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Gesenkter Blick: Auch Joe Biden hat nicht alle Staatsdokumente nach Ende seiner Amtszeit als Vizepräsident zurückgegeben. Und diese Entdeckung über Wochen verschwiegen.

© Kevin Dietsch/AFP

„Top Secret“-Papiere bei Biden und Trump?: Warum Geheimhaltung auch schaden kann

Bei den Dokumentenaffären geht es nicht um gefährliche Sicherheitslücken. Sie deuten auf einen überzogenen Trend zur Geheimhaltung hin. Eine Analyse.

Kann das wirklich sein: Höchst geheime Verschlusssachen, von denen die nationale Sicherheit der USA abhängt, tauchen an den erstaunlichsten Orte auf? Die zudem unbewacht sind.

Zum Beispiel in Kisten in Joe Bidens privater Garage, gleich hinter seinem Oldtimer Cabrio, einer Corvette Stingray, Baujahr 1967, die er nur selten fahren darf. Und in einem Wandschrank neben Donald Trumps Swimmingpool in seiner Hotelanlage in Mar-a-Lago, Florida.

Die jeweils gegnerische Partei bemüht sich, die Bedeutung der Funde zu einer Staatsaffäre zu machen: krimineller Umgang mit „Top secret“-Unterlagen. Weshalb Sonderermittler, Untersuchungsausschüsse des Parlaments, womöglich gar Impeachment-Verfahren zwingend seien.

Der Schaden durch die Blockade dürfte größer sein

Es könnte freilich auch umgekehrt sein: Hier wird ein politisches Spektakel zu Wahlkampfzwecken inszeniert. Der daraus entstehende Schaden für die Gesellschaft dürfte am Ende größer sein als der potenzielle Schaden, falls die angeblichen Geheimnisse in den Papieren an die Öffentlichkeit und damit die Hände der weltpolitischen Gegner gelangt wären – was ja bisher nicht der Fall ist.

Der Streit um die Staatsdokumente, die Ex-Präsident Trump und Ex-Vizepräsident Biden in privaten Räumen verstaut und nach ihrer jeweiligen Amtszeit nicht, wie vorgeschrieben, an die Nationalarchive übergeben haben, wird dazu beitragen, dass das Parlament sich in den anderthalb Jahren bis zur Wahl 2024 kaum noch mit Sachpolitik befassen wird. Sondern als reine Wahlkampfbühne dient.  

Zugleich verhindert dieser Umgang mit dem Problem eine andere Untersuchung, die wohl ebenso dringend wäre. „Die Regierung stuft zu viele Dokumente als geheim ein“, meint Elizabeth Goitein, Expertin für die Grenzen exekutiver Macht am Brennan Center for Justice. Damit erschweren beide Lager es der jeweiligen Opposition und den Medien, ihr Regierungshandeln zu kontrollieren.

Die Regierung stuft zu viele Dokumente als geheim ein.

Elizabeth Goitein, Expertin für die Grenzen exekutiver Macht am Brennan Center for Justice

Was weiß die Öffentlichkeit überhaupt über den Inhalt der Unterlagen? Die behauptete Brisanz lebt vom ausgiebigen Gebrauch der Begriffe „classified“ und „secret“ sowie den verbreiteten Fantasievorstellungen über die unbekannte Welt der Geheimdienste. Das Bild, das sich einfache Bürger von ihr machen, wird mehr von Spionageromanen und -filmen geformt als durch die Realität.

„Classified“ bedeutet, dass ein Dokument nur intern genutzt werden darf und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Entscheidend für die Brisanz ist jedoch, in welche der Unterkategorien es fällt. In Deutschland gibt es vier: nur für den Dienstgebrauch, vertraulich, geheim oder streng geheim.

Über die Inhalte der Papiere, die in Bidens privaten Anwesen sowie früheren Dienstorten als Vizepräsident aufgetaucht sind, ist bisher so gut wie gar nichts bekannt. Im Fall der Trump-Dokumente ist der Kenntnisstand nur geringfügig besser.

Das FBI durchsuchte das Anwesen von Donald Trump in Mar-a-Lago, Florida, im Sommer 2022.
Das FBI durchsuchte das Anwesen von Donald Trump in Mar-a-Lago, Florida, im Sommer 2022.

© Terry Renna/AP/dpa

Das Wenige deutet darauf hin, dass der Anteil brisanten Geheimmaterials gering ist, und lässt nicht auf ein gezieltes Zurückhalten von „Top secret“-Papieren schließen. Die konkreten Zahlen variieren. Über die 26 Kartons voller Unterlagen, die bei der letzten Durchsuchung in Mar-a-Lago sichergestellt wurden, berichtet die „New York Times“: Darunter seien elf Akten gewesen, die als „classified“ eingestuft sind. Und nur eine mit dem Vermerk „top secret“. Darin geht es um US-Erkenntnisse über das iranische Raketenprogramm, also nicht Informationen über eigene Waffensysteme oder Sicherheitslücken. Insgesamt habe Trump 300 „Classified“-Dokumente behalten.

Das vom FBI sichergestellte Material beschreibt die „Washington Post“ so: 13.000 Dokumente, davon 103 „Classified“ und 18 „Top Secret“.

So ähnlich verhielt es sich in den Affären um die via Wikileaks bekannt gewordenen US-Unterlagen zu den Kriegen in Afghanistan und im Irak sowie zu Diplomatenberichten. Ein Großteil der vermeintlichen Aufdeckungen war längst öffentlich bekannt, etwa die zivilen Opfer von Militäreinsätzen, auch das empörende Bagdad-Video.

Politisch interessanter ist der Umgang der beiden Präsidenten mit den aktuellen Vorwürfen. Trump mauert und behindert die Justiz. Bidens Fehlverhalten ist weit geringer, aber auch er mogelt. Die ersten Dokumente wurden am 2. November gefunden, eine Woche vor der Kongresswahl. Eingestanden hat er das erst jetzt.

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