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Eine zentrale Straße in Kurachowe ist nach einem russischen Bombardement bedeckt mit Trümmern von zerstörten Wohngebäuden.

© dpa/Anton Shtuka

Ukraine-Invasion, Tag 1001: Russlands Vormarsch beschleunigt sich – bricht die ukrainische Front zusammen?

Deutscher in Russland festgenommen. USA wollen der Ukraine offenbar auch Minen liefern. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Stand:

Diese Zahlen dürften der Ukraine nicht gefallen: Dem ISW (Institute for the Study of War) zufolge haben russische Soldaten 2024 bisher rund 2700 Quadratkilometer ukrainischen Territoriums erobert. 2023 hingehen sollen es 465 Quadratkilometer gewesen sein. Das wäre fast eine Versechsfachung. Allein zwischen dem 1. September und dem 3. November sollen mehr als 1000 Quadratkilometer durch Russland erobert worden sein. Ein Hinweis darauf, dass sich der Vorstoß in den vergangenen Monaten beschleunigt hat.

Was passiert, wenn Russland weiter in diesem Tempo vorrückt? Marina Miron, Verteidigungsforscherin am Kings College in London, meint gegenüber der BBC (Quelle hier), dass dann die Möglichkeit bestehe, dass die ukrainische Ostfront „tatsächlich zusammenbrechen könnte“.

Wo ist es besonders brenzlig? Russland soll wichtige Ressourcen in die Stadt Kurachowe gesteckt haben. Die Ukrainer konnten hier bisher Angriffe aus dem Süden und Ostern abwehren. Doch die Frontlinie rückt immer näher. Russland könnte die ukrainischen Soldaten aus dem Norden und dem Westen einkesseln. Von der BBC verifizierte Aufnahmen aus der Stadt sollen gewaltige Zerstörungen zeigen, Wohngebäude seien schwer beschädigt.

Besonderer Fokus liegt aber auch auf der russischen Region Kursk: Im August begann die Ukraine hier überraschend mit dem Einmarsch. Doch nun will Moskau offensichtlich die verlorenen Gebiete auf seinem eigenen Boden zurückzuerobern.

Videos der BBC aus der Region Kursk sollen heftige Kämpfe zeigen und erhebliche Verluste an Menschen und Ausrüstung auch auf russischer Seite. Die Daten würden jedoch auch deutlich zeigen, dass die Kontrolle der Ukraine über die Region schrumpft. Zahlen des ISW zufolge hat Russland seit Anfang Oktober etwa 593 Quadratkilometer in der Grenzregion zurückerobert.

Auf Seiten der Ukrainer sei der Angriff auf Kursk Marina Miron zufolge zwar ein Moment „taktischer Genialität“ gewesen, für die Ukraine aber zugleich eine „strategische Katastrophe“. Die Hoffnung der Ukraine: Russland wird durch den ukrainischen Einmarsch in Kursk dazu gezwungen, einen Teil seiner Truppen aus der Ostukraine abzuziehen. Das ist offenbar gescheitert. Die meisten Soldaten seien aus Teilen der Ukraine abgezogen worden, wo die Kämpfe weniger heftig toben. „Nach Angaben ukrainischer Soldaten aus verschiedenen Teilen der Front wurden die russischen Truppen, die Kursk verstärkten, hauptsächlich aus Cherson und Saporischschja abgezogen“, sagt Yurri Clavilier, ein Analytiker des Internationalen Instituts für Strategische Studien am Kings College in London, gegenüber der BBC.

Marina Miron geht davon aus, dass der Vorstoß Russlands dem Land eine stärkere Verhandlungsposition verschafft habe: „Sie haben viel bessere Karten als die Ukrainer.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:

  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Raum für eine zeitweilige russische Kontrolle über ukrainische Gebiete gelassen. „Vielleicht muss die Ukraine jemanden in Moskau überleben, um ihre Ziele zu erreichen und das gesamte Staatsgebiet wieder herzustellen“, sagte Selenskyj mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin (72) im Parlament. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Ein Einfrieren des Ukraine-Konflikts wäre nach Angaben des Kreml für Russland aus Sicht von Präsident Wladimir Putin keine passende Option. Allerdings sei Putin offen für Verhandlungen, sagt Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Insidern zufolge ist Putin offen für Gespräche mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump über eine Feuerpause in der Ukraine.
  • In Russland ist russischen Medienberichten zufolge ein deutscher Staatsbürger wegen Sabotage-Vorwürfen festgenommen worden. Der 1967 geborene Deutsche Nikolai G. sei im März an einer Explosion an einer Gasverteilerstation in der Region Kaliningrad beteiligt gewesen, meldeten russische Nachrichtenagenturen unter Berufung auf eine Mitteilung des Inlandsgeheimdienstes FSB. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Der ukrainische Militärgeheimdienst meldet einen „erfolgreichen Treffer“ eines russischen Kommandopostens in der russischen Grenzregion Belgorod. Der Posten habe sich in dem Ort Gubkin rund 168 Kilometer von der Grenze entfernt befunden. In der Mitteilung wird nicht erläutert, wer den Angriff ausführte, wann er stattfand und welche Waffen dafür eingesetzt wurden.
  • Nach Angaben des südkoreanischen Geheimdiensts sind der russischen Armee bereits rund 11.900 nordkoreanische Soldaten zugeteilt. Einige von ihnen befinden sich bereits im Kriegseinsatz gegen ukrainische Truppen, wie Südkoreas amtliche Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf den Geheimdienst National Intelligence Service (NIS) berichtete.
  • Russland hat nach eigenen Angaben über 50 ukrainische Drohnen abgeschossen. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, dass 44 ukrainische Drohnen zerstört oder abgefangen worden seien, die meisten davon über der Region Nowgorod. Sechs weitere ukrainischen Drohnen seien über Samara abgeschossen worden, erklärte der örtliche Gouverneur.
  • Zehntausende Tote und zerstörte Häuser, Millionen Flüchtlinge - das ist die bittere Bilanz von 1000 Tagen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Doch auch die Natur und das Klima haben stark gelitten, wie die ukrainische Umweltministerin Switlana Hryntschuk auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP29) in Baku berichtete. Der durch Militäreinsätze verursachte Umweltschaden werde auf 71 Milliarden US-Dollar geschätzt (rund 67 Milliarden Euro). Und durch Beschuss und Waldbrände seien zusätzlich 180 Millionen Tonnen des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid in die Atmosphäre freigesetzt worden.
  • Russland hat nach Angaben des ukrainischen Geheimdiensts einen „massiven informationspsychologischen Angriff“ gegen die Ukraine inszeniert. Über Messengerdienste und soziale Netzwerke sei eine Falschnachricht verbreitet worden, in der vor unmittelbar bevorstehenden Raketen- und Bombenangriffen auf ukrainischen Städte gewarnt worden sei. Die Botschaft sei gefälscht, sie enthalte für psychologische Einsätze Russlands typische Grammatikfehler. Die USA hatten am Vormittag ihre Botschaft geschlossen. Mehr dazu in unserem Newsblog.
  • Ohne die weitere Unterstützung der USA droht seinem Land nach Einschätzung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine Niederlage gegen Russland. „Wenn sie (die Hilfe) beenden, glaube ich, werden wir verlieren“, sagte Selenskyj in einem Interview des Senders Fox News. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Die USA werden der Ukraine nach Angaben eines US-Vertreters zur Stärkung ihrer Verteidigung gegen die russische Invasion auch Antipersonenminen zur Verfügung stellen. Das teilte ein US-Beamter der Nachrichtenagentur AFP mit. Auch die „Washington Post“ berichtete entsprechend. Es handelt sich demnach um Antipersonenminen, die mit einer Selbstzerstörungs- oder Deaktivierungsvorrichtung ausgerüstet sind. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Russland hat Nordkorea einen Löwen, zwei Braunbären, zwei Yaks und dutzende verschiedene Vögel geschenkt. Die Tiere seien vom Moskauer Zoo an den Zoo in Pjöngjang gegangen, teilten die russischen Behörden mit. Dazu veröffentlichten sie ein Video, das zeigt, wie Tiere in Frachtboxen aus einem Regierungsflugzeug geladen werden.
  • In der Ukraine macht sich Umfragen zufolge zunehmend Kriegsmüdigkeit und Enttäuschung über den Westen breit. „Durchschnittlich 52 Prozent würden gern ihr Land verhandeln sehen, um den Krieg so schnell wie möglich zu beenden“, heißt es in einer nun veröffentlichten Studie des Meinungsforschungsinstituts Gallup. Die Umfragen dazu hätten im August und Oktober 2024 stattgefunden.

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