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Misstrauensantrag gegen von der Leyen: Der Unmut über die EU-Chefin ist groß – und wird sie doch nicht das Amt kosten
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist erst wenige Monate im Amt – und muss sich schon einem Misstrauensantrag stellen. Völlig überraschend dürfte der sie aber nicht treffen.
Stand:
Ursula von der Leyen ist eine Vollblutpolitikerin. Am Mittwoch empfing die EU-Kommissionspräsidentin mit der ihr eigenen distanzierten Herzlichkeit Pekings Außenminister Wang Yi. Drei Wochen vor dem wichtigen EU-China-Gipfel sollte sich der seltene Gast wohlfühlen in Brüssel.
Das Lächeln der Deutschen wirkte wie immer wie ins Gesicht zementiert; nichts deutete darauf hin, dass Ursula von der Leyen zu diesem Zeitpunkt schon wusste, dass ihr einiges Ungemach droht. Die Kommissionspräsidentin muss sich einem Misstrauensvotum im EU-Parlament stellen.
Eingebracht wurde der Antrag von dem extrem rechten rumänischen Abgeordneten Gheorghe Piperea aus der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR).
Unterstützt wird er von mindestens 72 Abgeordneten, was bedeutet, dass über ihn während der Tagung des Parlaments in der kommenden Woche debattiert und abgestimmt werden muss. Unter den Befürwortern sind auch deutsche Politiker wie Alexander Jungbluth und Anja Arndt von der AfD.
Die Debatte ist am Montag und das Votum am Donnerstag geplant. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat bereits angekündigt, gemeinsam mit den Rechten gegen von der Leyen stimmen zu wollen.
Das ist eine Schande für das europäische Volk.
Manfred Weber, EVP-Chef und CSU-Politiker
Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), bezeichnete die Unterstützer des Antrags als „Marionetten“ des russischen Präsidenten. „Putins Marionetten im Europäischen Parlament versuchen, die Einheit Europas zu untergraben und die Kommission in Zeiten globaler Turbulenzen und Wirtschaftskrisen zu stürzen“, erklärte Weber am Donnerstag. „Das ist eine Schande für das europäische Volk.“
Der Unmut ist groß
Der Antrag kommt dennoch nicht völlig überraschend, denn in den vergangenen Monaten hat sich bei den Europaparlamentariern einiger Ärger über die Arbeitsweise der Kommissionspräsidentin angestaut. Für großes Murren sorgte, dass sie ein milliardenschweres Kreditprogramm für Verteidigungsinvestitionen als Notfallmaßnahme ohne Parlamentsbeteiligung plante.
Großen Unmut gibt es auch im Lager der Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen, weil die Kommission ankündigte, ein Gesetz gegen Greenwashing zurückziehen zu wollen. Mit dem Begriff wird der Versuch von Unternehmen bezeichnet, Menschen nur vorzugaukeln, dass sie viel für den Umweltschutz tun.
Im Misstrauensantrag erwähnt ist auch das zweifelhafte Vorgehen Ursula von der Leyens während der Corona-Krise. Bis heute verweigert die Kommission, Informationen zu ausgetauschten Textnachrichten zwischen von der Leyen und dem Chef des US-Pharma-Konzerns Pfizer herauszugeben.
Konservative stellen sich hinter die CDU-Frau
Die Fraktion der Konservativen im Europaparlament stellte sich sofort nach Bekanntwerden des Antrags hinter die Kommissionspräsidentin.
Wir gehen davon aus, dass sich angesichts der internationalen Lage und der großen Herausforderungen in der EU der Spieltrieb auch bei den Liberalen, Grünen und Sozialdemokraten in engen Grenzen hält.
Angelika Niebler und Daniel Caspary, Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europa-Parlament, in einer gemeinsamen Erklärung zum Misstrauensantrag
Die beiden Vorsitzenden der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Angelika Niebler und Daniel Caspary, geißelten den „immer unverantwortlicher werdenden Populismus der politischen Extremen“. Dann folgte eine kaum verklausulierte Handlungsanweisung an die politische Konkurrenz.
„Wir gehen davon aus, dass sich angesichts der internationalen Lage und der großen Herausforderungen in der Europäischen Union der Spieltrieb auch bei den Liberalen, Grünen und Sozialdemokraten in engen Grenzen hält“, betonen Niebler und Caspary.
Dieser Appell an die staatspolitische Verantwortung stößt bei den Angesprochenen allerdings sauer auf. Der Leiter der SPD-Delegation im Europaparlament, René Repasi, sieht in dem Misstrauensvotum einen Beleg dafür, dass sich Ursula von der Leyen und die konservative EVP-Fraktion nicht auf die Unterstützung von Rechten verlassen können.

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Die Sozialdemokraten hatten der EVP zuletzt immer wieder vorgeworfen, bei wichtigen Abstimmungen auch auf Stimmen rechts der Mitte zu setzen und dadurch die demokratische Phalanx gegenüber den extremen Kräften im Parlament zu zerstören.
Vor allem EVP-Chef Weber zeigte sich trotz massiver Kritik immer sehr offen für eine Zusammenarbeit mit der extrem rechten EKR-Fraktion, aus deren Reihen nun der Misstrauensantrag kommt.
Namentlich sein offensives Werben um die postfaschistische italienische Regierungschefin Giorgia Meloni und deren in der EKR verorteten Partei Fratelli d’Italia sorgte für Irritationen. Auch Ursula von der Leyen zeigte sich in der Vergangenheit immer wieder gerne mit der Italienerin.

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Aber nicht nur den CSU-Politiker Weber bringt der Misstrauensantrag in eine überaus delikate Situation. Auch die EKR-Fraktion selbst distanziert sich davon. „Das ist keine Initiative unserer Gruppe“, heißt es von einem Sprecher der Parteiengruppe, denn es gäbe einiges zu verlieren.
Ein Erfolg ist unwahrscheinlich
Für einen erfolgreichen Misstrauensantrag wäre eine Zweidrittelmehrheit im Parlament notwendig – dann müsste nach den geltenden Regeln nicht nur Ursula von der Leyen, sondern die gesamte EU-Kommission zurücktreten. Das macht einen Erfolg unwahrscheinlich.
Denn Giorgia Meloni hat mit großem Geschick einen Vertreter ihrer Partei auf einem einflussreichen Kommissarsposten installiert. Die Stimmen der ultrarechten Fratelli d’Italia aus der EKR-Fraktion dürften Ursula von der Leyen also sicher sein. Die Kommissionschefin käme dann mit einem blauen Auge davon.
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