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Trotz Trumps Dringen auf Waffenruhe: Thailand und Kambodscha starten neue Angriffe in Grenzregionen
Seit vier Tagen bekämpfen sich die beiden südostasiatischen Länder. Mehr als 200.000 Menschen fliehen. US-Präsident Trump bringt seine Zollverhandlungen als Druckmittel für eine Waffenruhe ins Spiel.
Stand:
Trotz der eindringlichen Forderung von US-Präsident Donald Trump nach einer Waffenruhe zwischen Thailand und Kambodscha dauern die Kämpfe an der Grenze der Nachbarstaaten an.
Das Auswärtige Amt in Berlin rät angesichts des eskalierenden Konflikts dringend von Reisen in die Grenzregion zwischen Thailand und Kambodscha ab.
Beide Seiten warfen sich am Morgen gegenseitig vor, die neuerlichen Gefechte ausgelöst zu haben. Derweil nimmt die Zahl der Vertriebenen in der umstrittenen Region seit Beginn der Zusammenstöße am Donnerstag weiter zu.
Ein thailändischer Militärsprecher sagte, Kambodscha habe in den frühen Morgenstunden das Feuer eröffnet und bei dem Beschuss auch Wohnhäuser getroffen.
Der thailändischen Zeitung „Khaosod“ zufolge ereignete sich der Angriff in der nordöstlichen Provinz Surin. Die internationale Gemeinschaft müsse die „unmenschlichen und verwerflichen Taten“ verurteilen, teilte das Außenministerium in Bangkok mit.
Kambodschas Regierung betonte hingegen, Thailand habe zuerst attackiert. „In allen Kampfgebieten (...) haben thailändische Streitkräfte Artillerie, Drohnen und Flugzeuge eingesetzt, um Granaten, Bomben und Streumunition auf kambodschanisches Gebiet abzufeuern“, sagte Mali Socheata, Sprecherin des kambodschanischen Verteidigungsministeriums.
Bei den Kämpfen sei auch erheblicher Schaden an Straßen und anderer Infrastruktur verursacht worden. Zudem habe Thailand zwei bekannte Hindu-Tempel ins Visier genommen.
Trump bringt Zollverhandlungen als Druckmittel ins Spiel
Trump hatte am Samstag in separaten Telefonaten mit dem kambodschanischen Ministerpräsidenten Hun Manet und dem thailändischen Übergangsministerpräsidenten Phumtham Wechayachai gesprochen.

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Danach schrieb er auf der Plattform Truth Social: „Sie haben zugestimmt, sich unverzüglich zu treffen und schnell eine Waffenruhe und letztendlich FRIEDEN auszuarbeiten!“ Er fügte hinzu: „Zufälligerweise verhandeln wir gerade mit beiden Ländern über unsere Handelsbeziehungen, aber wir wollen mit keinem der beiden Länder einen Deal schließen, wenn sie kämpfen – und das habe ich ihnen auch gesagt!“
Ob und wann ein solches Treffen stattfinden könnte, wurde nicht bekannt. Trump hatte zuvor angekündigt, die beiden Länder Anfang August mit Zöllen in Höhe von 36 Prozent belegen zu wollen.
Beide Konfliktparteien sehen Waffenruhe als Option
Der kambodschanische Ministerpräsident Hun Manet hatte nach dem Telefonat in einer Mitteilung erklärt, sein Land stimme Trumps Vorschlag einer sofortigen und bedingungslosen Waffenruhe zwischen den beiden Streitkräften zu. Er dankte dem US-Präsidenten für dessen Initiative und die Vermittlung in dem Konflikt.

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Auch Thailands Übergangsministerpräsident Phumtham Wechayachai betonte, seine Regierung sei „grundsätzlich mit einer Waffenruhe einverstanden“. Jedoch müsse die kambodschanische Seite zunächst ernsthafte Friedensabsichten zeigen.
UN-Generalsekretär António Guterres betonte, er stehe ebenfalls als Mediator bereit. „Ich fordere beide Seiten dringend auf, sich umgehend auf eine Waffenruhe zu einigen und alle Probleme im Dialog zu lösen“, schrieb er auf X und fügte hinzu: „Ich stehe weiterhin zur Verfügung, um die Bemühungen um eine friedliche Lösung des Konflikts zu unterstützen.“
Mehr als 200.000 Menschen auf der Flucht
Bei den seit Donnerstag anhaltenden Kämpfen zwischen den Nachbarstaaten wurden bislang nach offiziellen Angaben mindestens 33 Menschen getötet. Damit wurde die Opferzahl während der bis dahin letzten Gefechte in dem Konflikt vor rund 15 Jahren übertroffen.

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Mehr als 200.000 Menschen flohen aus ihren Dörfern, 138.000 auf der thailändischen und 80.000 auf der kambodschanischen Seite der Grenze.
Auch wollen kambodschanische Arbeitsmigranten, die in Thailand leben, so schnell wie möglich zurück in die Heimat: Sie fühlen sich in der eskalierenden Situation nicht mehr sicher. Kambodschas Regierung zufolge lebten und arbeiteten 2024 mehr als 1,2 Millionen Kambodschaner in dem Nachbarland.

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Womöglich Zehntausende Menschen haben beantragt, die Grenze in Ban Laem in der Provinz Chanthaburi zu überqueren, wie der Sender Thai PBS aus dem Grenzgebiet meldete. Auf Bildern in sozialen Medien war zu sehen, wie zahlreiche Menschen mit ihren Habseligkeiten bepackt an dem Grenzübergang eintrafen. In Online-Netzwerken war von einem „Massenexodus“ die Rede.
Kambodscha wirft Thailand unglaubwürdige Argumente vor
Am Freitag hatte der kambodschanische UN-Botschafter Chhea Keo nach einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York die Gegenseite scharf kritisiert. Thailand könne Kambodscha nicht glaubwürdig vorwerfen, das Land angegriffen zu haben, da dessen Armee nur ein Drittel so groß sei wie die Thailands, so Keo weiter. Zudem verfüge Kambodscha nicht einmal über eine voll ausgerüstete Luftwaffe.

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Umgekehrt forderte der thailändische UN-Botschafter Cherdchai Chaivaivid bei der UN-Sitzung ein umgehendes Ende der Feindseligkeiten durch Kambodscha, um einen Dialog zu starten. Er sprach von einem „rechtswidrigen und willkürlichen Akt der Aggression“. Die beiden Länder seien aber enge Nachbarn - die Gewalt müsse ein Ende finden.
Die Mitglieder des mächtigsten UN-Gremiums hätten bei dem Treffen hinter verschlossenen Türen von beiden Konfliktparteien äußerste Zurückhaltung gefordert.
Wer das Feuer eröffnete, ist unklar
Der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt zwischen den beiden südostasiatischen Nachbarn war am Donnerstag gefährlich eskaliert. Nach Schusswechseln an der Grenze hatte das thailändische Militär eigenen Angaben zufolge Kampfjets gegen kambodschanische Stellungen eingesetzt. Kambodscha reagierte mit Artilleriefeuer, auch auf Wohngebiete. Wer das Feuer eröffnete, ist weiter unklar.
Bereits am Freitagabend hatten Thailands Streitkräfte in acht Distrikten der Provinzen Trat und Chanthaburi das Kriegsrecht verhängt. Begründet wurde dies mit den „anhaltenden Bedrohungen der nationalen Sicherheit“ durch das Nachbarland.
Das Kriegsrecht erleichtere es dem Militär, alle notwendigen Operationen durchzuführen, um Frieden und Ordnung zu bewahren, teilte das Außenministerium mit.
Die beiden Länder trennt eine mehr als 800 Kilometer lange Grenze, deren Verlauf noch in der Kolonialzeit festgelegt wurde. Die Regierungen in Bangkok und Phnom Penh interpretieren diese Grenzziehung aber unterschiedlich.
Vor allem geht es bei dem Streit um den Tempel Prasat Preah Vihear (vermutlich aus dem 10. bis 12. Jahrhundert), der seit 2008 zum Weltkulturerbe der Unesco gehört und von beiden Ländern beansprucht wird.
Thailand und Kambodscha locken beide jährlich Millionen von Touristen an. Die Grenze zwischen beiden Ländern verläuft rund 130 Kilometer entfernt von der weltberühmten Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha, die ein beliebtes Reiseziel ist. (dpa, AFP)
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