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An der westlichen Stadtgrenze von Bachmut liefern sich Russen und Ukrainer heftige Kämpfe.

© Reuters/Adam Tactic Group

Ukraine hält nur noch kleine Teile: Der Schlacht um Bachmut droht ein plötzliches Ende – und dann?

Nach rund einem Jahr schwerster Kämpfe scheint Russland kurz davor zu sein, die ostukrainische Stadt vollständig einzunehmen. Für Kiew stehen die Flanken längst im Fokus.

Die Juwileina-Straße und die Korsunskogo-Straße im Westen Bachmuts trennt mehr als ein Kilometer – und doch haben sie etwas gemeinsam. Sie sind mittlerweile die einzigen Straßen der Stadt, die die Ukrainer zumindest noch teilweise kontrollieren.

Die beiden Straßen verbindet ein Teil der Schnellstraße T0504, die in den vergangenen Monaten deshalb Bekanntheit erlangt hat, weil sie die letzte Straße ist, über die die Ukrainer noch Nachschub nach Bachmut bringen können. Kurz bevor die Ukrainer auch diese Route zu verlieren drohten, starteten sie in der vergangenen Woche örtlich begrenzte Gegenangriffe um Bachmut.

Mit Erfolg: „Die Gefahr, dass Bachmut abgeschnitten und eingekesselt wird, ist damit gebannt“, schreiben Christian Mölling, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), und András Rácz, Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der DGAP, in einem Gastbeitrag für das ZDF.

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Das sieht auch Jewgeni Prigoschin so, Chef der russischen Söldnergruppe Wagner. Dieser ist weiterhin wenig optimistisch, dass eine baldige Einnahme Bachmuts bevorsteht. „Trotz der Tatsache, dass der Feind nur ein paar Prozent des Territoriums in Bachmut hat, scheint es nicht möglich zu sein, den Feind einzukesseln“, sagte er in einer Audiobotschaft am Donnerstag.

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin

© dpa/Prigozhin Press Service/Uncredited

Allerdings spitzt sich die Lage für die ukrainischen Soldaten auch ohne eine Einkesselung innerhalb der Stadtgrenzen dramatisch zu. Wie die „New York Times“ berichtet, schicken die Ukrainer nur noch diejenigen Soldaten hin, die sich freiwillig für den Einsatz melden. Russland steht kurz davor, die Stadt nach rund einem Jahr Schlacht einzunehmen. Doch warum geht das jetzt so schnell? Und was ist danach zu erwarten?

Karten des US-Thinktanks ISW zeigen das genaue Ausmaß der schwierigen Lage. Demnach kontrolliert die Ukraine nurmehr kleine Teile am Rande der Stadtgrenze, darunter die Juwileina-Straße und einige Gebäude nahe dem Kinderkrankenhaus, das die Russen kontrollieren. Zudem halten die Ukrainer weiterhin einen kleinen Teil der Korsunskogo-Straße weiter südlich nahe der Schnellstraße T0504 Richtung dem Dorf Iwaniwske.

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Russland hat somit mehr als 95 Prozent des Stadtgebiets unter Kontrolle. Nach Angaben der Wagner-Söldner halten die Ukrainer nur noch ein 250 Meter breites Territorium.

Die Angaben decken sich teilweise mit Videomaterial, das die ukrainische Armee unter der Woche veröffentlicht hatte und von dem die „Bild“ berichtet. Auf diesem ist zu sehen, wie Kiews Soldaten von der Westseite der Juwileina-Straße mit Panzerfäusten auf russische Stellungen auf der Ostseite der Straße schießen.

Viel spricht dafür, dass die ukrainischen Soldaten sich in den nächsten Tagen ganz aus Bachmut zurückziehen müssen. Der Erfolg der russischen Kräfte könnte dann allerdings nur von kurzer Dauer sein.

Denn das ukrainische Militär meldete am Donnerstag weitere Geländegewinne rund um Bachmut. „Trotz der Tatsache, dass unsere Einheiten keinen Vorteil in Bezug auf Ausrüstung und Personal haben, sind sie an den Flanken weiter vorgerückt“, erklärte der Sprecher der Armeegruppe Ost, Serhij Tscherewatyj, am Donnerstag im ukrainischen Fernsehen. Einige Hundert Meter Geländegewinn sollen es an nur einem Tag gewesen sein.

Wagner-Chef Prigoschin bestätigte den ukrainischen Vorstoß. Nördlich von Bachmut seien ukrainische Einheiten knapp 600 Meter vorgestoßen. „Gebt die Siedlung Sacco und Vanzetti nicht auf“, wandte sich der 61-Jährige an die russische Armeeführung. Der verlassene Weiler mit dem Namen Sacco und Vanzetti befindet sich gut 16 Kilometer nördlich von Bachmut und etwa fünf Kilometer vom im Januar von den Russen eroberten Soledar.

Südwestlich von Bachmut wollen die Ukrainer bereits am Dorf Iwaniwske, das an der Schnellstraße T0504 liegt, vorbei vorgestoßen sein und auf dem Weg nach Klischtschijiwka sein – ein Dorf, das die Wagner-Truppen bereits im Januar eingenommen hatten.

Die Ortschaft ist höher gelegen und deshalb von strategischem Nutzen, wie die „New York Times“ berichtet: Denn wer die Posten dort unter Kontrolle habe, habe den genauen Überblick über die wichtigsten Straßen in und um Bachmut.

Der ukrainische Vormarsch auf die Flanken von Bachmut scheint gestoppt zu sein.

Christian Mölling und András Rácz, Forscher

„Die Hauptaufgabe der Streitkräfte besteht überhaupt nicht darin, auf den Straßen zu kämpfen, sondern den Kampf um die Höhen an den Flanken zu gewinnen“, schrieb Militärjournalist Andrii Tsaplienko unter der Woche. „Solange die Wagner-Anhänger in den Ruinen der von den Streitkräften der Ukraine kontrollierten Straßen kämpfen, verteilen sie ihre Kräfte nicht auf die Flanken.“

Wie kraftvoll die Vorstöße der Ukraine an den Flanken noch sind, ist allerdings umstritten. Um die ukrainischen Vorstöße zu stoppen und die Stadt vollständig einzunehmen, habe Russland neue Luftlande-Einheiten an die Flanken vor Bachmut gezogen, schreiben die Militärexperten Christian Mölling und András Rácz in ihrem ZDF-Gastbeitrag. Außerdem habe Russland Kräfte aus der Achse Swatowe–Kreminna nach Bachmut verlegt, wo ebenfalls schwere Kämpfe im Gange sind.

„Durch den Einsatz dieser neu verpflichteten Truppen gelang es ihnen, die Frontlinie zu stabilisieren, die nach dem ungeplanten Rückzug der motorisierten Infanteriebrigade 72 in der vergangenen Woche zusammengebrochen war“, so die Forscher. Und sie gehen als Folge daraus, im Widerspruch zu den Angaben aus Kiew, noch weiter: „Der ukrainische Vormarsch auf die Flanken von Bachmut scheint gestoppt zu sein.“

Wie weit die Ukraine an den Flanken noch vorrücken kann, werden die kommenden Tage zeigen. Das Ziel des ukrainischen Kommandos ist aber klar, die Russen in und um Bachmut zu binden, damit sie nicht an andere Frontabschnitte verlegt werden können, die die Ukrainer demnächst attackieren könnten.

„Die Phase der blinden Verteidigung ist vorbei, jetzt gibt es Bewegung auf beiden Seiten“, sagte der Oberst Andriy Biletsky, der die Brigade kommandiert, die für den ersten Vorstoß südwestlich von Bachmut verantwortlich war, der „New York Times“. Noch weiter geht der ukrainische Oberkommandeur Oleksandr Syrskyi: „Die Wagner-Leute haben Bachmut betreten wie Ratten eine Mausefalle.“ (mit Agenturen)

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