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Der russische Präsident Wladimir Putin bei einem Interview mit der NBC-Journalistin Megyn Kelly in Kaliningrad, Russland, 2. März 2018.

© REUTERS/Sputnik

„Anschein von Meinungsfreiheit wahren“: Wie der Kreml staatskritische Journalisten zur Selbstzensur drängt

Beim Umgang mit staatskritischen, russischen Journalisten hat Putin offenbar seine Taktik geändert. Militärexperten zufolge setzt der Kreml nun wohl auf Selbstzensur, statt Strafverfahren.

Stand:

Russische Behörden gehen offenbar wieder vermehrt gegen zu kritische Militärblogger im eigenen Land vor. Das geht aus einem Lagebericht der US-amerikanischen Denkfabrik „The Institute for the Study of War“ (ISW) hervor, der am vergangenen Sonntag veröffentlicht wurde. Allerdings soll sich die Art des Umgangs mit kremlkritischer Berichterstattung im Verlauf der Zeit geändert haben.

Dem ISW zufolge sollen der ehemalige russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu und sein Team mehrere prominente russische Militärblogger „bestraft“ haben, weil sie „zu offen und hart“ über militärische Misserfolge der russischen Armee geäußert hätten, berichten die Denkfabrik unter Berufung auf den russischen Journalisten Alexander Sladkov.

Sladkov zufolge habe die russische Militärstaatsanwaltschaft noch während Schoigus Amtszeit ein „Strafverfahren wegen Diskreditierung des russischen Militärs“ gegen ihn und andere Kollegen eingeleitet. Zu jener Zeit habe das Verteidigungsministerium „scheinheilig versucht“, den russischen Militärbloggern beizubringen, wie man sich als Berichterstatter „moralisch und staatskonform“ zu verhalten habe, berichtete der russische Kriegsreporter.

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Sladkov zufolge habe Schoigu konkret versucht, russische Militärblogger zu bestrafen, obwohl diese dem russischen Präsidenten Wladimir Putin persönlich über Probleme an der russischen Front Bericht erstattet hätten. Schoigu wurde schließlich im Mai dieses Jahres als Verteidigungsminister durch Andrei Beloussow abgelöst – und Sladkov wurde die auferlegte Strafe unter neuer Führung mit sofortiger Wirkung erlassen. Der Journalist bezeichnete den neuen Verteidigungsminister nachfolgend als eine „ernsthafte Verbesserung“ gegenüber Schoigu und lobte den Nachfolger überschwänglich als gute Wahl.

Neue Spitze im Verteidigungsministerium: Im Mai 2024 hat Andrei Beloussow (Bildmitte) Sergei Schoigu als Minister abgelöst.

© imago/ITAR-TASS/IMAGO/Vadim Savitsky

Dass der Journalist unter neuer Führung des Verteidigungsministeriums sofort amnestiert wurde, spricht dem ISW zufolge dafür, dass der Kreml im Umgang mit staatskritischer Berichterstattung eine andere Politik verfolge. Demnach ziele Putin offenbar vermehrt darauf ab, prominente Militärblogger wie Alexander Sladkov zu „vereinnahmen, anstatt sie direkt zu zensieren“, so die Militärexperten.

Der Kreml habe seine Strategie höchstwahrscheinlich geändert, „um den Anschein von Meinungsfreiheit in Russland zu wahren und eine unbeabsichtigte virale Verbreitung zu verhindern“, so die US-amerikanische Denbkfabrik.

Wie der Kreml Journalisten zur Selbstzensur drängt

Ein weiteres Beispiel deutet darauf hin, dass der Kreml russische Journalisten bei allzu staatskritischer Berichterstattung zur revidierenden Selbstzensur drängt.

Dem ISW zufolge habe ein russischer Militärblogger in drei kremlkritischen Videos behauptet, dass russische Behörden „unbequeme Leute entfernen“ und inhaftieren lassen. Als Beispiel wurde unter anderem der ehemalige russische Nationalist Igor Girkin genannt, der nach seiner öffentlichen Kritik an Putin Anfang dieses Jahres zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt wurde.

Der spätere Widerruf der Videos deutet darauf hin, dass der Kreml Militärblogger aus Angst vor Bestrafung erfolgreich zur Selbstzensur zwingt.

The Institute for the Study of War

Nur kurze Zeit nach Veröffentlichung des kremlkritischen Berichts veröffentlichten die Blog-Betreiber eine Audioaufnahme, in der es hieß, der Verfasser sei „aufgrund seines starken Nationalismus emotional“ geworden. Die drei Videos wurden zwischenzeitlich gelöscht.

Nach Einschätzung des ISW setzt der Kreml in jüngster Zeit vermehrt darauf, kritische Militärblogger zur Selbstzensur zu drängen, anstatt eine „aggressivere Politik der direkten Zensur“ zu verfolgen.

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