
© Alexei Konovalov/ IMAGO/ITAR-TASS
Ukraine-Invasion Tag 344: Russischer Ex-Offizier berichtet von Folter und Plünderungen
Von der Leyen kündigte neue Sanktionen an, Putins Rede zum Stalingrad-Jahrestag. Der Überblick am Abend.
Stand:
Dutzende ukrainische Soldaten haben in den vergangenen Monaten bereits über ihre Erfahrungen in russischer Kriegsgefangenschaft berichtet. Und hin und wieder gab es auch Berichte geflohener Russen, die Einblicke in die Grausamkeiten an der Front gaben. Nun äußert sich auch ein russischer Leutnant im Interview mit der britischen BBC dazu – laut dem Sender der ranghöchste Offizier, der sich bislang offenbart hat (Quelle hier).
Konstantin Jefremow spricht dabei über brutale Verhöre, Misshandlungen an Gefangenen, Scheinerschießungen und Plünderungen. Vor dem Krieg sei er als Leiter einer Minenräumeinheit in Tschetschenien stationiert gewesen. Am 10. Februar 2022 seien er und seine Männer dann auf die Krim geschickt worden. „Damals glaubte niemand, dass es Krieg geben würde“, sagte er dem Sender. „Alle dachten, es handele sich um eine Übung.“
Nach der Invasion sei seine Einheit nach Melitopol geschickt worden. Dort habe er auf einem Flugzeug die Plünderungen durch russische Soldaten miterlebt. „Soldaten und Offiziere schnappten sich alles, was sie finden konnten“, sagte er. „Eimer, Äxte, Fahrräder, sie haben alles in ihre Lastwagen gepackt. So viel Zeug, dass sie in die Hocke gehen mussten, um in die Fahrzeuge zu passen.“
Später seien sie in Bilmak, nördlich von Melitopol, eingesetzt gewesen – und dort sei er auch Zeuge von Misshandlungen geworden. Er berichtet von Soldaten, die den Gefangenen Zähne ausschlugen, sie auf dem nackten Boden schliefen ließen oder ihnen lediglich Wasser und Cracker gaben statt normaler Nahrung. Mehrfach in dieser Zeit soll er versucht haben, die Armee zu verlassen, tat es aber aus Angst nicht.
Ende Mai schließlich reichte er sein Rücktrittsgesuch ein. „Sie fingen an, mich zu bedrohen“, sagte er der BBC. Offiziere, die nie in der Ukraine gewesen seien, hätten ihn als Feigling und Verräter beschimpft. Er wurde entlassen. „Nach zehn Jahren Dienst wurde ich als Verräter, als Überläufer denunziert, nur weil ich keine Menschen töten wollte“, sagt er. Letztlich floh er, denn mit der Teilmobilisierung war er sicher, erneut in den Krieg geschickt zu werden.
Am Ende des Gespräches, so schreibt die BBC, habe er sich bei den Menschen in der Ukraine entschuldigt, auch wenn er sagt, er habe nicht das moralische Recht dazu: „Ich kann mir selbst nicht verzeihen, also kann ich auch nicht erwarten, dass sie mir verzeihen.“
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bei ihrem Besuch in Kiew offiziell neue Sanktionen gegen Russland angekündigt. „Zwischen jetzt und dem 24. Februar, genau ein Jahr nach Beginn der Invasion, wollen wir ein zehntes Sanktionspaket fertigstellen“, sagte sie bei einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Mehr dazu hier.
- Ukrainische Soldaten sind für eine Ausbildung am Flugabwehrraketensystem Patriot in Deutschland eingetroffen. Die Gruppe sei bereits am Dienstag gelandet und sollte heute mit dem Training beginnen, wurde der Deutschen Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen in Berlin erklärt. Mehr erfahren Sie hier.
- Russland sieht sich nach den Worten seines Präsidenten Wladimir Putin „wieder“ von deutschen Panzern bedroht. „Es ist unglaublich, aber deutsche Leopard-Panzer bedrohen uns wieder“, sagte er am 80. Jahrestag des Sieges der Sowjetarmee über die Truppen Nazi-Deutschlands in der Schlacht von Stalingrad. Mehr im Newsblog.
- Die gemeinsamen Übungen der Luftwaffen von Russland und Belarus sind beendet. Es seien eine Reihe von Aufgaben während des zweiwöchigen Manövers bewältigt worden, teilte das belarussische Verteidigungsministerium mit. Sie hätten rein „defensiven“ Charakter gehabt.
- Die russische Führung droht wegen der Lieferung weitreichender westlicher Waffen an die Ukraine damit, tiefer in das Land vorzudringen. Ziel müsse es sein, die westlichen Waffen soweit wie möglich von russischem Staatsgebiet - darunter auch die annektierten Gebiete - fernzuhalten, sagte Außenminister Sergej Lawrow.
- Die Europäische Union will 15.000 weitere ukrainische Soldaten ausbilden und die Minenräumung in dem Land mit 25 Millionen Euro unterstützen. Die Soldaten sollen unter anderem den Umgang mit Leopard-Kampfpanzern lernen, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mitteilte.
- Russlands Rolle als verlässlicher Waffenexporteur ist nach Ansicht britischer Militärexperten durch den Angriffskrieg auf die Ukraine und internationale Sanktionen beeinträchtigt. Das ging am Donnerstag aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London hervor.
- Die Republik Moldau könnte aus Sicht des russischen Außenministers Sergej Lawrow ein neues „anti-russisches Projekt“ nach der Ukraine werden. In der Republik Moldau und der Ukraine haben sich Landesteile abgespalten, die von pro-russischen Separatisten beherrscht werden, so Lawrow.
- Österreich weist vier russische Diplomaten aus. „Zwei Diplomaten der russischen Botschaft haben mit ihrem diplomatischen Status unvereinbare Handlungen gesetzt“, heißt es in einer Mitteilung des Außenministeriums.
- In Kramatorsk im Osten der Ukraine sind nach Polizeiangaben bei einem russischen Raketenangriff drei Menschen getötet und etwa 20 weitere Menschen verletzt worden. Es sei ein Wohngebäude getroffen worden, teilte die Polizei mit.
- Der ehemalige Kommandeur der Wagner-Söldnertruppe, der nach Norwegen geflohen ist, entschuldigt sich für die Kämpfe in der Ukraine. „Viele halten mich für einen Schurken, einen Kriminellen, einen Mörder“, sagt Andrei Medwedew Reuters. „Zuallererst möchte ich mich wiederholt und erneut entschuldigen.“
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