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Ein Gefangenenaustausch.

© Imago/Ukrinform/Kyrylo Chubotin

Ukraine-Invasion, Tag 1302: Dreieinhalb Jahre in Russland festgehalten – ein ukrainischer Journalist berichtet

Selenskyj sieht Erfolge an der Front. Russland übergibt Leichen von tausend ukrainischen Soldaten. Der Nachrichtenüberblick.

Stand:

Der ukrainische Journalist Dmytro Khyliuk wurde in den ersten Tagen der russischen Invasion festgenommen. Die Russen hatten damals sein Dorf nahe Kiew eingenommen. Dreieinhalb Jahre später ist er jetzt im Rahmen eines Gefangenenaustauschs in einer Gruppe von 146 Ukrainern freigelassen – als einer von acht Zivilisten. Die BBC hat mit ihm über seine schwere Zeit in Haft und das Leben danach gesprochen.

„Das Schlimmste war, nicht zu wissen, wann man zurück darf. Man kann am nächsten Tag freigelassen werden oder zehn Jahre lang gefangen bleiben. Niemand weiß, wie lange.“ Die Einzelheiten von dem, was er erlebt hat, sind erschreckend: „Sie packten uns und schleiften uns buchstäblich ins Gefängnis. Unterwegs schlugen sie uns mit Gummiknüppeln und schrien Dinge wie: ‚Wie viele Menschen habt ihr getötet´?“

Weiter erzählt er: „Manchmal ließen sie den Wachhund von der Leine, damit er uns beißen konnte. Die Grausamkeit war wirklich schockierend.“ Ein Verbrechen wurde dem Journalisten nie zur Last gelegt. Er war wohl einfach zur falschen Zeit am falschen Ort:  Sein Vater und er wollten zu Beginn der Invasion bloß die Schäden an ihrem Haus begutachten, als sie von den Russen überrascht wurden. Während sein Vater nach kurzer Haft im Ort wieder frei gelassen wurde, verschleppten russische Truppen Dmytro.

Das erste Jahr in Gefangenschaft sei das härteste gewesen, sagt Dmytro. „Wir hungerten. Wir bekamen lange Zeit sehr wenig zu essen. “ In den ersten Monaten habe er 20 Kilo abgenommen.

Nun ist Dmytro wieder frei, seine Kollegen in Haft aber hat er nicht vergessen. Er ruft die Familien aller Ukrainer an, die er getroffen hat. Er weiß, dass sein Anruf für manche die erste Bestätigung sein könnte, dass ihr Verwandter lebt.

Zurück in der Ukraine muss er sich erst wieder zurechtfinden. „Ich wusste, dass der Krieg noch andauert, aber nicht, dass Kiew mit Drohnen bombardiert wurde. Das war unerwartet und traurig“, sagt er. „Die Bäume sind dieselben, die Gebäude sind dieselben. Aber man versteht, dass dies ein anderes Land ist. Man befindet sich in einer anderen Realität.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • König Charles III. hat das Staatsbankett mit US-Präsident Donald Trump dazu genutzt, die gemeinsame Unterstützung der Ukraine gegen den Aggressor Russland hervorzuheben. Der britische Monarch erinnerte an den Kampf, den die USA und Großbritannien Seite an Seite in beiden Weltkriegen gegen die „Kräfte der Tyrannei“ geführt hätten - und fügte hinzu: „Heute, da die Tyrannei Europa erneut bedroht, sind wir und unsere Verbündeten vereint in der Unterstützung der Ukraine, um Aggression abzuwehren und Frieden zu sichern.“ Trump nickte ob dieser Worte.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj geht davon aus, dass Russland in seinem Angriffskrieg erst einmal keine Großoffensive mehr starten kann. „Ich glaube, dass es ihnen derzeit an der Kraft für großangelegte Offensiven mangelt“, teilte Selenskyj am Abend auf der Plattform X mit und verwies darauf, dass Russland so viele Soldaten verloren habe, dass es keine starken zusätzlichen Aktionen durchführen könne. 
  • Außerdem hat Selenskyj bei einem Frontbesuch im Osten des Landes von größeren Erfolgen seiner Truppen gesprochen. So seien im Verlauf einer Gegenoffensive bei Dobropillja nordwestlich der Stadt Pokrowsk etwa 160 Quadratkilometer und sieben Ortschaften zurückerobert sowie weitere 170 Quadratkilometer „vom Feind gesäubert“ worden, teilte Selenskyj mit.
  • Russland ist nach eigenen Angaben bereit, nach einem Kompromiss zur Lösung des Ukraine-Kriegs zu suchen. „Wir verstehen ja - und Präsident (Wladimir) Putin hat das mehrfach gesagt - dass stabile Vereinbarungen am Ende in einem Kompromiss bestehen“, sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow in einer Polit-Talkshow des Staatsfernsehens. Moskau sei dazu bereit, wenn seine eigenen Interessen dabei Berücksichtigung fänden.
  • Deutschlands neuer Botschafter in der Ukraine, Heiko Thoms, hat sein Amt offiziell angetreten. Der 57-jährige Diplomat wurde vom stellvertretenden ukrainischen Außenminister Jewhen Perebyinis empfangen und übergab sein Beglaubigungsschreiben, wie das ukrainische Außenministerium am Abend mitteilte.
  • Die Ukraine hat Raffinerien in zwei russischen Regionen nahe der Wolga mit Drohnen angegriffen. In der Nacht sei die Millionenstadt Wolgograd beschossen worden, teilte Gouverneur Andrej Botscharow mit. Seinen Angaben nach gab es lediglich geringere Schäden an einigen Wohnhäusern wegen herabfallender Drohnentrümmer. Das ukrainische Militär hingegen spricht von einem Treffer in der dortigen Raffinerie.
  • Russische Angriffe in der zentralukrainischen Region Poltawa haben örtlichen Angaben zufolge Stromausfälle und Störungen im Bahnverkehr verursacht. Zudem seien fünf Menschen verletzt worden, vier davon bei einem Drohnenangriff auf eine Tankstelle, teilen die Rettungsdienste vor Ort mit.
  • Bei einem ukrainischen Drohnenangriff auf die russische Grenzregion Belgorod ist nach Angaben der Behörden ein Mensch getötet und ein weiterer verletzt worden. Dies teilt der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Gladkow, auf Telegram mit. Die Drohne habe einen Mann in seinem Auto in der Stadt Schebekino getötet.
  • Russland hat der Ukraine weitere Soldatenleichen übergeben. Kiew habe 1.000 Gefallene erhalten, teilte der für Kriegsgefangenenbelange zuständige Stab mit. Die Übergabe wurde demnach vom Internationalen Roten Kreuz vermittelt. Russische Militärblogger schrieben, dass Moskau im Gegenzug die Überreste von 24 Soldaten bekommen habe. Offiziell wurde das nicht bestätigt.
  • Laut einer Studie hat die militärische Zusammenarbeit zwischen Russland und Nordkorea die zunehmend ungleichen Machtverhältnisse zwischen den zwei Staaten offengelegt. „Während Nordkorea Russland mit großen Mengen an Waffen, Munition und Personal versorgt hat, war die Gegenleistung Moskaus vergleichsweise begrenzt und hatte keine sichtbaren Auswirkungen auf die nordkoreanische Wirtschaft“, heißt es in der Publikation „Ungleiche Partnerschaft“ der Friedrich-Naumann-Stiftung. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Litauen hat nach mehreren Paketbränden in Europa im vergangenen Jahr 15 mutmaßlich von Russland beauftragte Verdächtige wegen „terroristischer Straftaten“ angeklagt. Die Staatsanwaltschaft in Vilnius erklärte am Mittwoch, die Verdächtigen hätten die Versandunternehmen DHL und DPD genutzt, um vier Pakete mit in Kosmetikbehältern verstecktem Sprengstoff aus der litauischen Hauptstadt in verschiedene europäische Länder zu verschicken, darunter Deutschland, Polen und Großbritannien. Mehr dazu lesen Sie hier.

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