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Ukraine-Invasion, Tag 824: Warum junge Künstler trotz russischer Angriffe in Odesa bleiben wollen
Polnischer Außenminister schließt eigene Truppen in der Ukraine nicht aus, Ukraine verhandelt mit Frankreich über Ausbilder, belgische F-16-Kampfjets für Kiew. Der Überblick am Abend.
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Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine mussten viele Menschen ihre Heimatstädte verlassen, darunter auch viele Künstler. Einige von ihnen aber sind geblieben – auch weil sie ihre Arbeit als Auftrag in Kriegszeiten sehen. So wie die Künstler, die der britische „Guardian“ in Odesa getroffen hat.
Die jungen Kreativen haben sich am Ufer des Schwarzen Meeres in einer verfallenen Schiffsreparaturwerft niedergelassen und dort ihre Ateliers eingerichtet. Und obwohl die Stadt sehr häufig von Russland mit Raketen angegriffen wird, will eine Handvoll von ihnen bleiben.
So wie Wasya Dmytryk, der sich mit Metall beschäftigt. Auf seiner Werkbank steht eine Skulptur aus Kupfer und Stahl, ihre Form erinnert an eine Drohne. Diese will er gegen eine echte Drohne eintauschen. Denn die Künstler sehen eines als ihren Auftrag an: Geld für die ukrainische Armee zu sammeln. Dass Dmytryk nicht flieht, erklärt er mit seiner Verwurzelung in Odesa. „Die Dinge, die ich liebe und die mir wichtig sind, sind hier. Ich hatte das Gefühl, dass ich ohne sie nicht leben könnte.“
Ähnlich sieht es die Künstlerin Valeriia Nasedkina: „Wenn alle weggehen, was dann? Mit unserer Anwesenheit hier bestehen wir darauf, dass es uns noch gibt.“ Nasedkina und ihr Kollege Wolodymyr Chyhrynets sind Kuratoren am Nationalen Museum der Schönen Künste in Odesa. Das Gebäude liegt mitten in der Stadt und wurde im November von einem russischen Marschflugkörper getroffen. Doch der Betrieb läuft weiter.
Zwar sind viele Galerien dort leer, in einigen aber werden noch Wechselausstellungen zeitgenössischer Künstler gezeigt. „Vor einem Jahr hatte ich eine Art Apathie, eine Depression“, sagte Co-Kurator Chyhrynets dem „Guardian“. „Ich hatte das Gefühl, dass wir keine Kunst brauchen.“ Inzwischen sieht er das anders.
Nach der Ausstellung einer jungen Künstlerin, die sich auch mit dem Thema Schuld und Schuldgefühle im Zusammenhang mit Kunst beschäftigte, sei ihm klar geworden, dass er das, was er könne, so lange tun müsse, bis er eines Tages vielleicht doch in den Krieg eingezogen werde. „So sehen auch unsere Zukunftspläne aus: So viel wie möglich in der uns zur Verfügung stehenden Zeit zu tun“, sagte er der Zeitung.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick
- Polen sollte nach Ansicht von Außenminister Radoslaw Sikorski den Einsatz eigener Truppen in der Ukraine nicht ausschließen. „Wir sollten Putin im Dunkeln über unsere Absichten lassen“, sagt er in einem Interview, das in mehreren europäischen Zeitungen erschien. Mehr hier.
- Die Ukraine verhandelt nach Angaben ihres Verteidigungsministeriums noch mit Frankreich und anderen Ländern über die Entsendung ausländischer Militärausbilder in ihr Land. Verteidigungsminister Rustem Umerow rückte damit Aussagen des ukrainischen Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj zurecht, wonach eine Mission französischer Ausbilder bereits beschlossene Sache sei. Mehr in unserem Newsblog.
- Der Westen hat nach Worten von Präsident Wladimir Putin die jüngste russische Offensive im Großraum der ukrainischen Stadt Charkiw provoziert. Warnungen Russlands, der Ukraine Angriffe auf Ziele im nahegelegenen russischen Belgorod zu untersagen, seien ignoriert worden, sagt Putin. Angriffe dieser Gebiete seien ohnehin nur mithilfe westlicher Spezialisten möglich.
- Die EU muss sich nach Einschätzung Estlands ein ambitioniertes Ziel für die Ausbildung ukrainischer Streitkräfte setzen. Da Russland derzeit mehr Druck ausübe, gelte es, eine sehr klare Botschaft an das Land zu senden, erklärte Verteidigungsminister Hanno Pevkur. Konkret schlug er vor, das EU-Ausbildungsziel für die ukrainischen Streitkräfte von derzeit 60.000 auf 100.000 Soldaten zu erhöhen.
- Bei einem Besuch in Belgien hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Militärhilfezusagen im Umfang von fast einer Milliarde Euro erhalten. Nach dem am Dienstag in Brüssel unterzeichneten Sicherheitsabkommen will Belgien bis 2028 insgesamt 30 F-16-Kampfjets an Kiew liefern.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Kreml-Chef Wladimir Putin vorgeworfen, den im kommenden Monat anstehenden Ukraine-Friedensgipfel in der Schweiz verhindern zu wollen. „Putin hat große Angst vor dem Friedensgipfel“, sagte Selenskyj bei seinem Besuch in Brüssel. Der russische Präsident habe versucht, das internationale Treffen „zum Scheitern zu bringen und tut dies auch weiterhin“.
- Nach Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat sich auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im Ukraine-Krieg für den Einsatz westlicher Waffen gegen Ziele in Russland ausgesprochen. Borrell sagte am Dienstag am Rande eines EU-Verteidigungsministertreffens in Brüssel, dies sei „nach dem Kriegsrecht durchaus möglich und kein Widerspruch“. Das Aufheben nationaler Beschränkungen werde immer wichtiger.
- Die Niederlande wollen gemeinsam mit anderen Ländern ein Patriot-Flugabwehrsystem für die Ukraine zusammenstellen. Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren kündigte am Dienstag in Den Haag an, dass die Niederlande selbst zentrale „Kernelemente“ des Systems zur Verfügung stellen würden.
- Die Ukraine hat nach russischen Angaben den Beschuss der von Russland kontrollierten ostukrainischen Stadt Luhansk verstärkt. Die Stadt sei am Montag mehrfach von ukrainischen Raketen angegriffen worden, schrieb der Sonderbotschafter des Außenministeriums, Rodion Miroschnik, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram.
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