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Thank God It’s International Friday 27: „Eine Friedenslösung muss Konsequenzen für den Angreifer beinhalten“, sagen die Klitschkos
Die Themen der Woche: Wie man kritische Stimmen ausschaltet | Erdogan, Putin und Trump | Bernie Sanders’ einsamer Protest | Europa zwischen Handelskrieg und Kooperation

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Wodurch fühlen sich mächtige Männer bedroht? Diese Frage hat sich wie ein roter Faden durch diese Woche gezogen.
Erdoğan: Aussichtsreiche Oppositionelle
Wie man seinen politischen Gegner kaltstellt, hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf besonders perfide Weise vorgeführt. Eigentlich sollte der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoğlu an diesem Sonntag als Präsidentschaftskandidat der größten türkischen Oppositionspartei CHP nominiert werden.

© REUTERS/Umit Bektas
Doch am Mittwoch ließ Erdoğan seinen aussichtsreichsten Herausforderer kurzerhand verhaften. İmamoğlu werden die Führung einer kriminellen Vereinigung, Bestechung, Manipulation von Ausschreibungen und die Unterstützung einer terroristischen Organisation vorgeworfen. Was sich konkret hinter den Anschuldigungen verbirgt, lässt sich nicht unabhängig überprüfen, weil die Ermittlungen geheim sind.
Sicherheitshalber hat die Universität Istanbul am Dienstag aber schon einmal İmamoğlus Hochschulabschluss für ungültig erklärt. Angeblich aufgrund eines unrechtmäßigen Universitätswechsels. Auch das könnte für den Oppositionellen schwerwiegende Folgen haben. Denn in der Türkei ist ein Universitätsabschluss Voraussetzung für die Präsidentschaftskandidatur.
Putin: Deutsche Thinktanks
Der russische Präsident Wladimir Putin schreckt vor wenig zurück, wenn es darum geht, Kontrahenten auszuschalten. Unter seiner brutalen Herrschaft sind politische Morde an Kreml-Kritikern quasi zur Tradition geworden. Gut ein Jahr ist es her, dass Putin den einflussreichsten Oppositionellen Alexej Nawalny ermorden ließ. Wladimir Kara-Mursa konnte glücklicherweise nach mehreren Jahren in Haft im vergangenen Sommer im Rahmen des Gefangenenaustauschs freikommen.
Diese Woche scheint der Thinktank DGAP Putin um den Schlaf gebracht zu haben. Denn er ließ sie zur „unerwünschten Organisation“ erklären. Das hat nicht nur Folgen für die Wissenschaftler, die in Berlin arbeiten, sondern auch für alle, die in Russland mit dem Thinktank in irgendeiner Form kooperieren. Ein weiterer Schritt Putins auf dem Weg, die Menschen in Russland zu isolieren und von Informationen aus dem Westen abzuschneiden.
Trump: Unfreundliche Medien
Vor kritischen Berichten fürchtet sich auch US-Präsident Donald Trump. Die Medien bezeichnet er gerne mal als „enemy of the people“, also als Volksfeind. Nehmen wir nicht persönlich, aber durchaus ernst, lieber Donald.
Nun hat Trump mit einem Dekret den Weg bereitet, um die Arbeit von Voice of America effektiv zu beenden. Eine Stimme der Freiheit und der Demokratie sollte der 1942 gegründete amerikanische Auslandssender sein – damals mit dem Ziel, der Nazi-Propaganda etwas entgegenzusetzen.
Während des Kalten Krieges spielte unter seinem Dach vor allem Radio Free Europe eine zentrale Rolle. Heute konzentrieren sich die Programme insbesondere auf Russland und China, um die Menschen dort mit freier Berichterstattung zu versorgen. Die Machthaber in Moskau und Peking werden sich nun die Hände reiben. Mit dieser Entscheidung leistet Trump erneut einen Beitrag dazu, dass sie ihre Propaganda ungehemmt und unhinterfragt verbreiten können.
Wo bleibt der Protest?
Nach der Festnahme von İmamoğlu gingen in der Türkei Tausende auf die Straße, Dutzende Demonstranten wurden festgenommen. Für Erdoğan natürlich kein legitimer Dissens, sondern nichts Geringeres als „Straßenterror“.
Susanne Güsten, die als Türkei-Korrespondentin des Tagesspiegels von vor Ort in Istanbul berichtet, spricht von einer „Machtprobe“ zwischen Erdoğan und der Opposition. „Können die Proteste Erdoğan wirklich aufhalten?“, fragt sie. Lesen Sie hier. 👇
Über nennenswerten Protest von Seiten der US-Demokraten wäre dagegen auch weiterhin wenig zu berichten, gäbe es da nicht Bernie Sanders. Denn darauf, dass der 83-Jährige seinen Mund nicht hält, ist Verlass. Mein Kollege Malte Lehming hat für Sie darüber geschrieben, wie der Senator aus Vermont derzeit gegen Trump auf Tour geht. 👇
Hillary und Bill Clinton zu Besuch
Apropos Kontrahentin. Trumps ehemalige Herausfordererin Hillary Clinton war diese Woche in Berlin. Und ihr Ehemann Bill auch. Beim diesjährigen World Forum im Hotel Adlon sprachen die beiden am Dienstag über die aktuellen Gefahren für die Demokratie. „Die ganze Welt hat gerade eine Identitätskrise“, erklärte der frühere US-Präsident.
Die ehemalige US-Außenministerin stellte am Montagabend in der Französischen Botschaft den Dokumentarfilm „The Cranes Call“ über russische Verbrechen in der Ukraine vor. Über Trump hatte sie dabei auch einiges zu sagen – allerdings ohne dabei auch nur einmal seinen Namen in den Mund zu nehmen. Lesen Sie hier. 👇
Klitschko-Brüder: Kein baldiger Frieden in Sicht für die Ukraine
Über das furchtbare Leid der ukrainischen Bevölkerung im Krieg sprachen auch der Kyjiwer Bürgermeister Vitali Klitschko und sein Bruder Wladimir beim Unternehmertag diese Woche.
Dass die aktuellen Gespräche zu einem schnellen Frieden für die Ukraine führen werden, glauben die beiden nicht. „Es wird ein langer Prozess“, ist sich Wladimir Klitschko sicher. Dass an den Verhandlungen neben Russland und den USA auch die Ukraine und Europa teilnehmen, sei unabdingbar. Und: „Eine Friedenslösung muss Konsequenzen für den Angreifer beinhalten“, betont der ehemalige Profiboxer. Alles andere würde nur zu weiteren Kriegen führen. Lesen Sie hier. 👇
Europa zwischen Handelskrieg und Kooperation
Mit Lars-Hendrik Röller, dem ehemaligen wirtschaftspolitischen Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, habe ich beim Unternehmertag darüber diskutiert, wie sich Europa gegenüber den USA und China positionieren sollte: konfrontativ oder kooperativ? Die Antwort des Ökonomen, der inzwischen Professor an der ESMT Berlin ist, war eindeutig: Zielführend kann letztlich nur die Zusammenarbeit sein.

© ESMT
Und wie könnte das konkret aussehen? Wie kann die einst vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron formulierte Vision von der europäischen Souveränität Wirklichkeit werden? Das wird die zentrale Frage sein, wenn die DvH-Medien Handelsblatt, ZEIT, WirtschaftsWoche und Tagesspiegel kommenden Mittwoch und Donnerstag zu ihrer jährlichen EUROPE-Konferenz in Berlin laden.
Meine DvH-Kollegen und ich werden mit zahlreichen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diskutieren. Unter anderem mit Außenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius sowie ihren estnischen Counterparts Margus Tsakhna und Hanno Pevkur, Finanzminister Jörg Kukies, den Europaabgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Katarina Barley sowie René Obermann, Vorstandsvorsitzender von Airbus, und Verena Pausder, Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands. Die Konferenz könnte zu keinem besseren Zeitpunkt stattfinden und ist für mich schon jetzt ein Highlight der kommenden Woche.
Seien auch Sie mit dabei! Hier geht’s zum Programm und zur Anmeldung. Wir freuen uns auf Sie.
Das war’s von mir für heute. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Herzlich
Ihre Anja Wehler-Schöck
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