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Russische Soldaten feuern auf ukrainische Stellungen im russisch-ukrainischen Grenzgebiet in der Region Kursk.

© dpa/Uncredited

Ukraine-Invasion, Tag 908: So plante die Ukraine den Angriff auf die russische Grenzregion Kursk

Scharfe Kritik an Ampel in Diskussion um Ukraine-Hilfe, Ukraine will laut Selenskyj Pufferzone in Russland schaffen. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Stand:

Je länger die ukrainische Offensive in der russischen Grenzregion Kursk läuft, desto mehr Details über die Planung werden bekannt. So schreibt der „Economist“, der ukrainische Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj habe im Vorfeld sogar mehrere Szenarien für einen Angriff auf russischem Territorium erwogen (Quelle hier). Die Zeitung beruft sich dabei auf ukrainische Soldaten und Quellen, die dem General nahestehen.

Demnach soll Syrskyj neben einem Einmarsch in der Region Kursk auch über einen Angriff auf das Gebiet Brjansk, westlich von Kursk, nachgedacht haben – oder über einen kombinierten Schlag auf beide Regionen. Das Hauptziel der Operation sei es gewesen, die Kiewer Position bei möglichen Verhandlungen zu stärken und zu erreichen, dass Moskau Truppen aus dem Donbass abzieht.

Offenbar weihte der General auch nur einen sehr kleinen Kreis in seine Planungen ein. Mit Präsident Wolodymyr Selenskyj soll er sie in Einzelgesprächen besprochen haben, um ein Höchstmaß an Geheimhaltung zu ermöglichen. Auch der Militärgeheimdienst der Ukraine soll erst in einer sehr späten Planungsphase darüber informiert worden sein. Und die westlichen Partner wurden im Vorfeld überhaupt nicht informiert.

Russland jedenfalls wurde von dem Angriff offenbar völlig überrascht. So habe Moskau in den Stunden vor der Offensive keinerlei Signale ausgesendet, dass etwas nicht in Ordnung gewesen sei, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters auf ihrer Website (Quelle hier). Als die Ukraine gerade mit ihrem Angriff begann, habe das Verteidigungsministerium ein Video veröffentlicht, das Armeechef Waleri Gerassimow bei einem Besuch in einem anderen Kampfgebiet zeigte.

Zwar habe das Video keine Angaben zum genauen Zeitpunkt des Besuchs enthalten, aber es habe eben auch keine Erkenntnisse über die Dinge beinhaltet, die in der Region Kursk gerade am Laufen waren. „Den Russen ist hier ein komplettes nachrichtendienstliches Versagen unterlaufen“, zitiert Reuters den französischen Militärexperten Yohann Michel aus einem Interview.

Nur zwei Tage nach dem Angriff hatte der russische Parlamentsabgeordnete und ehemalige Militäroffizier Andrej Guruljow behauptet, die russische Militärführung sei in einem Bericht etwa einen Monat zuvor gewarnt worden, dass es Anzeichen für die Vorbereitung eines ukrainischen Angriffs gebe. Dies sei aber nicht beachtet worden (wir hatten an dieser Stelle darüber berichtet). Fest steht jedenfalls, dass Moskau fast zwölf Stunden brauchte, um die Offensive der Ukrainer einzuräumen.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Unklarheiten bei der weiteren Finanzierung der Ukraine-Hilfen haben zu parteiübergreifender Kritik geführt. „Es ist ein fatales Signal der Bundesregierung in Richtung Ukraine, wenn in den künftigen Haushalten des Bundes keine weiteren Mittel für neue Militärhilfen eingeplant werden“, sagte SPD-Außenpolitiker Michael Roth der Funke-Mediengruppe. Auch die Union und Bundespräsident haben sich zu Wort gemeldet. Mehr hier.
  • Eine Gruppe von Grünen aus dem realpolitischen Flügel hat die Partei- und Fraktionsspitze in einem offenen Brief aufgefordert, die militärische Unterstützung der Ukraine sicherzustellen. „Die Konsequenzen der Haushaltseinigung für die Waffen- und Munitionskäufe für die Ukraine haben sofort Einfluss auf den Verlauf des Krieges und schwächen die ukrainische Armee“, heißt es darin. Mehr hier.
  • Die ukrainische Armee hat Russland mit einem Angriff auf eigenem Terrain überrascht. Einem Medienbericht nach sind die Verluste aufseiten Kiews jedoch überdurchschnittlich hoch. So soll die Ukraine angeblich fast doppelt so viele Militärfahrzeuge wie sonst verlieren. Mehr hier.
  • Seit die Ukraine bei ihrer jüngsten Offensive die Kontrolle über ein Teil des Gebietes Kursk erlangen konnte, mehren sich die Berichte über Plünderungen in diesem Gebiet. In den sozialen Medien veröffentlichte Videos sollen zeigen, wie Männer in Tarnuniformen Supermärkte und kleinere Geschäfte leerräumen. Bei den Dieben soll es sich allerdings nicht um ukrainische Soldaten handeln. Mehr hier.
  • Russlands Generalstaatsanwaltschaft hat die Stiftung von US-Schauspieler George Clooney und dessen Ehefrau, der Menschenrechtsanwältin Amal Clooney, verboten. „Die Aktivitäten der ‚Clooney Foundation for Justice‘ werden im Hoheitsgebiet unseres Landes für unerwünscht erklärt“, so die Behörde. Die Stiftung arbeite im „Maßstab von Hollywood“ daran, Russland zu diskreditieren, hieß es zur Begründung. Mehr hier.
  • Die Ukraine will nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj mit ihrer Offensive auf russischem Boden eine „Pufferzone“ schaffen. Ziel der Offensive in der russischen Region Kursk sei es, „eine Pufferzone auf dem Territorium des Aggressors zu schaffen“, sagte Selenskyj in seiner Videoansprache. Mehr hier.
  • Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat größere Truppenverbände an die Grenze seines Landes zur Ukraine verlegen lassen. Als Grund dafür nannte er starke Truppenansammlungen auf ukrainischer Seite. Mehr hier.
  • Nach einem Brand infolge eines ukrainischen Drohnenangriffs im Südwesten Russlands haben die Behörden den Ausnahmezustand in der Stadt Proletarsk ausgerufen. „Angesichts der Schwere des Brandes im Bezirk Proletarsk wurde die höchste Alarmstufe in einen Ausnahmezustand umgewandelt“, erklärte der Gouverneur der Region Rostow, Wassili Golubew, im Onlinedienst Telegram. Mehr im Newsblog.
  • Wegen des Vorrückens russischer Truppen im Osten der Ukraine dringen die Behörden auf eine Evakuierung der Stadt Pokrowsk. Die Bewohner hätten nur noch höchstens ein oder zwei Wochen Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen, betont der Chef der Militärverwaltung von Pokrowsk, Serhij Dobriak. 
  • Vor dem Hintergrund der ukrainischen Offensive in der russischen Region Kursk hat Moskau Gespräche mit Kiew vorerst abgelehnt. „Angesichts dieser Eskapade werden wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht reden“, sagte Kremlberater Juri Uschakow am Montag im Onlinedienst Telegram.
  • Der Regierungschef von China, Li Qiang wird laut Angaben des Außenministeriums in Peking in dieser Woche nach Russland und Belarus reisen. Bei dem Auslandsbesuch von Dienstag bis Freitag werde Li am 29. Treffen chinesischer und russischer Regierungschefs teilnehmen, sagte Ministeriumssprecherin Mao Ning. 
  • Ein russischer Ermittler bestätigt, dass die Ukraine am Sonntag in der russischen Region Kursk eine dritte Brücke über den Fluss Seim beschossen und beschädigt hat. Auf dem Telegram-Kanal des Moderators Wladimir Solowjow, der für das staatliche russische Fernsehen arbeitet, wurde eine Videobotschaft eines Vertreters des russischen Ermittlungskomitees veröffentlicht.
  • Ukrainische Truppen haben bei ihrem Vordringen im russischen Gebiet Kursk nach Angaben von Beobachtern weitere Ortschaften unter ihre Kontrolle gebracht. Der ukrainische Militärblog DeepState schrieb auf seiner Frontkarte die Orte Snagost und Apanassowka der ukrainischen Seite zu. Bei Olgowka seien die ukrainischen Truppen vorgerückt, hieß es.
  • Ein russisches Gericht hat die Berufung des US-Soldaten Gordon Black gegen dessen Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe wegen angeblicher Todesdrohungen und Diebstahls zurückgewiesen. Das Gericht in Primorje erklärte am Montag, es habe nach Prüfung des Falls entschieden, „das Urteil aufrechtzuerhalten“. 

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