
© dpa/Gavriil Grigorov
Ukraine-Invasion Tag 373: „Solange Putin im Kreml sitzt, wird der Krieg nicht enden“
Wagner-Söldner erklären Bachmut für praktisch eingekesselt, Lula will zwischen Moskau und Kiew vermitteln, russischer Soziologe warnt vor ewigem Krieg. Der Überblick am Abend.
Stand:
Der russische Soziologe Grigory Yudin war einer der wenigen Experten in Russland, der vor dem Krieg gegen die Ukraine warnte - und der sich jetzt immer noch in Russland befindet. Am 22. Februar 2022 erklärte er, dass Russland dabei sei, „einen der sinnlosesten Kriege seiner Geschichte zu beginnen“. Bei Protesten gegen den Krieg wurde er später von Sicherheitskräften bewusstlos geschlagen.
Nun hat Yudin der russischen Exilzeitung „Meduza“ ein so erhellendes wie deprimierendes Interview gegeben (eine englische Zusammenfassung finden Sie hier). Yudin glaubt, dass sich Russland inzwischen in einem Zustand des „ewigen Krieges“ befindet. Denn Putin habe keine klaren Kriegsziele definiert. Deshalb könne es auch kein Ende des Krieges, keinen Sieg, geben. Er erklärt:
„Man sollte sich keinen Illusionen hingeben: Solange Putin im Kreml sitzt, wird der Krieg nicht enden. Er wird sich nur ausweiten. Die Größe der russischen Armee nimmt rapide zu, die Wirtschaft wird auf Waffenproduktion umgestellt und das Bildungswesen wird zu einem Propagandainstrument zur Kriegsvorbereitung. Sie bereiten das Land auf einen langen und schwierigen Krieg vor.“
Yudin versucht auch, den Blick Putins auf das vergangene Jahr zu erklären. Dass der Westen die Ukraine so entschieden unterstütze, sei ein Beweis für Putin, wie wichtig die Ukraine dem Westen ist und der Westen früher oder später die Ukraine militärisch aufgerüstet und von dort aus Russland angegriffen hätte. Aus diesem Blickwinkel wird der Einmarsch zu einem Präventivschlag - zu dem ihn Putin seit langem verklärt. Aus seiner eigenen Sicht hat Putin genau richtig gehandelt, wie schwierig auch immer die Situation militärisch sein mag.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages:
- Wird der Wagner-Chef jetzt in die Schranken gewiesen? Söldner-Chef Prigoschin hält sich mit Kritik an der russischen Militärführung nicht zurück. Eine Reihe neuer Regelungen könnte ihm nun gefährlich werden. Mehr hier.
- Einschätzung des britischen Geheimdienstes: Entgegen der Darstellungen des Kreml scheinen die russischen Truppen unter den internationalen Sanktionen zu leiden. Insgesamt hätten diese bereits 5000 Fahrzeuge verloren. Mehr hier.
- Baldige Lieferung von Kampfjets erwartet: Oleksij Resnikow bezeichnet sich selbst als Optimisten. Und er geht davon aus, dass die von Russland besetzten Gebiete bald zurückerobert werden. Mehr hier.
- Lula spricht mit Selenskyj über Vermittlung: In einer Videoschalte hat der neu gewählte brasilianische Präsident für eine internationale Initiative geworben, die den Krieg beilegen soll. Mehr hier.
- Ein satirischer Protest mit Nudeln bei einer Rede von Kremlchef Wladimir Putin hat für einen Regionalpolitiker in Russland ein gerichtliches Nachspiel. Die Behörden haben gegen Michail Abdalkin ein Bußgeldverfahren wegen „Diskreditierung der russischen Armee“ eingeleitet, berichtete das Internetportal Fontanka am Freitag. Mehr in unserem Liveblog.
- Der Auslandssender Deutsche Welle (DW) wird sein russischsprachiges Angebot ausweiten. Ab Samstag wird das 30-minütige Video-Nachrichtenformat „DW Nowosti“ zusätzlich zu den Werktagen auch an Wochenenden und Feiertagen produziert, um eine noch aktuellere und dichtere Berichterstattung zu bieten, wie der Sender am Freitag in Bonn mitteilte.
- In der von Russland angegriffenen Ukraine ist ein russischer Pilot wegen Kriegsverbrechen zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Unter anderem sei nachgewiesen worden, dass der Mann vor knapp einem Jahr das Gelände des Fernsehturms von Charkiw bombardiert habe, teilte die Staatsanwaltschaft am Freitag mit. Das Gelände werde ausschließlich zivil genutzt, hieß es. Insgesamt seien acht Bomben mit einem Gesamtgewicht von 2,5 Tonnen abgeworfen worden.
- Die Gruppe Wagner rekrutiert ihre Söldner neuerdings in russischen Sportclubs. Das hat der Chef der Söldnertruppe Jewgeni Prigoschin am 2. März verkündet. So gebe es in mehreren russischen Städten Anwerbungszentren bei Sportclubs. Dort wird die Gesundheit der überprüft und der weitere Prozess erklärt.
- Die seit Monaten umkämpfte ostukrainische Stadt Bachmut ist nach Angaben der dort eingesetzten russischen Wagner-Söldner praktisch eingekesselt. Der Gründer und Chef der Gruppe, Jewgeni Prigoschin, sagt in einem Video, es gebe nur noch eine Ausfallstraße, die den ukrainischen Soldaten offen stehe. Prigoschin ruft den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf, seine Truppen zurückzuziehen.
- Deutschland will von der Schweiz Leopard-2-Kampfpanzer aus den 1980er Jahren zurückkaufen. Ein entsprechendes Gesuch ging an das Verteidigungsministerium in Bern, wie dessen Sprecher Renato Kalbermatten am Freitag bestätigte. Zuerst hatte die Zeitung „Blick“ darüber berichtet. Sie sollen Panzer ersetzen, die Deutschland und andere EU-Länder in die Ukraine geliefert haben.
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