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Wladimir Putin, Präsident von Russland.

© AFP/MIKHAIL METZEL

Ukraine-Invasion Tag 770: Wie Russland ukrainische Spione mithilfe von Erpressung rekrutiert 

Finnland und Ukraine schließen langfristiges Sicherheitsabkommen, Ukraine senkt Alter für Einberufung von Reservisten. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sind die beiden Kriegsparteien auch auf Spione angewiesen, die Informationen über die Gegenseite liefern sollen. Wie Moskau diese versucht zu rekrutieren, darüber berichtet nun die „Washington Post“ (Quelle hier). Und dazu gehört in so manchem Fall auch Erpressung.

Die „Washington Post“ konnte Videos, Dokumente und Textnachrichten einsehen, die Ukrainer und der Geheimdienst des Landes der Zeitung zur Verfügung stellten und die zeigen, wie solche Rekrutierungen mitunter ablaufen. Da ist etwa der Soldat, der im Fronteinsatz war, als seine Eltern im besetzten Osten der Ukraine von den Russen abgeholt wurden.

Laut ukrainischem Geheimdienst wurden sie gefoltert. Ein russischer Agent habe dem Soldaten dann gedroht: Entweder du arbeitest für uns oder deine Familie leidet noch mehr. Der Soldat willigte demnach ein und sollte ein Militärkommando in der Region Saporischschja vergiften, der Anschlag wurde aber vereitelt und der Spion wegen Hochverrats angeklagt. 

Doch es sind offenbar auch ganz normale Bürger, die auf diese Art und Weise rekrutiert werden sollen. So wie Yana. Ihre Mutter war Grenzsoldatin in der Region Charkiw, die nach der Besatzung festgenommen wurde. Yana sei dann über das Telefon ihrer Mutter kontaktiert worden, zunächst höflich. Als sie sich aber geweigert habe, Informationen zu liefern über militärisches Gerät in der Region, da habe sich der Ton geändert. „Die Russen sind wütend“, zitiert die „Washington Post“ aus einer Nachricht. „Es gibt eine Frau und viele Männer“, lautete eine andere.

In einem anderen Fall geht es laut dem Bericht um einen alten Mann, den die Russen gefangengenommen hatten und dessen Sohn sie zum Spionieren für die Gegenseite gewinnen wollten. Via Telegram sei er dann kontaktiert worden und habe ein Foto seines Vaters bekommen, völlig abgemagert. Die nächste Botschaft: „Wenn du willst, dass dein Vater lebt, musst du für uns arbeiten.“

Neu ist die Methode Erpressung von der russischen Seite her nicht. Durch den russischen Angriffskrieg habe sie sich aber deutlich mehr ausgebreitet, schreibt die „Washington Post“.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat sich in der Debatte um die Finanzierung der Verteidigung offen für ein weiteres Sondervermögen gezeigt. „Wir haben schon einmal ein Sondervermögen auf den Weg gebracht, das wäre eine Möglichkeit. Es ist die Möglichkeit, dass wir die Frage von einem Sicherheitshaushalt anders definieren“, sagte die Grünen-Politikerin. Mehr hier.
  • Die US-Sicherheitsbehörden haben einem Zeitungsbericht zufolge die russische Seite direkt vor einem möglichen Terroranschlag auf die Moskauer Konzerthalle Crocus City Hall gewarnt. Die Zeitung „Washington Post“ berief sich in ihrem Bericht vom Dienstag (US-Ortszeit) auf nicht genannte Quellen in der US-Regierung. Mehr hier.
  • Angesichts der russischen Aggression in der Ukraine dringen die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Polen auf eine noch stärkere Aufrüstung in Europa. „Wir müssen das gesamte industrielle Potenzial unseres Kontinents nutzen, um unsere militärischen Fähigkeiten zu verbessern“, schrieben Annalena Baerbock, Stéphane Séjourné und Radoslaw Sikorski in einem Gastbeitrag auf „Politico“. Mehr hier.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach langem Zögern zugestimmt, dass Reservisten bereits ab einem Alter von 25 Jahren eingezogen werden können. Bislang waren es 27 Jahre. Damit ist eine Einberufung von zwei weiteren Jahrgängen für den laufenden Krieg mit Russland möglich. Mehr hier.
  • Russland bereitet nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Mobilmachung von 300.000 weiteren Soldaten vor. Dies solle bis zum 1. Juni geschehen, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine den Präsidenten. Die russische Führung selbst hat eine solche Mobilmachung bislang nicht bekannt gegeben. Mehr in unserem Newsblog.
  • Finnland und die Ukraine schließen ein Abkommen über ihre Zusammenarbeit in Sicherheitsbelangen und eine langfristige Unterstützung. Der finnische Präsident Alexander Stubb unterzeichnet die Vereinbarung bei seinem Besuch in der Ukraine. „Das Zehnjahresabkommen ist ein Beweis für Finnlands langfristiges Engagement zur Unterstützung der Ukraine“, erklärt das finnische Präsidialamt. 
  • Der frühere ukrainische Präsident Petro Poroschenko hegt Ambitionen auf eine Rückkehr ins höchste Staatsamt, auch wenn derzeit wegen des russischen Angriffskriegs nicht gewählt werden kann. „Wenn Sie mich fragen, ob ich an den nächsten Wahlen teilnehmen möchte - ja“, sagte der Ex-Staatschef dem arabischen Sender Al Jazeera. 
  • Russland hat die Ukraine im März laut Präsident Wolodymyr Selenskyj mit mehr als 3000 Lenkbomben angegriffen. Zudem habe es Attacken mit 600 Drohnen und 400 Raketen gegeben. Russland hat in den vergangenen zwei Wochen seine Luftangriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur verstärkt, die bereits durch frühere Bombardements beschädigt war. 
  • Die Ukraine wird nach Einschätzung von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf jeden Fall Mitglied des westlichen Verteidigungsbündnisses werden. „Die Frage ist nicht ob, sondern wann“, sagt Stoltenberg im Vorfeld des Nato-Außenministertreffens vor der Presse. 
  • Der Sicherheitsdienst der Ukraine hat eigenen Angaben zufolge Agenten festgenommen, die im Auftrag des russischen Militärgeheimdienstes angeblich Eisenbahnzüge der Streitkräfte im Gebiet Charkiw in die Luft sprengen wollten. Offenbar kundschafteten die Verdächtigen die Routen von ukrainischen militärischen Einheiten in Richtung Lyman aus.
  • In Charkiw wurde der Bau der ersten unterirdischen Schule der Welt abgeschlossen. Sie soll den höchsten Sicherheitsstandards entsprechen und für die Unterrichtung von 900 Schülern in zwei Schichten ausgelegt sein. Die Bauarbeiten dauerten sechs Monate.

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