
© dpa/Gerald Herbert
Trump sieht sich nach Urteil gestärkt: Ex-Präsident will offenbar Verurteilung im Schweigegeld-Prozess aufheben lassen
Das konservativ dominierte US-Gericht hat zugunsten Donald Trumps entschieden. Schon kurze Zeit später will der Ex-Präsident Profit daraus schlagen. Joe Biden warnt indessen vor den Folgen des Urteils.
Stand:
Der frühere US-Präsident Donald Trump bemüht sich Berichten zufolge nach der jüngsten Entscheidung des höchsten Gerichts zur Immunitätsfrage um die Aufhebung seiner Verurteilung in New York. Es ging dabei um die Verschleierung von Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin vor der Wahl 2016.
Nur wenige Stunden nach dem Beschluss des Supreme Courts hätten die Anwälte des Republikaners erste Schritte unternommen und sich mit einem Brief an den zuständigen Richter in New York gewandt, berichteten der Sender CNN und die „New York Times“ unter Verweis auf nicht namentlich genannte Quellen.
Demnach sollen die Anwälte den Richter auch gebeten haben, die für den 11. Juli angesetzte Strafmaßverkündung zu verschieben. Trumps Team beruft sich dabei auf die jüngste Entscheidung des Obersten US-Gerichts – ein „gefährlicher Präzedenzfall“, wie US-Präsident Joe Biden nach dem Richterspruch warnte.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Trump hatte am Montag einen bedeutsamen Erfolg vor dem höchsten US-Gericht verbucht: Der Supreme Court urteilte, dass er zwar keine vollständige Immunität für die Handlungen während seiner Zeit als Präsident genießt, aber der Schutz vor Strafverfolgung sehr weitgehend ist.
Das Manöver von Trumps Anwälten im Schweigegeld-Prozess war erwartbar und dürfte wohl aussichtslos sein, könnte wegen der folgenden juristischen Schritte aber zumindest die Verkündung des Strafmaßes hinauszögern.
In dem Strafverfahren in New York wurde Trump vor wenigen Wochen verurteilt. Er wurde von den Geschworenen in allen 34 Anklagepunkten für schuldig befunden. Es war das erste Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten, dass ein ehemaliger Präsident wegen einer Straftat verurteilt wurde. Trump könnte im ärgsten Fall eine mehrjährige Haftstrafe drohen.
Das Verfahren in New York drehte sich in erster Linie um Trumps Handlungen als Präsidentschaftskandidat vor der Wahl 2016. In dieser Zeit hatte Trump auf den ersten Blick keine Immunität. Trump war mit der Argumentation, dass der Fall seine Präsidentschaft betreffe, bereits in der Vergangenheit gescheitert.
Juristische Streitigkeiten dürften noch lange andauern
Allerdings könnten Trumps Anwälte argumentieren, dass die Anklage sich in dem Fall auch auf Beweise gestützt hat, die aus Trumps Zeit im Weißen Haus stammen. Denn der Supreme Court hat nun entschieden, dass Amtshandlungen von US-Präsidenten nicht nur vor Strafverfolgung geschützt sind. Sie dürfen auch nicht als Beweise in Strafverfahren angeführt werden. Spätestens in einem Berufungsverfahren dürfte das Thema werden. Trump hatte bereits angekündigt, nach der Strafmaßverkündung gegen das Urteil vorzugehen.
Verzögerung des Prozesses in Washington
Der New Yorker Fall ist anders gelagert als etwa das Wahlbetrugsverfahren in Washington, bei dem es um Trumps Versuche geht, das Ergebnis der Präsidentenwahl 2020 zu kippen. Damals hatte Trump gegen den Demokraten Biden verloren, wollte seine Niederlage aber nicht akzeptieren. Diese Anklage betrifft also seine Zeit als Präsident im Amt.
Mit ihrer Entscheidung verzögern die obersten Richterinnen und Richter den Beginn des Wahlbetrugsprozesses weiter. Es gilt als sehr unwahrscheinlich, dass der Prozess in Washington noch vor der Präsidentenwahl im November beginnen wird. Er sollte eigentlich schon Anfang März starten, war aber wegen der ungeklärten Immunitätsfrage ausgesetzt worden.
Warum nun die weitere Verzögerung? Der Supreme Court erteilte der zuständigen Bundesrichterin Tanya Chukan den komplizierten Auftrag, die „offiziellen“ und „inoffiziellen“ Handlungen des Ex-Präsidenten in der Anklage auseinanderzudröseln. Hintergrund ist die Entscheidung der obersten Richter, dass US-Präsidenten eine „absolute Immunität“ für Tätigkeiten haben, die sie im Rahmen ihrer von der Verfassung festgesetzten „Kernbefugnisse“ ausüben. Für alle anderen Amtshandlungen gelte zumindest eine „mutmaßliche Immunität“. Für „inoffizielle Handlungen“ besteht jedoch keine Immunität.
Der Supreme-Court-Beschluss hat zudem potenzielle Auswirkungen auch auf eine weitere Anklage wegen Trumps Wahlinterventionen durch die Justiz des Bundesstaats Georgia sowie auf eine Klage vor einem Bundesgericht in Florida wegen seiner privaten Lagerung geheimer Regierungsdokumente. In diesen beiden Fällen war schon vor dem Immunitätsbeschluss unklar, wann die Prozesse beginnen könnten.
Der Zeitgewinn ist für Trump enorm wichtig, da er bei einer Rückkehr ins Präsidentenamt voraussichtlich die Bundesjustiz anweisen würde, die von ihr geführten Strafrechtsverfahren gegen ihn einzustellen – dies wären die Wahlverschwörungsanklage in Washington und die Anklage zur Dokumentenaffäre in Florida.
Biden zu Immunitätsurteil: „Gefährlicher Präzedenzfall“
US-Präsident Biden kritisierte das Immunitätsurteil des Supreme Court und warnte vor schwerwiegenden Folgen. „Die heutige Entscheidung bedeutet mit ziemlicher Sicherheit, dass es praktisch keine Grenzen für das Handeln eines Präsidenten gibt“, sagte der Demokrat bei einer kurzfristig anberaumten Ansprache im Weißen Haus. Jeder Präsident, einschließlich Trump, werde nun die Freiheit haben, das Gesetz zu ignorieren, warnte der 81-Jährige. Er will bei der Präsidentenwahl im November gegen Trump antreten.

© AFP/MANDEL NGAN
Der Supreme Court habe mit seiner Entscheidung ein „grundlegend neues Prinzip“ geschaffen: Die Macht des Präsidentenamtes werde künftig nicht mehr durch Gesetze eingeschränkt, auch nicht durch das Oberste Gericht, warnte Biden. „Die einzigen Grenzen werden vom Präsidenten selbst gesetzt.“ Die Menschen in den USA hätten ein Recht darauf, vor den nahenden Präsidentenwahlen im November eine Antwort der Gerichte zur Rolle Trumps beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zu erhalten. Diese Antwort werde es nach dem Urteil wohl aber nicht mehr geben.
Biden, der sich nach einem desaströsen Auftritt bei der TV-Debatte in der vergangenen Woche in einer kritischen Phase seines Wahlkampfs befindet, nutzte die Gelegenheit und rief die Menschen zum Wählen auf.
Trump hatte Richter ernannt, die nun zu seinen Gunsten urteilten
Das Urteil des Supreme Courts war mit sechs zu drei Stimmen ausgefallen. Die drei als liberal geltenden Richterinnen hatten sich nicht der rechtskonservativen Mehrheit des Supreme Courts angeschlossen. Für das konservative Übergewicht hatte Trump selbst gesorgt, indem er während seiner Präsidentschaft drei erzkonservative Richter ernannte.
Liberale Richterinnen äußern fundamentale Bedenken
In der von Richterin Sonia Sotomayor verfassten abweichenden Meinung äußerten die Juristinnen nun ihre „Angst um unsere Demokratie“.
Sotomayor skizzierte denkbare Situationen, in denen der Schutz des Präsidenten vor Strafverfolgung künftig Anwendung finden könnte - als Beispiel nannte sie einen von ihm in Auftrag gegeben Mordanschlag auf einen Rivalen, einen Militärputsch des abgewählten Präsidenten oder den Nachweis von Bestechlichkeit.
„Selbst, wenn diese Albtraumszenarien nie eintreten sollten, und ich bete, dass sie es nie tun, ist der Schaden bereits angerichtet“, schrieb Sotomayor. „Bei jeder Ausübung seiner Amtsgewalt ist der Präsident jetzt ein König, der über dem Gesetz steht.“ Die langfristigen Folgen der Entscheidung seien erheblich. Das Gericht schaffe damit „effektiv eine rechtsfreie Zone um den Präsidenten und rüttelt am Status quo, der seit der Gründung der Nation existiert“.
Auch der Rechtsprofessor Steven Schwinn von der University of Illinois in Chicago warnt vor den Folgen des Urteils. Künftige US-Präsidenten könnten einer Strafverfolgung vorbeugen, indem sie potenziell rechtswidriges Verhalten „mit offiziellem Regierungshandeln verflechten“. (dpa/AFP/Tsp)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: