zum Hauptinhalt
Der türkische Präsident Erdogan mit seiner Frau in Ankara.

© REUTERS/Umit Bektas

Update

Stichwahl am 28. Mai: Erdoğan liegt vor Kılıçdaroğlu – doch verpasst die absolute Mehrheit

Die Entscheidung über die politische Zukunft des türkischen Präsidenten ist aller Voraussicht nach vertagt. Der Türkei könnte noch ein harter Wahlkampf bevorstehen.

| Update:

In seinem letzten Auftritt an einem langen Wahltag zeigte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bereit für eine Stichwahl. „Den Willen des Volkes muss jeder respektieren“, sagte er in der Nacht zu Montag vor Anhängern in Ankara nach Bekanntwerden vorläufiger Ergebnisse bei der Präsidentschaftswahl. „Wir wissen noch nicht, ob die Wahl in der ersten Runde zu Ende sein wird, aber wenn die Menschen uns in eine zweite Runde schicken, werden wir das auch respektieren.“

Mittlerweile ist so gut wie klar, dass die Entscheidung über die politische Zukunft des türkischen Präsidenten wohl in einer Stichwahl fallen wird. Erdoğan liegt laut Zahlen der Wahlbehörde nach Auszählung fast aller im Land abgegebenen Stimmen zwar vor Oppositionskandidat Kemal Kılıçdaroğlu, aber unter der Marke von 50 Prozent der Stimmen, die er für einen Sieg in der ersten Runde gebraucht hätte.

Insgesamt komme Erdoğan auf 49,40 Prozent, sagte Behördenchef Ahmet Yener am Montag laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Kilicdaroglu kam demnach auf 44,96 Prozent. 99 Prozent der Wahlurnen im Inland und 84 Prozent der aus dem Ausland seien bisher ausgezählt. Der Kandidat eines ultranationalistischen Parteienbündnisses, Sinan Ogan, kommt demnach auf 5,3 Prozent.

Wie die Anhänger des drittplatzierten Ogan abstimmen, könnte sich angesichts des knappen Rennens entscheidend auf das Ergebnis auswirken. Ogans Wählerschaft gilt aber als gespalten. Der Termin für eine Stichwahl ist der 28. Mai, Wählerinnen und Wähler mit türkischem Pass in Deutschland und anderen Ländern würden bereits zwischen dem 20. und 24. Mai ihre Stimme abgeben können.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Allerdings machte Erdoğan bei seinem nächtlichen Auftritt in Ankara deutlich, dass er sich „klar vorn“ sehe. Mit Blick auf die ebenfalls erfolgte Parlamentswahl, die auf eine Mehrheit seiner Regierungsallianz hindeutet, rechnete er damit, dass die Wähler in einer Stichwahl auf „Sicherheit und Stabilität“ setzen würden.

Bei der gleichzeitigen Parlamentswahl erlitt Erdoğans Regierungsbündnis zwar Verluste, konnte seine Mehrheit in der Volksvertretung aber behaupten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Anadolu sagte für die Regierungsallianz unter Führung von Erdoğans Partei AKP am Sonntag einen Anteil von 325 der 600 Sitze in der Volksvertretung voraus; das wären 19 Sitze weniger als bisher. Die AKP hätte demnach im Vergleich zu 2018 rund sechs Prozentpunkte verloren. Bei der letzten Wahl 2018 hatte Erdogan mit 52,6 Prozent im ersten Wahlgang gesiegt.

Erdoğan und die AKP büßten Stimmen in Istanbul und Ankara sowie in südlichen Provinzen wie Antalya, im kurdischen Südosten und im Nordosten ein. Anders als an früheren Wahlabenden verzichtete Erdoğan auf eine Siegesrede.

Recep Tayyip Erdoğan, Präsident der Türkei und Präsidentschaftskandidat, verlässt eine Wahlkabine in einem Wahllokal.
Recep Tayyip Erdoğan, Präsident der Türkei und Präsidentschaftskandidat, verlässt eine Wahlkabine in einem Wahllokal.

© dpa/Umit Bektas

Doch wenn sich die vorläufigen Ergebnisse bestätigen sollten, hätte die Opposition trotzdem ihre wichtigsten Ziele verfehlt. Kılıçdaroğlu hatte auf einen Sieg in der ersten Runde gehofft und sich am Wahlabend per Twitter optimistisch geäußert: „Wir liegen vorne“, schrieb er.

Die Opposition warf der Agentur Anadolu und Erdoğans Regierungspartei AKP vor, Abstimmungsergebnisse zurückzuhalten, um Kılıçdaroğlus Stimmenanteil niedriger erscheinen zu lassen. Besonders in den großen Städten, bei denen die Opposition besonders stark war, wurden die Ergebnisse erst spät veröffentlicht. Die AKP wies den Vorwurf von Unregelmäßigkeiten zurück.

In den zwei Wochen bis zur Stichwahl könnte der Türkei ein harter Wahlkampf bevorstehen. Erdoğan hatte Kılıçdaroğlu und der Opposition in den letzten Tagen vor der Wahl vom Sonntag vorgeworfen, mit der kurdischen Terrororganisation PKK zusammen zu arbeiten. Die Opposition hält dem Präsidenten und der Regierung ein Versagen in der Wirtschaftspolitik, die Unterdrückung Andersdenkender und Korruption vor.

Erdoğan hatte 2017 ein Präsidialsystem durchgesetzt, das ihm große Machtbefugnisse verlieh. Kılıçdaroğlu will dieses System wieder abschaffen und zur parlamentarischen Demokratie zurückkehren.

Auch in der Wirtschafts- und Außenpolitik würde sich bei einem Ende der Ära Erdoğan einiges ändern. Kılıçdaroğlu hat angekündigt, er werde die Grundrechte stärken und die Beziehungen der Türkei zum Westen wieder verbessern, die seit Jahren in einer Dauerkrise stecken.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false