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Der französische Premierminister Michel Barnier spricht während der Fragestunde an die Regierung in der Nationalversammlung in Paris, Frankreich, 26. November 2024. Durch die aktuelle Finanzkrise Frankreichs gerät er zunehmend unter Druck.

© REUTERS/STEPHANIE LECOCQ

„Unsere finanzielle Situation heute gefährlich“: Kreditkosten Frankreichs erstmals höher als die von Griechenland

Die Minderheitsregierung Frankreichs wird mitten in den Haushaltsverhandlungen mit einer historischen Finanzkrise konfrontiert. Das Land übersteigt auch die Neuverschuldungsobergrenze der EU.

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Das hat es noch nie gegeben: Die Kreditkosten Frankreichs sind am Montag erstmals über die von Griechenland gestiegen, das 2012 im Zentrum der europäischen Staatsschuldenkrise stand. Dem Datenanbieter LSEG zufolge lag die Rendite französischer Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit zwischenzeitlich bei 2,968 Prozent, die für griechische Papiere bei 2,908 Prozent.

„Die politische Entwicklung in Frankreich ist besorgniserregend, und die Nervosität der Finanzmärkte dürfte wohl noch geraume Zeit anhalten“, sagte der Analyst der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), Elmar Völker, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen sind bereits in den vergangenen Tagen gestiegen. „Hintergrund ist die politische Entwicklung in Frankreich und der drohende Sturz der erst im Sommer ins Amt gekommenen Regierung Barnier“, sagte Völker. Premierminister Michel Barnier ist bei der Verabschiedung seines Haushalts vom Wohlwollen des rechtsextremen Rassemblement National abhängig, die aber erhebliche Zugeständnisse verlangt.

Ein Vergleich mit Griechenland halten viele Experten aber dennoch für schief. Die griechischen Schulden liegen vor allem bei den europäischen Rettungsfonds EFSF und ESM beziehungsweise bei den anderen Euro-Staaten – und das mit vorwiegend sehr langen Laufzeiten. „Nur ein kleiner Teil ist über die Kapitalmärkte direkt aufgenommen“, sagte LBBW-Experte Völker. „Dies beeinflusst natürlich den laufenden Refinanzierungsbedarf des griechischen Staates erheblich und die Risikobewertung der ausstehenden Staatsanleihen.“

Der französische Rechnungshof sieht das Land angesichts des Haushaltsstreits in einer schwierigen Situation. „Unsere finanzielle Situation ist heute gefährlich“, sagte der Leiter des Rechnungshofs, Pierre Moscovici. Zuvor hatte Regierungschef Barnier gewarnt: „Es wird einen großen Sturm und sehr schwere Turbulenzen auf den Finanzmärkten geben.“

Die Verbindlichkeiten des Staates entsprechen 112 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die europäischen Regeln sehen hier eigentlich eine Obergrenze von 60 Prozent vor. Frankreich reißt auch die von der EU vorgegebene Obergrenze für die Neuverschuldung, die bei drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt. Im laufenden Jahr dürfte sie der EU-Kommission zufolge bei 6,2 Prozent liegen, in den beiden kommenden Jahren dann jeweils bei mehr als fünf Prozent.

Anleger verlangen daher höhere Risikoprämien für französische Anleihen. Bei diesen Wertpapieren bekommen Investoren zuvor festgelegte Zinszahlungen, ehe sie am Laufzeitende ihr verliehenes Geld zurückbekommen. Sie haben aber auch die Möglichkeit, die Papiere an der Börse zu verkaufen.

Frankreichs Ministerpräsident geht im Haushaltsstreit auf Le Pen zu

Im Haushaltsstreit in Frankreich ist Ministerpräsident Michel Barnier weiter auf die rechtsnationale Partei Rassemblement National (RN) um ihre Spitzenpolitikerin Marine Le Pen zugegangen. Barniers Büro teilte am Montag mit, dass die Regierung Pläne für Kürzungen bei der Erstattung von Medikamentenkosten im kommenden Jahr aufgebe. Das war eine der Forderungen des RN, auf dessen Stimmen Barniers Minderheitsregierung angewiesen ist.

Barniers Büro teilte weiter mit, Le Pen habe in einem Telefonat mit Barnier am Morgen auf den Kurswechsel bei seinen Sparplänen gedrungen. Barnier war im Haushaltsstreit unter Druck geraten. Er führt eine Minderheitsregierung, die sich auf das von Präsident Emmanuel Macron gegründete Parteienbündnis Ensemble und die Republikaner stützt.

Der RN hatte erklärt, bei fehlendem Entgegenkommen der Regierung ein mögliches Misstrauensvotum zu unterstützen. Dies droht vonseiten der Linken, sollte Barnier von seinen verfassungsrechtlichen Befugnissen Gebrauch machen, um ein Gesetz zur Finanzierung der Sozialversicherung durchzusetzen. Barnier muss ein Loch im Haushalt in Höhe von 60 Milliarden Euro stopfen. (Reuters)

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