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Dieses vom russischen Fernsehen RU-RTR zur Verfügung gestellten Videostandbild zeigt Wladimir Putin (r), Präsident von Russland, und Waleri Gerassimow, russischer Generalstabschef, die zu einem Treffen mit hochrangigen Kommandeuren gehen.

© dpa/Uncredited

Ukraine-Invasion Tag 608: 20.000 Soldaten, ein umkämpftes Dorf und ein strategisch wichtiger Müllberg

Die Lage in Awdijiwka, Kreml dementiert Gerüchte über Putins Gesundheit, Deutsche Wirtschaft sieht Chancen in der Ukraine, Tourismus auf der Krim bricht ein. Die Lage am Abend.

Seit zwei Wochen versucht Russlands Militär mit allen Mitteln und vielleicht sogar letzter Kraft, die ukrainischen Verteidigungslinien um die Stadt Awdijiwka nahe Donezk zu durchbrechen. Bisher weitgehend erfolglos. Die Verluste sind enorm. Laut ukrainischen Quellen hat Moskaus Militär bisher rund 200 gepanzerte Fahrzeuge verloren. Drohnenaufnahmen von den umkämpften Feldern zeigen massenhaft Leichen russischer Soldaten. Laut ukrainischen Angaben sind aber auch die Verluste auf ukrainischer Seite beträchtlich. 

Das Ziel der Russen bei der Operation: die Stadt Awdijiwka zu umzingeln und die Ukrainer zum Rückzug zu zwingen. Das würde zu einer Verbesserung der russischen Logistik in der gesamten Südukraine führen, da nahe an Awdijiwka eine Schnellstraße und eine Bahnlinie verlaufen. Wegen der Nähe zur Front kann Russland aktuell beide nicht nutzen. Ein Erfolg in der Gegend wäre also ein symbolischer wie auch militärstrategisch wichtiger Erfolg vor dem Winter.

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Vor allem zwei Orte sind derzeit heftig umkämpft und strategisch wichtig. Einmal ist da im Nordosten von Awdijiwka ein 30 Meter hoher Müllberg. Er erlaubt einen Überblick über das umliegende Gelände. Südwestlich des Müllberges versuchen die Russen zudem, das Dorf Sjeverne zu erobern, über das die Ukrainer den Nachschub nach Awdijiwka bringen. Bisher halten die Ukrainer Sjeverne. Laut noch unbestätigten Berichten konnten die Russen am Montag oder Dienstag allerdings den Müllberg nach heftigen Kämpfen erobern.

Ein zerstörter Kindergarten in Awdijiwka.

© Till Mayer

Der polnische Analyst Konrad Muzyka geht davon aus, dass die Russen wegen der hohen Verluste bald weitere Einheiten nachziehen werden. Denn dass die Russen hier unbedingt einen Erfolg wollen beziehungsweise die russischen Generäle ihn auch brauchen, zeige die Tatsache, dass bei den aktuellen Angriffen überhaupt so viele Truppen zum Einsatz kommen. 

Womit wir in Moskau wären. Wie die US-Analystin Dara Massicot erklärt, trägt die russische Offensive in Awdijiwka die Handschrift von Waleri Gerassimow, dem Chef des russischen Generalstabs. Gerassimow glaubt demnach an die Wirksamkeit militärischer Offensiven, auch wenn die eigene Armee geschwächt ist; ganz im Gegensatz zu Sergej Surowikin, der bis zum Januar die Truppen in der Ukraine befehligte und unter anderem die Verteidigungsanlagen in der Südukraine errichten ließ.

Nun hat Gerassimow die größte Offensive seit Monaten gestartet, mit bis zu 20.000 Soldaten, wie Massicot schätzt. Und er wird sie, so erklärt die Analystin, wohl so schnell auch nicht beenden. Außer jemand in der Armee rebelliert gegen ihn – oder der russische Angriff ist erfolgreich. 

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Angeblicher Herzanfall: Immer wieder wird über die Gesundheit des russischen Präsidenten spekuliert. Nun sah sich der Kreml erneut zu einem Dementi genötigt. Mehr hier.
  • Einzelhaft für Kremlkritiker: Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny wurde zum 21. Mal in eine Strafzelle verlegt. Er soll einen Aufseher beleidigt haben. Mehr hier.
  • Die ukrainischen Angriffe auf die Krim wirken sich auch auf die russische Öffentlichkeit aus. Die Zahl der russischen Touristen sinkt den örtlichen Behörden zufolge deutlich. 2019 besuchten noch neun Millionen Russen die Krim, 2022 waren es sechs Millionen und 2023 bisher nur noch etwas mehr als vier Millionen. Auch hätten tausende Russen, die sich auf der Krim niedergelassen oder dort nach der Annexion 2014 Immobilien gekauft haben, ihre Grundstücke verkauft, schreibt die „New York Times“. Mehr in unserem Newsblog.
  • Russland kann nach eigenen Angaben weitere Sanktionen des Westens aussitzen. Die heimische Wirtschaft habe sich gut an die Sanktionen angepasst und fürchte sich daher nicht vor weiteren Maßnahmen, sagt Präsidialamtssprechers Dmitri Peskow. Vielmehr hätten die Sanktionen dazu beigetragen, die russische Industrieproduktion anzukurbeln.
  • Ein Gemeinschaftsunternehmen zwischen Rheinmetall und einem staatlichen ukrainischen Rüstungskonzern hat seine Arbeit aufgenommen. Die Rheinmetall Ukrainian Defence Industry LLC sei als Gesellschaft bereits seit vergangener Woche tätig, teilte die größte deutsche Waffenschmiede am Dienstag in Düsseldorf mit. 
  • Die Ukraine hofft nach Angaben von Ministerpräsident Denys Schmyhal, dass die EU dem Land 2024 wie in diesem Jahr 18 Milliarden Euro Budgethilfe zahlt. Der Gesamtbedarf der Hilfe von internationalen Partnern liege bei 42 Milliarden Euro im kommenden Jahr, sagt er.
  • Trotz der dramatischen Ereignisse in Nahost hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der Ukraine weiter uneingeschränkte finanzielle und militärische Hilfe zugesichert. Die Unterstützung für die Ukraine werde durch die schrecklichen Ereignisse um den Angriff der Hamas auf Israel „in keiner Weise“ beeinträchtigt, sagte Scholz am Dienstag beim deutsch-ukrainischen Wirtschaftsforum in Berlin. „Beiden Ländern – Israel und der Ukraine – gilt unsere unverbrüchliche Solidarität.“
  • Der US-amerikanische Think-Tank „Institute for the Study of War“ rechnet damit, dass Russland die Munitionsversorgung für seine Artillerieverbände 2024 weitgehend aufrechterhalten kann. Dazu beitragen soll die erhöhte Produktion in der eigenen Rüstungsindustrie sowie Importe aus Nordkorea. 
  • Vor Beginn des deutsch-ukrainischen Wirtschaftsforums in Berlin betonen Wirtschaftsverbände die Investitionschancen in dem osteuropäischen Land. „Ungeachtet des Krieges wurde bereits ein Dutzend Investitionsprojekte begonnen. Deutsche Unternehmen bewerben sich aktuell mit 30 weiteren Projektvorhaben um Investitionsgarantien des Bundes“, sagte der stellvertretende Ost-Ausschuss-Vorsitzende Christian Bruch am Dienstag in Berlin. „Der Wiederaufbau ist angelaufen und deutsche Unternehmen engagieren sich.“
  • Russland hat Medienangaben zufolge mit der Rekrutierung von Frauen für Kampfeinsätze in seinem Krieg gegen die Ukraine begonnen. In der dem russischen Verteidigungsministerium unterstehenden Söldnereinheit „Redut“ würden Scharfschützinnen und Bedienerinnen von Drohnen angeworben, schrieb das unabhängige Internetportal „istories“ am Montag. Bislang wurden Frauen im russischen Militär nur als Sanitäterinnen und in der Küche eingesetzt.

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