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Ein Protestplakat zu Donald Trump und Jeffrey Epstein hängt in Rochester.

© IMAGO/NurPhoto/IMAGO/John Whitney

US-Präsident für Freigabe der Epstein-Files: Ist das Trumps erhoffter Befreiungsschlag?

Angriff als beste Verteidigung: Immer mehr Republikaner stellten sich im Fall Epstein gegen den Präsidenten. Nun stimmt Trump der Veröffentlichung von Ermittlungsakten zu. Was die Kehrtwende bedeuten könnte?

Stand:

Donald Trump sendet ihm wichtige Botschaften gerne nachts. Auch diesmal kam der Kurswechsel in der Epstein-Affäre an einem späten Sonntagabend.

Auf seiner Plattform Truth Social schrieb er, die Republikaner sollten „für die Veröffentlichung der Epstein-Files“ stimmen, „weil wir nichts zu verbergen haben“. Zugleich bezeichnete er die Debatte weiterhin als „Democrat Hoax“ – als von den Demokraten inszenierten Schwindel, mit dem Gegner vom „großen Erfolg“ seiner Regierung ablenken wollten.

Noch vor wenigen Tagen hatte Trump eine Freigabe der Ermittlungsakten zum Fall des Sexualstraftäters Jeffrey Epstein vehement abgelehnt, obwohl er im Wahlkampf Transparenz versprochen hatte. Epstein, ein einflussreicher Multimillionär, hatte über viele Jahre einen Missbrauchsring betrieben.

Neue E-Mails brachten Trump vergangene Woche in Erklärungsnot, der Druck aus der eigenen Partei wuchs. Mit seinem nächtlichen Schwenk versucht Trump, die Kontrolle über die Debatte zurückzugewinnen.

1 Was ist passiert?  

Für Trump wurde es in den vergangenen Wochen immer enger. Immer mehr seiner eigenen Parteikollegen sprachen sich für eine Veröffentlichung der Akten aus. Dem Republikaner Thomas Massie zufolge sollen es „100 oder mehr“ sein, und er warnte: „Das Abstimmungsverhalten wird länger in Erinnerung bleiben als eine Präsidentschaft.“

Dem Kongress lagen vergangene Woche genug Unterschriften vor, um eine Abstimmung auch gegen den Willen des Weißen Hauses zu erzwingen. Parallel wurden Zehntausende Seiten aus dem Epstein-Nachlass veröffentlicht, darunter E-Mails, in denen dieser behauptet, Trump habe „Stunden“ in seinem Haus mit einer jungen Frau verbracht, die später von Missbrauch sprach. Der Präsident leugnet, von Epsteins Missbrauch gewusst zu haben.

Danach hatte der Präsident das Justizministerium angewiesen, Ermittlungen gegen den früheren demokratischen Präsidenten Bill Clinton sowie weitere prominente Personen und Unternehmen mit mutmaßlichen Epstein-Verbindungen einzuleiten. Der Schritt wirkte wie ein Versuch, die Debatte umzudrehen – weg von den Fragen an ihn selbst, hin zu möglichen Verfehlungen politischer Gegner.

2 Warum vollzieht Trump diese Kehrtwende? 

Die frühere Bundesstaatsanwältin und heutige Rechtsprofessorin Joyce Vance bewertet den plötzlichen Richtungswechsel kritisch: „Wenn es wirklich stimmt, dass er nichts zu verbergen hat, hätte er nicht monatelang gegen die Veröffentlichung gekämpft“, schrieb sie am Montag in ihrem Newsletter. Die entscheidende Frage laute daher: „Was hat sich geändert?“

Die Juristin Vance nennt zwei mögliche Erklärungen: Entweder beuge sich Trump dem wachsenden Druck aus der eigenen Partei – oder er nutze die neue Untersuchung des Justizministeriums als Hebel, um bestimmte Dokumente später zurückhalten zu können.

3 Hat sich seine Gegenspielerin Marjorie Taylor Greene durchgesetzt? 

Die rechte Abgeordnete Marjorie Taylor Greene gehörte zu den treibenden Kräften hinter der Aktenfreigabe. Sie drängte früh auf Transparenz und stellte sich gegen Trump. Der kündigte jüngst an, bei der Vorwahl für die Midterm-Wahlen im November einen ihrer Gegenkandidaten zu unterstützen. Greene sagt selbst, der Streit mit dem Präsidenten habe sich „im Grunde komplett an den Epstein-Files entzündet“.

Marjorie Taylor Greene bei einer Pressekonferenz zu den Epstein-Dokumenten.

© REUTERS/JONATHAN ERNST

Ihr Widerstand hat den Druck auf den Präsidenten offenkundig erhöht. Ausschlaggebend für Trumps Schwenk war jedoch weniger allein ihre Opposition, sondern vielmehr die zunehmend lauter werdenden Stimmen in der eigenen Partei.

4 Könnten Teile der Unterlagen geschwärzt oder vernichtet worden sein? 

Über den Zustand der Akten ist kaum etwas bekannt. Nach Angaben des Justizministeriums im Juli bestehen die beschlagnahmten Materialien aus 40 Computern und anderen elektronischen Geräten, 26 Speichermedien, mehr als 70 CDs und sechs Aufnahmegeräten – insgesamt mehr als 300 Gigabyte an Daten.

Strafrechtler weisen darauf hin, dass bestimmte Dokumente – etwa Protokolle von Aussagen vor der Geschworenenjury oder Hinweise auf minderjährige Opfer – per Gesetz nur eingeschränkt veröffentlicht werden dürfen.

Ohnehin hält sich der Verdacht, dass die staatlichen Behörden mit dem Verweis auf laufende Ermittlungen weitere Teile der Akten zurückhalten könnten. Konkrete Hinweise auf eine gezielte Vernichtung gibt es nicht – doch das Misstrauen ist groß.

5 Wird der Kurswechsel jetzt der Befreiungsschlag im Skandal? 

Läuft es gut, kann Trump die Freigabe als Beleg seiner Unschuld inszenieren und seinen Anhängern zeigen, dass er „nichts zu verbergen“ hat. Im ungünstigen Fall aber verstärken neue Details aus den Akten die Zweifel an seiner Rolle und an seinem Umfeld. Der demokratische Abgeordnete Ro Khanna, der gemeinsam mit dem Republikaner Massie die Abstimmung im Haus angetoßen hatte, warnte bereits, Trump säe durch seinen Umgang mit der Affäre „den Keim für eine Lame-Duck-Präsidentschaft“, weil er aus Angst vor Enthüllungen gegen eigene Unterstützer wie die Angeordnete Greene schieße.

Auch die frühere Bundesstaatsanwältin Joyce Vance hält den Schwenk für hochgradig taktischer Natur. Trump könne „das Beste aus beiden Welten bekommen“ – öffentlich Transparenz fordern, während seine Anwälte hinter den Kulissen die Freigabe heikler Unterlagen verzögern. Ob diese Strategie aufgeht, hängt davon ab, was die Dateien tatsächlich beinhalten.

Für einen echten Befreiungsschlag fehlt zudem ein entscheidender Schritt: Selbst wenn das Repräsentantenhaus und anschließend der Senat für die Veröffentlichung stimmen, muss der Präsident das Gesetz am Ende selbst unterzeichnen, damit das Justizministerium die Akten öffnen darf. Erst mit dieser Unterschrift wird sich zeigen, wie ernst Trump es mit seiner neuen Linie meint. Am Montagnachmittag Ortszeit sagte er bei einer Fragerunde mit Reportern im Weißen Haus, er würde das Gesetz unterzeichnen – sollte es denn auf seinem Schreibtisch landen.

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