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Ukraine-Invasion, Tag 838: Neues Gutachten beklagt Kriegsverbrechen im ehemals belagerten Mariupol
Habeck will mehr deutsche Rüstungsindustrie in der Ukraine, entführte Kinder aus der Ukraine offenbar auf russischen Adoptions-Webseiten angeboten. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
Stand:
Im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ermittelt der Internationale Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen. So wurden bereits mehrfach Haftbefehle erlassen – unter anderem auch gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen der „unrechtmäßigen Deportation“ von ukrainischen Kindern nach Russland. Nun gibt es ein neues Gutachten, das weitere Kriegsverbrechen feststellt.
Konkret geht es um die 85 Tage andauernde Belagerung der Stadt Mariupol seit Februar 2022, bis sie schließlich an Russland fiel, wie der britische „Guardian“ schreibt. Laut der jetzt vorgelegten Analyse einer Anwaltskanzlei und der ukrainischen Regierung soll Moskau dort ein „absichtliches Muster“ von Aushungerungstaktiken angewandt haben. Und dies käme einem Kriegsverbrechen gleich.
In dem Dossier wird argumentiert, dass Russland und seine Anführer beabsichtigten, eine große Zahl von Zivilisten zu töten und zu schädigen. „Wir konnten sehen, dass der russische Angriff in vier Phasen ablief. Er begann mit Angriffen auf die zivile Infrastruktur, wodurch die Versorgung mit Strom, Heizung und Wasser unterbrochen wurde“, sagte Catriona Murdoch, Partnerin bei Global Rights Compliance, der Zeitung.
Dann seien humanitäre Evakuierungen und Hilfslieferungen verhindert worden, auch Angriffe habe es gegeben. In der dritten Phase sei die verbliebene kritische Infrastruktur angegriffen worden, Zivilisten, die Hilfe bekamen, terrorisiert und Wasserentnahmestellen bombardiert worden.
Und in der vierten Phase habe Moskau versucht, alle anderen Infrastrukturelemente zu zerstören oder zu erobern. Als Schuldige dafür werden der russische Präsident und „ganze Ebenen der russischen Militärführung“ genannt, auch wenn bei Letzteren keine Namen erwähnt werden.
Ob die Anwälte mit ihrer Eingabe Erfolg haben, ist aber nicht sicher. Zwar werden Anträge Dritter vom Strafgerichtshof akzeptiert, aber er muss nicht danach handeln. Hunger und die Verweigerung von Dingen, die für das zivile Leben notwendig sind, gelten als Kriegsverbrechen, aber dies sei noch immer ein relativ neuer Bereich im Völkerrecht, heißt es beim „Guardian“ weiter. Bislang sei diesbezüglich noch niemand strafrechtlich verfolgt worden.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages:
- Die Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen (G7) verschärft ihren Ton gegenüber China. In einer beim Gipfeltreffen in Italien ausgehandelten Erklärung heißt es mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, man sei tief besorgt wegen der Unterstützung der Volksrepublik für Russland. Mehr hier.
- Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will Ableger deutscher und europäischer Rüstungsfirmen in der Ukraine voranbringen. Es gebe bereits eine Tendenz, die es zu stärken gelte, sagte der Grünen-Politiker in Berlin bei einer deutsch-ukrainischen Veranstaltung zur Verteidigungsindustrie. Mehr hier.
- In Kuba sind am Mittwoch vier Schiffe der russischen Marine eingetroffen, darunter ein U-Boot mit Atomantrieb. Das Atom-U-Boot „Kasan“, die Fregatte „Admiral Gorschkow“, der Tanker „Paschin“ und der Schlepper „Nikolai Tschiker“ machen mehrere Tage im Hafen von Havanna Station. Mehr hier.
- Aus der Ukraine entführte Kinder sollen in Russland auf Adoptions-Webseiten angeboten werden. Den USA liegen laut Weißem Haus glaubwürdige Berichte vor, die das belegen sollen. Der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan bezeichnete dies als „verabscheuungswürdig und entsetzlich“. Mehr hier.
- Nachdem die BSW-Abgeordneten der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Dienstag im Bundestag ferngeblieben sind, hat Parteigründerin Sahra Wagenknecht den Boykott verteidigt. In der ARD-Talksendung „Maischberger“ kritisierte sie das Setting, „das als einzige Reaktion Standing Ovations zulässt“. Mehr hier.
- Die G7-Staats- und Regierungschefs haben sich auf einen Kredit von 50 Milliarden Dollar (gut 46 Milliarden Euro) für die Ukraine geeinigt, der aus eingefrorenem russischem Vermögen finanziert werden soll. „Es gibt eine politische Einigung auf höchster Ebene für diesen Deal“, sagte ein US-Vertreter. Mehr im Newsblog.
- Der Vormarsch russischer Truppen im Raum Charkiw verlangsamt sich nach US-Angaben. Die Frontlinie stabilisiere sich, teilt US-Verteidigungsminister Lloyd Austin mit. „Ich denke, wir werden schrittweise Gewinne sehen – und es wird Vor- und Rückschritte geben“, sagt er.
- Litauen hat ein Verbot der Ausstrahlung und Weiterverbreitung von Radio- und Fernsehprogrammen von russischen und belarussischen Sendern auf unbestimmte Zeit verlängert. Die Sperre gilt nach einem Beschluss des Parlaments in Vilnius nun so lange, wie Russland und Belarus in der nationalen Sicherheitsstrategie als Gefahr und Bedrohung für die Sicherheit des Landes angesehen werden.
- Zwei Journalisten des russischen Staatsfernsehens NTV sind nach Angaben ihres Senders in der von Russland besetzten Ostukraine verletzt worden. Der Korrespondent Alexej Iwlijew, der Kameramann Waleri Koschin und ein sie begleitender Offizier seien bei einem Bombenangriff der ukrainischen Armee auf das Dorf Golmiwskyj verletzt worden, teilte NTV am Donnerstag mit.
- Großbritannien beschließt Strafen gegen Frachter, mit denen westliche Sanktionen gegen Russland umgangen werden. „Die heutigen Maßnahmen umfassen die ersten britischen Sanktionen gegen Schiffe in Putins Schattenflotte“, teilt die Regierung in London mit Blick auf Präsident Wladimir Putin mit.
- Zwei Tage vor Beginn der Ukraine-Friedenskonferenz hat die Schweiz eine Reihe von Cyberangriffen auf Websites der Regierung und mehrerer an dem Treffen beteiligter Organisationen gemeldet. Es seien wie erwartet „erste Überlastungsangriffe“ ausgeführt worden, teilte das Schweizer Bundesamt für Cybersicherheit mit.
- Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat die Nato-Partner zur Stärkung der ukrainischen Luftabwehr gegen Russland gedrängt. Wenn Deutschland ein zusätzliches Patriot-System abgeben könne, müssten andere Länder dies auch tun, sagte er. Pistorius betonte, es müssten nicht notwendigerweise Patriots sein.
- Eine Spezialeinheit der Ukraine hat offenbar die neueste russische Kommunikationsstation R-416GM zerstört. Das teilte das Kommando der „Spezialeinsatzkräfte der Streitkräfte der Ukraine“ am Donnerstag via Telegram mit.
- Die Bundesregierung blockiert nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur Fortschritte in den Verhandlungen über das nächste Paket mit Russland-Sanktionen der EU. Nach Angaben von Diplomaten in Brüssel sind deutsche Bedenken und Änderungswünsche ein entscheidender Grund dafür, dass die Sanktionsplanungen bislang nicht zum Abschluss gebracht werden konnten.
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