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US-Politik, Technologie und die Apokalypse: Peter Thiels bizarre Obsession mit dem Antichristen
Tech-Milliardär Peter Thiel erklärt in einer Vortragsreihe, jede Form der Regulierung von Technologie diene nur dem „Antichristen“. Sein Weltbild offenbart die Endzeitstimmung, die Teile der US-Gesellschaft derzeit erfasst.
Stand:
Der deutschstämmige Investor und US-Milliardär Peter Thiel beschäftigt sich nicht nur mit Start-Ups und der finanziellen Förderung von rechtspopulistischen Politikern wie US-Vizepräsident JD Vance, sondern seit Längerem mit apokalyptischen Visionen. In einer vierteiligen Vortragsreihe namens „The Antichrist“ in San Francisco spricht der streng gläubige Thiel derzeit viel über eben jenes Konzept.
Die Reihe wird von der NGO „ACTS 17“ veranstaltet, die die „Anerkennung von Christus in der Technologie und der Gesellschaft“ anstrebt. Zwei von vier Terminen im „Commonwealth Club“ fanden bereits statt. Presseaufzeichnungen sind unerwünscht, doch das „Wall Street Journal“ und der lokale „San Francisco Standard“ berichteten dennoch davon.
39 Prozent der Amerikaner glauben, „dass wir in der Endzeit leben“
Denn was Thiel dort von sich gibt, ist brisant, hat großen politischen Einfluss und ist zugleich ein Spiegelbild jener Endzeitstimmung, die Teile der US-Gesellschaft derzeit erfasst: Laut einer Studie des Pew Research Center aus dem Jahr 2022, glaubten bereits damals 39 Prozent aller erwachsenen US-Amerikaner, „dass wir in der Endzeit leben“. Die Zahl dürfte seitdem noch gewachsen sein.
Peter Thiel warnt nicht nur vor dem Antichristen als Figur der Bibel, sondern verknüpft religiöse Vorstellungen mit modernen Technologien. In seinen Vorträgen malt er das Bild eines apokalyptischen Szenarios, in dem technologische Durchbrüche, etwa bei künstlicher Intelligenz oder Biotechnologie, zu existenziellen Risiken führen würden, beispielsweise durch die Erschaffung autonomer Killerroboter, von Biowaffen oder durch die Entstehung nuklearer Konflikte.
Doch die wahre Gefahr wittert Thiel nicht etwa in diesen Risiken, sondern vielmehr in einer nebulösen „globalen Macht“, die entstehen könne, um sich als Retterin zu präsentieren, in Wahrheit aber der „Antichrist“ sei. Dieser Antichrist müsse nicht zwingend eine Einzelperson sein, sondern könne auch eine technokratische Struktur oder eine „hypermoralische Ideologie“ verkörpern.
Jede Form der Regulierung beschleunige die Ankunft des Antichristen
Als gefährlich betrachtet der paläolibertäre Thiel vor allem linke politische Figuren oder supranationale Organisationen wie die UN oder die EU – weil diese durch Regulation und Umverteilung Freiheit opfern würden. Jede Form der Regulierung künstlicher Intelligenz oder neuer Technologien beschleunige die Ankunft des „Antichristen“ und damit das Ende der Welt, sagte Thiel laut „Wall Street Journal“.
Uh... nun, ich weiß nicht. Ich würde... ich würde... das impliziert so viel. Aber ja.
Peter Thiel auf die Frage, ob die menschliche Spezies überleben solle
Zugleich sagte Thiel in der Vergangenheit mehrfach, dass Freiheit und Demokratie nicht vereinbar seien. Ein alleiniger Herrscher mit diktatorischer Entscheidungsgewalt ist seiner Meinung nach besser als Staatsführer geeignet, als ein Parlament. Das Frauenwahlrecht habe die Welt wiederum nicht besser gemacht.
All die Äußerungen Thiels ergeben ein apokalyptisches, nihilistisches und undemokratisches Weltbild, das zugleich in sich widersprüchlich ist. So spricht Thiel einerseits immer wieder von Freiheit, andererseits beklagte er bei seiner Vortragsreihe, dass Menschen sich als Individuen zu wichtig nähmen, und dass „Therapie, Yoga und solche Dinge“ nicht gut für die Welt seien.
Frieden und Sicherheit führen laut Thiel zu Stagnation
In einem „New York Times“-Interview beklagte er im Sommer, dass die letzten 50 Jahre, in denen die westliche Welt großteils in Frieden und Sicherheit lebte, zu „Stagnation“ geführt habe, in der etwa Medikamente und Energiequellen wie Atomkraft reguliert würden. Noch bezeichnender war seine Reaktion auf die ganz allgemeine Frage, ob die menschliche Spezies überleben solle: „Uh... nun, ich weiß nicht. Ich würde... ich würde... das impliziert so viel. Aber ja“, sagte er zögernd.
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Thiels religiös-politische Erzählung kam bei einigen Besuchern seiner Vortragsreihe dennoch gut an. Ein Mann erklärte dem „San Francisco Standard“, er habe schon beim Attentat auf Donald Trump, das dieser im Juli 2024 überlebte, verstanden, dass Thiel „von etwas Größerem“ spreche.
Der Philosoph Émile P. Torres sieht in Thiels Denken derweil vor allem eine Strategie: „Sein Denken verstärkt eine ‘Wir gegen die’-Mentalität. Entweder man steht auf der Seite des Guten – oder ist sein Feind“, schreibt er in seinem Newsletter „Realtime Techpocalypse“. Für Thiel, so Torres, sei das eine effektive Methode, um seine libertäre Agenda gegen staatliche Regulierung zu mobilisieren.
„Während er gleichzeitig die Infrastruktur für einen Polizeistaat aufbaut“
Auch vor der Vortragshalle in San Francisco regte sich Widerspruch. Demonstranten begleiteten Thiels Auftritt mit Schildern wie „Nicht heute, Satan“ oder „Thiel wird reich, wir werden überwacht“. Einige warfen dem Unternehmer vor, selbst Teil jener Überwachungs- und Rüstungsinfrastruktur zu sein, vor der er in religiös-verbrämter Sprache warne.
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„Es ist eine unheimliche Ironie, dass dieser Mann so viel Energie darauf verwendet, über den Antichrist zu sprechen, während er gleichzeitig die Infrastruktur für einen Polizeistaat aufbaut und gegen verfassungsmäßige Schutzrechte verstößt“, wird der Organisator des Protests zitiert.
In der Tat nutzt die Trump-Regierung Thiels Datensammlungs-Unternehmen Palantir intensiv, um Überwachungsmaßnahmen und Massenabschiebungen von Migranten voranzutreiben. Perspektivisch könnten mit Palantirs Software detaillierte Profile aller US-Bürger erstellt werden.
Trae Stephens, der Ehemann der ACTS17-Gründerin und Veranstalterin von Thiels Vortragsreihe, ist wiederum einer der Gründer des Rüstungsunternehmens Anduril, welches Drohnen, autonome Waffensysteme und KI-gesteuerte Grenzüberwachungstürme entwickelt.
Eine Gruppe, die sich selbst als Satanisten beschrieb, war schließlich ebenfalls vor Ort – allerdings mit einem makabren Twist: Sie hielten Thiel selbst für den Antichristen, den sie, möglicherweise satirisch, verehren. „Umarme die Dunkelheit. Heil Thiel“ stand auf ihren Plakaten.
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