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International Friday Trump Biden

© Bearbeitung: Tagesspiegel/Foto: Evan Vucci/AP/dpa

Thank God It’s International Friday 13: Rückkehr mit aller Macht

Die Themen der Woche: Kein Scherz - Wie Trump mit seinen Personalien provoziert | 1000 Tage Krieg in der Ukraine | Grenzenlose Gang-Gewalt in Haiti

Anja Wehler-Schöck
Eine Kolumne von Anja Wehler-Schöck

Stand:

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Geht es Ihnen auch so? Die weltweite Nachrichtenlage weniger Tage wirkt auf mich gerade so, als würde sie eigentlich für mehrere Jahre reichen. An vielen Stellen – sei es in Washington und Berlin mit der Regierungsfindung oder in Baku mit der Weltklimakonferenz COP und in Rio mit dem G20-Treffen – werden gerade entscheidende Weichen für die kommenden Jahre gestellt. Und so ist der internationale Freitag bei mir diese Woche zum Samstag geworden. Ich wünsche Ihnen ein entspanntes Wochenende und eine gute Lektüre.

Vorhang auf …

Donald Trumps erste Personalien lassen keinen Zweifel: Die zweite Amtszeit des Republikaners wird für die USA und die Welt noch folgenreicher als die erste. Anders als 2016 lässt der designierte Präsident dieses Mal keine Zeit verstreichen – jeder Tag dieser Woche brachte neue Namen. Entscheidendes Kriterium ist dabei ganz klar die Loyalität zu ihm, fachliche Expertise scheint bei etlichen Nominierungen keinerlei Rolle zu spielen.

Tulsi Gabbard etwa, die 2020 noch um die demokratische Präsidentschaftskandidatur im Rennen war, soll Geheimdienstkoordinatorin werden. Vorerfahrung besitzt sie auf diesem Gebiet nicht. Jedoch machte sie in der Vergangenheit mit verständnisvollen Äußerungen über den syrischen Diktator Bashar al-Assad und über Russlands Präsidenten Wladimir Putin von sich reden.

Trumps Wunschbesetzung für den Posten des Verteidigungsministers ist Fox-News-Moderator und Armee-Veteran Pete Hegseth. Ohne jegliche Erfahrung in Politik und Regierung soll er das größte US-Ministerium leiten. Das ihm übrigens „zu woke“ ist, so viel ließ er schon durchklingen. Daher möchte er auf der Führungsebene erst einmal gründlich „aufräumen“. UN-Kritikerin Elise Stefanik soll die USA künftig als Botschafterin bei den Vereinten Nationen vertreten. Den Impfgegner Robert F. Kennedy Jr. (RFK) sieht Trump als Gesundheitsminister.

Bei manchen Personalien soll selbst hartgesottenen Republikanern in Washington der Mund offen gestanden haben. Etwa bei Matt Gaetz, bisher Abgeordneter im Repräsentantenhaus. Er soll Justizminister werden. Erfahrungen mit der Justiz hat Gaetz bereits gemacht. Denn: Die Behörde, die er künftig leiten soll, hat wegen diverser Skandale gegen ihn ermittelt, unter anderem wegen Vorwürfen des Menschenhandels mit minderjährigen Mädchen.

Trump zeigt mit dieser Personalauswahl vor allem eines: Er will provozieren und die Grenzen austesten. Ob seine Kandidaten die erforderliche Bestätigung durch den Senat erhalten werden, ist insbesondere im Fall Gaetz fraglich. Die Drohkulisse, die Trump und sein Team derzeit aufbauen, wird für viele Senatoren zum Test ihrer moralischen Standhaftigkeit.

Aufatmen in der Außenpolitik

Eine gewisse Erleichterung – auch auf dieser Seite des Atlantiks – war dagegen nach der Benennung von Marco Rubio als künftigem Außenminister und Mike Waltz als Nationalem Sicherheitsberater zu verspüren. Beide sind in Fragen der Verteidigung und Sicherheit Hardliner. Rubio war als Senator Teil der Initiative, die US-Mitgliedschaft in der Nato „Trump-sicher“ zu machen, also einen Austritt der USA formal zu erschweren.

Der US-Publizist Jacob Heilbrunn sieht in Rubio „eine zweite Chance für Europa“. Rubio stehe für starke Bündnisse mit den Partnern der USA. „Es ist möglich, dass die Beziehungen zu Europa eher stärker als schwächer werden“, sagte Heilbrunn meiner Kollegin Juliane Schäuble in Washington. Das bestätigt auch Risikoanalyst Ian Bremmer: „Mike Waltz und Marco Rubio sind beide ernsthaft und glaubwürdig in der Außenpolitik.“ Beide verfügten über langjährige Erfahrung und ein Netzwerk mit führenden Politikern in der ganzen Welt sowie über ein angemessenes Verständnis der wichtigsten Themen.

Trotz ihrer Ankündigungen werden Donald Trump und sein Vize JD Vance die US-Unterstützung für die Ukraine nicht streichen, davon ist Michael Kimmage, derzeit Fellow bei der American Academy in Berlin, überzeugt. „Sie werden gezwungen sein, anzuerkennen, dass ein Europa, das aufgrund einer besiegten Ukraine im Chaos versinken könnte, die Amerikaner ärmer und unsicherer machen würde“, schreibt er in seinem Gastbeitrag im Tagesspiegel.

Europa darf angesichts der zweiten Trump-Amtszeit nicht wie das Kaninchen auf die Schlange schauen, warnt Stefanie Babst. Sie rät zu einem „illusionslosen Blick“ auf den 47. US-Präsidenten. Es steht zu befürchten, schreibt sie, „dass der Kampf um strategische Ressourcen sowie um technologische und wirtschaftliche Wettbewerbsvorteile künftig ohne Regeln ausgetragen wird“.

Scholz telefoniert mit Putin

Nach fast zwei Jahren Funkstille hat Bundeskanzler Scholz am gestrigen Freitag wieder mit Kremlchef Putin telefoniert – eine Stunde lang. Was bringt das? Vermutlich nicht viel. Denn der russische Präsident weiß sehr genau, dass Scholz‘ Tage gezählt sind. Russland-Experte Stefan Meister sieht in dem Gespräch auch eher ein Signal in Richtung Ukraine. „Es erhöht den Druck, sich auf Verhandlungen vorzubereiten“, sagte er meiner Kollegin Hannah Wagner.

Der kommende Montag markiert eine traurige Zäsur: Dann wird die russische Invasion der Ukraine bereits 1000 Tage andauern. Die ukrainische Journalistin Valeriia Semeniuk beschreibt, wie die Diskussion über mögliche Verhandlungen mit Moskau derzeit ihr Land spaltet. In einem sehr persönlichen Beitrag schildert sie, wie der Krieg sie selbst verändert hat.

„Die Ukraine hätte den Krieg bereits vor einem Jahr locker gewinnen können, hätte die Biden-Administration ihr die Ausrüstung zur Verfügung gestellt, als sie sie benötigten, und ihr die Befugnis erteilt, sie nach Bedarf zu nutzen“, hat mir der US-Militärexperte Greg Melcher im Interview gesagt, das Sie am Montag im Tagesspiegel lesen können.

Gang-Gewalt in Haiti

Das Leben im karibischen Inselstaat Haiti ist seit vielen Jahren von brutaler Gewalt geprägt. Eine internationale Polizeimission sollte Abhilfe schaffen. Doch die erneute Eskalation vergangene Woche, die zur vorübergehenden Schließung des Flughafens in der Hauptstadt Port-au-Prince führte, lässt ihr Scheitern befürchten. „Man kann nicht mit denselben Politikern, die sich auf die Gangs stützen, die Gangs bekämpfen“, erklärt die Haiti-Expertin Katja Maurer, mit der mein Kollege Moritz Matzner gesprochen hat.

Win-win: Wie fachliche Expertise ihren Weg in die Medien findet

Arbeiten Sie an einem Thinktank, einer Forschungsrichtung oder Universität und hatten schon einmal das Gefühl, dass die Medien kein Interesse an Ihren Erkenntnissen haben? Wie fachliche Expertise ihren Weg in die Medien finden kann, war das Thema des WonkComms-Frühstücks diese Woche. Meine Gedanken dazu – „The 10 Dos of Getting Your Work Featured in the Media“ – können Sie hier nachlesen.

1000 Tage Krieg in der Ukraine: Wie geht es weiter?

Am Montag haben Sie wieder die Gelegenheit, an einem Tagesspiegel Live-Event mit unseren Experten teilzunehmen. Mit Hannah Wagner (Osteuropa-Redakteurin beim Tagesspiegel), Nico Lange (Münchner Sicherheitskonferenz und Center for European Policy Analysis) und Cindy Wittke (Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung) werde ich unter anderem über die Frage diskutieren, wie die zweite Amtszeit von Donald Trump zum Gamechanger im Ukraine-Krieg werden könnte. Zur Anmeldung geht es hier.

© Tsp

Das war’s von mir für heute. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Bis nächsten Freitag!

Herzlich Ihre Anja Wehler-Schöck

P.S.: Vielen Dank wie immer an Johannes Altmeyer fürs Feedback und an Manuel Kostrzynski für die Graphik!

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