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Ukraine-Invasion, Tag 1287: Kaum erwachsen, flohen sie vor der russischen Indoktrination
Moskau hält Merz’ „Kriegsverbrecher“-Äußerungen für irrelevant, Russland widerspricht Trumps Spekulationen zu Anti-US-Verschwörung. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
Stand:
Während sich die gesamte Ukraine seit mehr als dreieinhalb Jahren im Krieg gegen Russland befindet, hat der Konflikt im Donbass schon deutlich früher begonnen: im Jahr 2014, als pro-russische Separatisten Teile der Region besetzten, die Moskau später völkerrechtswidrig annektierte. Entsprechend länger wirkt dort bereits die russische Indoktrination – gerade bei Kindern.
Viele dieser Kinder sind mit russischer Sprache und russisch-geprägten Schulbüchern aufgewachsen. Doch nicht alle hat die Propaganda nachhaltig beeinflusst. Das „Wall Street Journal“ hat mit einigen gesprochen, die – kaum erwachsen geworden – in nicht-besetzte Teile der Ukraine geflohen sind (Quelle hier).
Einer von ihnen ist Ivan Sarancha, der aus der besetzten Region Luhansk stammt. Als die pro-russischen Paramilitärs 2014 seine Grundschule stürmten, war er gerade einmal sieben Jahren alt. Sein pro-ukrainischer Großvater, ein Priester, wurde vertrieben. Sein Vater dagegen passte sich Moskau an. Und so lernte Sarancha aus vom Kreml genehmigten Schulbüchern und wuchs mit russischer Kultur auf. Bis er im Alter von zwölf Jahren online andere Jungen kennenlernte, die in Dnipro, einer von der Ukraine kontrollierten Stadt, lebten.
Ob er denn überhaupt mit ihnen sprechen dürfe, wo sie doch eigentlich der Feind seien, fragte er diese. „Wie können wir Feinde sein? Ihr lebt in der Ukraine, genau wie wir“, antworteten sie ihm. Es war der Moment, in dem der Junge aus Luhansk anfing, sich mit der wahren Geschichte seiner Region auseinanderzusetzen und Jahre später beschloss, in den freien Teil der Ukraine zu gehen – ohne es seinen Eltern zu sagen. „Das ist vielleicht die beste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe“, sagte er den Reportern auf Ukrainisch. Aber nach Luhansk würde er dennoch gern zurückkehren – wenn es befreit wäre.
Auch Zhan-Evelin Biankpin Akassi verließ den Donbass – im Alter von 17 Jahren. Aufgewachsen ist sie in Donezk. Über Russland und Belarus landete sie schließlich im freien Teil der Ukraine. Sie berichtet, wie sie Gänsehaut bekam, als sie eine Frau an der Grenze fragte: „Junge Dame, warum tust du so, als gehörst du nicht zu uns?“ Es sei das erste Mal seit zehn Jahren gewesen, dass sie jemanden gehört habe, der sie auf Ukrainisch ansprach. „Ich hatte das Gefühl, dass mir mein Recht, Ukrainerin zu sein, genommen worden war.“
Der russische Präsident Wladimir Putin scheint in seinen Kriegszielen gegen die Ukraine unbeirrt. Russland droht zudem den Nato-Staaten regelmäßig mit weiterer Eskalation. Was wäre, wenn Deutschland in einen Krieg verwickelt würde? Über diese und andere Fragen diskutieren wir beim Tagesspiegel-Expertentalk „High Noon“ am 5. September mit den beiden Sicherheitsexperten Ferdinand Gehringer und Johannes Steger. Hier geht es zur Anmeldung.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- China, Russland und Nordkorea planen nach Kreml-Angaben keine Verschwörung gegen die USA. „Ich möchte sagen, dass niemand irgendwelche Verschwörungen angestiftet hat, niemand hat irgendetwas ausgeheckt“, sagte Juri Uschakow, der außenpolitische Berater von Kremlchef Wladimir Putin, dem russischen Staatsfernsehen. Mehr hier.
- Der Kreml bezeichnet die Ansichten von Bundeskanzler Friedrich Merz zu Friedensgesprächen mit der Ukraine als irrelevant. Es sei kaum möglich, die Meinung von Merz zu berücksichtigen, nachdem dieser Präsident Wladimir Putin als „vielleicht den schwersten Kriegsverbrecher unserer Zeit“ bezeichnet habe, sagt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Mehr in unserem Newsblog.
- Nach Angaben der britischen Zeitung „The Telegraph“ haben chinesische Unternehmen zwischen 2023 und 2024 russischen Firmen Bauteile und Materialien im Wert von mindestens 55 Millionen Euro geliefert. Dabei sollen diese russischen Konzerne unter Sanktionen gestanden haben, heißt es weiter.
- In der Region Odessa soll ein 23-jähriger ukrainischer Mann bei dem Versuch, die Grenze nach Moldawien illegal zu überqueren, ums Leben gekommen sein. Das berichtete die „Südliche Regionalverwaltung des staatlichen Grenzdienstes“ am Mittwoch.
- Bei der Ukraine-Konferenz am Donnerstag wird nach Angaben von Regierungssprecher Stefan Kornelius möglicherweise US-Präsident Donald Trump zugeschaltet. Es gebe entsprechende Überlegungen, sagt er.
- Die russischen Streitkräfte haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau in der Nacht zu Mittwoch Treibstoffanlagen in der Ukraine angegriffen. Auch die Transportinfrastruktur sei beschossen worden.
- Die russischen Streitkräfte haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau „etwa die Hälfte“ der Stadt Kupjansk in der ukrainischen Region Charkiw eingenommen. Das Ministerium veröffentlicht ein von einer Drohne aufgenommenes Video, das einen Soldaten auf einer Straße zeigt, der eine russische Flagge hält.
- Großbritannien weitet seine Sanktionen gegen Russland wegen dessen Angriffskrieges gegen die Ukraine aus. Elf neue Personen und Unternehmen wurden nach Regierungsangaben auf die Sanktionsliste gesetzt.
- Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will sich mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj am Abend mit Blick auf das Treffen der „Koalition der Willigen“ am nächsten Tag beraten. Macron wolle Selenskyj gegenüber die „unerschütterliche Unterstützung“ der Ukraine bekräftigen, teilte der Elysée am Mittwoch mit.
- Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat sich vor dem Treffen der „Koalition der Willigen“ optimistisch über eine baldige Einigung auf europäische Sicherheitsgarantien für die Ukraine gezeigt. „Ich erwarte morgen oder kurz nach morgen Klarheit darüber, was wir gemeinsam erreichen können“, sagte Rutte am Mittwoch in Brüssel.
- Der russische Staatschef Wladimir Putin hat bei einem Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un in Peking die Partnerschaft beider Länder betont. Nach Kreml-Angaben dankte Putin dem Diktator, dass dessen Soldaten bei der Rückeroberung des westrussischen Gebietes Kursk von ukrainischen Truppen mitgekämpft haben.
- Polen hat Flugzeuge zur Sicherung des polnischen Luftraums aktiviert. Wie das Einsatzkommando der polnischen Streitkräfte auf X mitteilte, hat Russland in der Nacht Luftangriffe auf die Westukraine nahe der Grenze zu Polen gestartet. „Um die Sicherheit des polnischen Luftraums zu gewährleisten, sind polnische und verbündete Flugzeuge intensiv in unserem Luftraum im Einsatz“, hieß es weiter.
Hintergrund und Analyse
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