
© IMAGO/UKRINFORM/Vyacheslav Madiyevskyy
Ukraine-Invasion Tag 932: Unterwegs mit dem Lebensretter-Zug durch die Ukraine
Russland startet Gegenoffensive zur Rückeroberung der Region Kursk. Mehr Spionage gegen die Bundeswehr. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
Stand:
In vielen Städten der Ostukraine gibt es nicht genügend Krankenhausbetten für die im Krieg verwundeten Soldaten. Oft müssen sie daher an hunderte Kilometer entfernte Orte gebracht werden. Aber wie? Für Menschen in einem kritischen Zustand sind lange Krankentransporte riskant und Hubschrauberflüge über der Ukraine sind gefährlich.
Lebensrettend ist für einige daher ein Zug. Quasi ein Krankenhaus auf Schienen. Reporter von „CNN“ durften darin mitfahren (Quelle hier). Der Zug ist inzwischen ein wichtiger Teil des ukrainischen Gesundheitssystems. Verwundete werden hier versorgt, während sie von der Front in Krankenhäuser gebracht werden. Wie „CNN“ berichtet, erfolgt alles unter völliger Geheimhaltung, sodass das Medium auch nicht die Route des Zuges bekannt gibt.
„Der schwierigste Teil ist die Evakuierung von der Front“, sagt Oleksandr, Hauptmann der ukrainischen Sanitätskräfte und Chefarzt des Zuges. „Kampfmediziner, die an der Front arbeiten, sterben genauso wie Soldaten.“
Im Zug können er und sein Team „fast alles machen“. Selbst eine voll ausgestattete Intensivstation gibt. Dennoch können sie nur kleinere Operationen vornehmen. „Wir müssen bei der Auswahl der Patienten sehr vorsichtig sein“, sagt er. 90 Prozent seiner Patienten hätten Splitterverletzungen. Viele hätten Gliedmaßen amputieren lassen, einige bräuchten Beatmungsgeräte.
Um ein Wanken zu verhindern, fährt der Zug mit etwa 80 Kilometern pro Stunde, also etwa der Hälfte der Geschwindigkeit eines normalen Zuges. Außerdem hat er Vorrang vor allen anderen Zügen. Trotzdem wackelt die Intensivstation ständig. Jedes Gerät und jedes Bett muss am Boden fest gemacht werden.
Früher, so erzählt Oleksandr, hätte der Zug Touristen in die Karpaten gebracht. Heute hat er also eine ganz neue Funktion bekommen. Das Zug-Krankenhaus ist ein Beispiel für den ukrainischen Einfallsreichtum, den der Krieg gezwungenermaßen mit sich gebracht hat.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:
- In der westrussischen Region Kursk hat Russland nach übereinstimmenden Angaben beider Kriegsparteien eine Gegenoffensive zur Rückeroberung von der Ukraine kontrollierter Gebiet gestartet. Das russische Verteidigungsministerium erklärte im Onlinedienst Telegram, den Soldaten sei binnen zwei Tagen die Rückeroberung von zehn Ortschaften gelungen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte die Gegenoffensive. Angesichts der militärischen Lage warf er den westlichen Verbündeten vor, sein Land zu zögerlich zu unterstützen.
- Russische Geheimdienste haben ihre Spionage gegen die deutsche Ukraine-Hilfe und die Bundeswehr verstärkt. Damit habe sich das vornehmlich strategische Interesse der russischen Dienste an Militärpolitik und -strategie „zunehmend auf die taktische Ebene verlagert“, schreibt der Militärische Abschirmdienst (MAD) in seinem neuen Jahresbericht. Mehr dazu lesen Sie hier.
- Die USA sind nach Angaben ihres Außenministers Antony Blinken bereit, die militärische Unterstützung für die Ukraine nach Bedarf anzupassen und „nachzujustieren“. Blinken wurde bei einer Pressekonferenz in Warschau gefragt, ob die Amerikaner der Ukraine mittlerweile grünes Licht gegeben hätten, Ziele im Inneren Russlands mit westlichen Waffen anzugreifen. Darauf antwortete er: „Ich kann Ihnen sagen, dass wir weiterhin genau das machen werden, was wir bisher getan haben: Wir werden nachjustieren, wir werden uns anpassen, wenn es nötig ist, auch im Hinblick auf die Mittel, die der Ukraine zur Verfügung stehen.“
- Bei einem russischen Drohnenangriff sind nachts nach Behördenangaben mindestens 14 ukrainische Zivilisten in der Stadt Konotop im Nordosten der Ukraine verletzt worden. Nach Angaben der regionalen Staatsanwaltschaft wurden mehrere Wohnhäuser, Schulen und Geschäfte beschädigt. Strom und Wasser fielen aus in der Stadt, die vor dem russischen Angriffskrieg knapp 90.000 Einwohner hatte.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat einen tödlichen russischen Angriff auf Fahrzeuge des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) im Osten seines Landes angeprangert. „Ein weiteres russisches Kriegsverbrechen“, schrieb Selenskyj im Onlinedienst Telegram. „Heute hat der Besatzer die Fahrzeuge der humanitären Mission des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in der Region Donezk angegriffen.“ Dabei seien drei IKRK-Mitarbeiter getötet und zwei weitere verletzt worden.
- Russland sollte nach Ansicht des einflussreichen russischen Außenpolitikexperten Sergej Karaganow seine Bereitschaft zum Einsatz von Atomwaffen deutlich signalisieren. Das Hauptziel der russischen Nukleardoktrin sollte darin liegen, „dass alle gegenwärtigen und zukünftigen Feinde überzeugt sind, dass Russland bereit ist, Atomwaffen einzusetzen“, sagt Karaganov in einem Interview der russischen Zeitung „Kommersant“.
- Ein konservativer iranischer Spitzenpolitiker äußert angesichts von neuen Sanktionen und diplomatischen Spannungen ungewöhnliche Kritik an den Russland-Beziehungen seines Landes. In einem Post auf der Plattform X verwies Ali Motahari, ehemaliger Vizepräsident des Parlaments, auf die neuen Sanktionen, die Deutschland, Frankreich und Großbritannien wegen Irans Lieferung ballistischer Raketen an Russland verhängt hatten. Gleichzeitig beklagte Motahari diplomatische Spannungen mit der russischen Regierung über ihre Kaukasus-Politik. Irans Außenministerium bestreitet die Raketen-Lieferungen vehement.
- Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Rückgabe der von Russland annektierten Halbinsel Krim an die Ukraine gefordert. „Unsere Unterstützung für die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine ist unerschütterlich. Die Rückgabe der Krim an die Ukraine ist eine Forderung des Völkerrechts“, sagte der türkische Staatschef in einer Videobotschaft anlässlich des Gipfeltreffens der sogenannten Krim-Plattform. Mehr dazu hier.
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