffung des „Filibuster“ nicht nachkommen.

© dpa/J. Scott Applewhite

Zum einen weigerte er sich, vom Präsidenten gewünschte Änderungen in das vom Repräsentantenhaus verabschiedete Gesetz zur Freigabe der Epstein-Files einzuarbeiten – gegen den ausdrücklichen Wunsch Trumps und dessen Gefolgsmann im Repräsentantenhaus, Sprecher Mike Johnson.

Zum anderen wollte Thune Ende Oktober eine Forderung Trumps nicht zur Abstimmung stellen. Der Präsident forderte da, das parlamentarische Instrument des „Filibuster“ abzuschaffen, also die Möglichkeit einer Minderheit im Senat, ein Vorhaben der Mehrheit zu blockieren. Dadurch wollte er den Regierungsstillstand beenden, der durch einen Streit zwischen Republikanern und Demokraten ausgelöst worden war.

Die Demokraten forderten in Haushaltsverhandlungen Zugeständnisse von den Republikanern bei der Krankenversicherung, die sich jedoch weigerten. Es folgte der bislang längste „Shutdown“ der US-Geschichte. Trump wollte deshalb der demokratischen Minderheit im Senat die Möglichkeit nehmen, eine Öffnung der Regierung zu verhindern – und den „Filibuster“ gleich ganz abschaffen.

„Das wird nicht passieren“, sagte Mehrheitsführer Thune. Der Regierungsstillstand endete schließlich mit einer insbesondere unter Demokraten umstrittenen Einigung – aber nicht nur auf den Druck Trumps hin.

Niederlagen bei Wahlkreis-Zuschnitten

Und auch an einer anderen Front musste Trump zuletzt deutliche Niederlagen einstecken. Mit Blick auf die Zwischenwahlen im kommenden Jahr versucht Trump, einige republikanisch geführte Staaten dazu zu bringen, die Wahlkreise zugunsten der Partei zuzuschneiden, um sich weitere Sitze zu sichern.

In Texas gelang ihm das. Die dortige Partei nutzte ihre Mehrheit und stimmte für eine Änderung der Wahlbezirke, die sie mit Gewalt und unter großem Protest der Demokraten durch den lokalen Kongress brachte. Doch die Republikaner – und damit auch Trump – mussten hier eine Niederlage hinnehmen: Am Mittwoch kassierte ein Gericht die Entscheidung vorerst ein.

Hinzu kommt: Im Bundesstaat Indiana, in dem die Republikaner ebenfalls die Mehrheit im lokalen Kongress halten, weigert sich ein Teil der Partei, seine Forderung umzusetzen. Man habe schlicht nicht genug Stimmen dafür und werde keine Abstimmung stattfinden lassen.

Trump drohte auch hier einigen seiner Parteifreunde – und kündigte an, deren jeweilige Gegner bei künftigen Wahlen zu unterstützen. Auch hier war es vergebens. Bislang bleibt der Widerstand der Partei in Indiana bestehen.

„Selbst eine Präsidentschaft, die so viele politische Normen und Konventionen gebrochen hat, entkommt am Ende nicht einer der festen Gewissheiten der US-Politik“, sagt Philipp Adorf. „In der zweiten Amtszeit erodiert die Macht eines Präsidenten unweigerlich.“

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