zum Hauptinhalt
Die Exiloppositionellen Masih Alinejad, Garry Kasparow und Leopoldo López.

© Gestaltung: Tagesspiegel / Fotos: IMAGO/ZUMA Wire, IMAGO/Konstantin Sednev, IMAGO/Luis Soto/SOPA Images

Thank God It’s International Friday 48: Was kostet die Freiheit?  

Die Themen der Woche: Berlin als Sehnsuchtsort für Freiheitskämpfer weltweit | Donald Trump bricht mit Marjorie Taylor Greene | Droht dem MAGA-Lager die Spaltung?

Anja Wehler-Schöck
Eine Kolumne von Anja Wehler-Schöck

Stand:

It’s International Friday! Willkommen zur heutigen Ausgabe des TGIIF, dem internationalen Newsletter des Tagesspiegels bei LinkedIn. Hier können Sie ihn kostenlos abonnieren.

Kennen Sie die drei Menschen in der Abbildung oben? Es sind die iranische Aktivistin Masih Alinejad, der russische Schachweltmeister und Putin-Gegner Garry Kasparov und der venezolanische Oppositionspolitiker Leopoldo López. Was haben sie gemeinsam? „Relativ wenig“, sagt Alinejad, „aber uns verbindet der Kampf für die Freiheit.“

Rund 200 Oppositionelle und Aktivisten aus 60 Ländern weltweit sind in dieser Woche für die erste Berlin Freedom Week nach Berlin gekommen. „Paris hat die Fashion Week, Berlin die Freiheitswoche“, verkündete Alinejad. Dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, der Schirmherr des Projekts war, rief sie kurzerhand zu, dass die anwesenden Freiheitskämpfer doch Ehrenbürger von Berlin werden sollten.

Lesen Sie hier, was meine Kollegen Kai Müller, Christoph Kluge und Tobias Langley-Hunt für Sie über die Berliner Initiative, über die Rolle der Wirtschaft bei der Verteidigung von Demokratie und Freiheit sowie über die Würdigung des inhaftierten Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu aufgeschrieben haben.

Lobsang Sangay, der ehemalige Ministerpräsident der tibetischen Exilregierung, warnte bei der Freedom Conference im Schöneberger Gasometer vor der Gefahr, dass sich autokratische Muster wiederholen, wenn Oppositionelle nach langen Jahren der Diktatur an die Macht kommen. Daher sei es essenziell, dass Oppositionelle im Exil demokratische Strukturen aufbauten und Demokratie übten.

Genau das hat der World Liberty Congress (WLC) am vergangenen Wochenende im Berliner Abgeordnetenhaus getan. Dort wählte der weltweite Zusammenschluss von Dissidenten und Demokratieaktivisten seinen neuen Vorstand. Künftig wird er von Felix Maradiaga (Nicaragua), Shukria Barakzai (Afghanistan) und Carine Kanimba (Ruanda) geleitet. Alinejad, Kasparow und López, die Gründer des WLC, standen nicht mehr zur Wahl – um eine Kultur des demokratischen Wandels zu stärken, wie sie erklärten.

Ich empfand es als sehr bewegend, bei der Freedom Conference am Montag zu spüren, wie sehr Berlin zum Identifikationspunkt und Sehnsuchtsort für Menschen geworden ist, die weltweit für die Freiheit kämpfen. Immer wieder betonten die Rednerinnen und Redner, dass der deutsche Mauerfall ihnen Hoffnung darauf gebe, dass auch in ihrem Land Repression und Diktatur irgendwann ihr Ende fänden. Und so überrascht es wenig, dass der World Liberty Congress nun sein Hauptquartier in Berlin errichten will.

Land of the Free?

Die USA sind ein Land, das die Freiheit eigentlich in seiner DNA sieht. Zahlreiche Maßnahmen der Trump-Administration – allen voran der Rückbau der Gewaltenteilung, die Eingriffe in die Arbeit der Medien oder auch die Einschränkung der Forschungsfreiheit – sind damit jedoch kaum vereinbar.

Aktuell bin ich im Rahmen einer Vortragsreise für zwei Wochen in den USA. Eine Anwältin, die mit Migranten arbeitet, hat mir erzählt, wie sich angesichts des radikalen Vorgehens der Einwanderungsbehörde ICE gegenwärtig eine Kultur der Angst ausbreite. Menschen fürchteten sich davor, auf der Straße andere Sprachen zu sprechen, zum Arzt zu gehen, Straftaten anzuzeigen und ihre Kinder in die Schule zu schicken.

Naht in den USA eine blaue Welle?

Die Wahlerfolge der Demokraten in Virginia, New Jersey und New York City in der vergangenen Woche empfinden viele Menschen, mit denen ich hier spreche, als Zeichen eines beginnenden Umschwungs – als Hinweis darauf, dass die Demokraten aus den Zwischenwahlen in einem Jahr als klarer Sieger hervorgehen könnten.

Falls Sie den „High Noon“-Talk verpasst haben, bei dem ich mit Cathryn Clüver Ashbrook, Julius van de Laar und Helena Wittlich über die Bedeutung der Wahlen und die Perspektiven diskutiert habe, können Sie ihn sich hier ansehen. 👇

Dem frisch gewählten Bürgermeister Zohran Mamdani ist in New York ein strategischer Erfolg gelungen, der für die Zukunft der Demokraten entscheidend sein könnte: nämlich Nicht- und Erstwähler zu mobilisieren. Auf Mamdanis Strategie, die unter anderem von einem engen Wählerkontakt getragen wurde, will auch Ruwa Romman setzen. Sie ist derzeit Abgeordnete im House of Representatives von Georgia. Im kommenden Jahr will sie Gouverneurin werden. Gelänge ihr das, wäre sie in den USA die erste Muslimin in diesem Amt.

Ob sie zuvor jedoch überhaupt die Nominierung der Demokraten gewinnt, ist längst nicht sicher. Darüber, wie für Romman die „Politik der Zukunft“ aussieht und wie sie sich gegen die sechs Mitbewerber in ihrer Partei durchsetzen will, habe ich mit ihr im Interview gesprochen. Sie können es in den kommenden Tagen im Tagesspiegel lesen.

Zerbricht das MAGA-Lager?

Auf derselben High School in Georgia wie Ruwa Romman war eine Politikerin, die derzeit für Schlagzeilen sorgt: Marjorie Taylor Greene. Eigentlich war „MTG“ eine absolute Trump-Loyalistin. Doch zuletzt war von ihr immer schärfere Kritik am Präsidenten zu hören. Trump konzentriere sich zu stark auf die Außenpolitik und vernachlässige die Belange seiner Wähler, etwa die Lebenshaltungskosten und Gesundheitsversorgung, hielt sie ihm vor. Mit Vehemenz fordert sie die Freigabe der Epstein-Akten.

Auf seiner Plattform „Truth Social“ verkündete Trump am Freitag, „wacky Marjorie“ fortan nicht mehr politisch zu unterstützen. Er rief die Republikaner in Georgia dazu auf, Greene bei den nächsten Vorwahlen herauszufordern.

Donald Trump und Marjorie Taylor Greene in harmonischeren Zeiten.

© AFP/Elijah Nouvelage

Und nicht nur deswegen knirscht es derzeit im MAGA-Lager. In ihrem Interview mit Trump kritisierte „FOX News“-Moderatorin Laura Ingraham den Präsidenten am Montag dafür, die USA durch seine Visumspolitik mit ausländischen Arbeitskräften „zu überfluten“.

„Wir müssen qualifizierte Menschen ins Land bringen“, entgegnete Trump. „Aber wir haben doch qualifizierte Menschen hier“, widersprach Ingraham. „Nein, haben wir nicht“, erwiderte Trump. Zahlreiche MAGA-Influencer kritisierten den Präsidenten für diese Äußerungen heftig.

Droht also eine Spaltung von Trumps Basis? Der Präsident gibt sich unbesorgt. „Vergessen Sie nicht, dass MAGA meine Idee war“, sagte er zu Ingraham. „ Was MAGA will, weiß ich besser als jeder andere.”

Feuerprobe für die transatlantischen Beziehungen

Angesichts der Politik und Rhetorik der Trump-Regierung gegenüber Europa ist das transatlantische Verhältnis derzeit schwer angeschlagen. Was mich bei alldem zuversichtlich stimmt, ist, wie viele Menschen mir auf meiner Reise durch die USA begegnen, für die enge Beziehungen zwischen den USA und Deutschland und Europa selbstverständlich sind. Und die bereit sind, sich dafür zu engagieren. Ein Beispiel ist die German American Conference dieses Wochenende, die seit 2008 jedes Jahr an der Harvard University stattfindet.

Bei allen Warnungen, die die ehemalige stellvertretende US-Außenministerin Wendy Sherman zur Eröffnung der Konferenz an diesem Freitag angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen aussprach, blieb sie doch zuversichtlich: „Wenn die USA und Europa zusammenstehen, gibt es nichts, was wir nicht gemeinsam schaffen können. Nichts.“

Der Campus der Harvard University in Cambridge, Massachusetts.

© REUTERS/Faith Ninivaggi

Welche Werte und Ziele machen den „Westen“ heute aus? Ich freue mich sehr darauf, diese spannende Frage bei der German-American Conference auf einem Panel mit Sheila Jasanoff, Rana Mitter and Ken Weinstein zu diskutieren. Eine schöne Randnotiz: Beim Speakers Dinner am Freitagabend erzählte mir mein Tischnachbar, dass „Washington Weekly“ für ihn Pflichtlektüre sei. Falls Sie den Tagesspiegel-Newsletter noch nicht abonniert haben, können Sie dies hier tun.

Nach meinen bisherigen Stationen in Atlanta und Nashville und dem aktuellen Aufenthalt in Massachusetts geht es für mich am Sonntag weiter nach Phoenix, Houston, San Francisco, Seattle und New York.
Ich freue mich auf viele spannende Begegnungen! 🇺🇸🇩🇪

Das war’s von mir für heute. Vielen Dank und ein schönes Wochenende!

Herzlich

Ihre Anja Wehler-Schöck

P.S.: Vielen Dank an Maria Glage für die Graphik.

Transparenzhinweis: Diese Ausgabe des Newsletters ist im Rahmen einer Speakers Tour des American Council on Germany entstanden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })