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Kanzler Friedrich Merz mit US-Präsident Donald Trump.

© AFP/LUDOVIC MARIN

Update

Verhandlungen in Genf laufen: Trump wirft Ukraine Undankbarkeit vor – Merz macht eigenen Vorschlag für Kriegsende

In Genf laufen weiter die Verhandlungen zum US-Plan für ein Ende des Ukrainekrieges. Nun gibt es einen neuen Entwurf, der laut ukrainischen Angaben viele „wichtige Prioritäten“ enthält.

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Ein neuer Entwurf des US-Plans zur Beendigung des Ukraine-Kriegs enthält nach Angaben eines ukrainischen Unterhändlers viele „wichtige Prioritäten“ seines Landes. „Die aktuelle Fassung des Dokuments, die sich zwar noch in der Endphase des Genehmigungsprozesses befindet, spiegelt bereits die meisten der wichtigsten Prioritäten der Ukraine wider“, sagte der Chef des ukrainischen Sicherheitsrats, Rustem Umerow am Sonntagnachmittag.

Er äußerte sich nach mehreren Gesprächsrunden in Genf, wo am Sonntag Vertreter der Ukraine, der USA und europäischer Staaten über den von Washington vorgelegten Plan berieten. US-Präsident Donald Trump hatte Selenskyj eine Frist bis Donnerstag gesetzt, dem Plan grundsätzlich zuzustimmen. Die Unterstützer der Ukraine lehnen den Plan in der derzeitigen Fassung ab.

Der ursprüngliche 28-Punkte-Plan kommt Moskau in zentralen Forderungen weit entgegen und überschreitet von Kiew seit langem formulierte rote Linien. So verlangt er von der Ukraine schmerzhafte Zugeständnisse wie die Abtretung großer Gebiete in der Ostukraine an Russland, eine Begrenzung der Truppenstärke und den Verzicht auf einen Nato-Beitritt.

Bundeskanzler Friedrich Merz hält außerdem zentrale finanzielle Aspekte des US-Plans für „nicht akzeptabel“. Die Amerikaner könnten über das in der EU festgesetzte russische Zentralbankgeld nicht verfügen, sagte der CDU-Politiker in einem ARD-Interview nach dem Ende des G20-Gipfels in Johannesburg. Auch die Forderung, noch einmal 100 Milliarden Dollar (87 Mrd. Euro) aus Europa draufzulegen, sei nichts, was aus deutscher Sicht zustimmungsfähig sei.

Merz verwies zudem darauf, dass die EU derzeit plane, das in der Europäischen Union festgesetzte russische Vermögen für ein Darlehen an die Ukraine zu nutzen, um dieser weitere Waffenkäufe zu ermöglichen. Nach internen Brüsseler Dokumenten wurde in der EU wegen des Ukraine-Kriegs theoretisch nutzbares russisches Staatsvermögen im Wert von etwa 210 Milliarden Euro festgesetzt. In anderen Staaten außerhalb der EU waren es demnach nur rund 42 Milliarden Euro.

In dem umstrittenen US-Plan für ein Ende des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist vorgesehen, dass 100 Milliarden US-Dollar an eingefrorenen russischen Vermögenswerten in US-geführte Bemühungen zum Wiederaufbau der Ukraine investiert werden. Die USA sollen dabei 50 Prozent der Gewinne aus diesem Vorhaben erhalten.

Europa soll zudem weitere 100 Milliarden US-Dollar beisteuern, um das für den Wiederaufbau der Ukraine verfügbare Investitionsvolumen zu erhöhen. Der verbleibende Teil der eingefrorenen russischen Gelder soll in ein separates US-russisches Investitionsinstrument eingebracht werden. Dieses soll gemeinsame Projekte fördern, um „die Beziehungen zu stärken und gemeinsame Interessen zu vergrößern“.

Merz hatte zuvor nach eigenen Worten einen eigenen Vorschlag eingebracht. Es handele sich um einen Vorschlag „unterhalb der kompletten Lösung“ des von den USA vorgelegten 28-Punkte-Plans, sagte Merz am Sonntag nach dem G20-Gipfel in Südafrika.

Der Nachrichtenagentur Reuters lag ein europäischer Gegenvorschlag vor. Demnach soll die ukrainische Armee in Friedenszeiten auf 800.000 Soldaten begrenzt werden. Ein Nato-Beitritt der Ukraine hänge von einem Konsens der Mitglieder ab, der nicht bestehe, heißt es in dem Dokument. Die Allianz solle sich verpflichten, in Friedenszeiten keine Truppen unter ihrem Kommando dauerhaft in der Ukraine zu stationieren. Nato-Kampfjets sollen ihre Stützpunkte in Polen unterhalten.

Merz zeigte sich zugleich skeptisch, dass es wie von US-Präsident Donald Trump zuletzt gefordert bis Donnerstag zu einer Einigung kommen könne. Eine Einigung bis Donnerstag sei zwar nicht völlig ausgeschlossen, sagte Merz. „Ich bin aber skeptisch, ob angesichts der gegenwärtigen Differenzen ein solches Ergebnis möglich ist.“

Deutschland ist bei dem Treffen in Genf nach Angaben des Bundeskanzlers durch den außenpolitischen Berater im Kanzleramt, Günter Sautter, und weitere Regierungsmitarbeiter vertreten.

Trump hat der Ukraine indes erneut Undankbarkeit vorgeworfen und Europa eine Mitschuld am Fortbestehen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gegeben. „Die ukrainische „Führung“ hat keinerlei Dankbarkeit für unsere Bemühungen gezeigt, und Europa kauft weiterhin Öl aus Russland“, schrieb er in Großbuchstaben auf seinem Online-Sprachrohr Truth Social. 

Bereits in der Vergangenheit hatte Trump behauptet, die Ukraine würde die Unterstützung der Vereinigten Staaten nicht ausreichend anerkennen. So warf er dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Februar bei einem Treffen im Weißen Haus Undankbarkeit vor. Vor laufenden Kameras wiesen Trump und sein Vize JD Vance den ukrainischen Staatschef zurecht. Das Gespräch endete in einem beispiellosen Eklat.

Der Europäischen Union hingegen warf Trump bereits mehrfach vor, den Krieg indirekt weiter zu finanzieren, indem der Staatenbund weiterhin Öl von Russland beziehe. Infolge des Angriffskrieges Moskaus hatte die EU weitgehende Einfuhrverbote für russische Energieträger wie Kohle und Öl erlassen, es gelten aber noch Ausnahmeregelungen.

Als Vertreter der USA nehmen der Sondergesandte Steve Witkoff und Außenminister Marco Rubio in Genf teil. „Wir hoffen, die letzten Details auszuarbeiten und ein für die Ukraine vorteilhaftes Abkommen zu erzielen“, sagte ein US-Regierungsvertreter am Vormittag. Er erweckte dabei den Eindruck, dass es vor allem um Gespräche mit der Ukraine gehe.

„Es wird keine Einigung geben, bevor die beiden Präsidenten nicht zusammenkommen“, fügte er mit Blick auf US-Präsident Donald Trump und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hinzu. Vor Rubios Abflug nach Genf hatte Trump seinen 28-Punkte-Plan wieder relativiert und betont, dies sei nicht sein endgültiges Angebot.

Der US-Regierungsvertreter sagte, es werde den ganzen Tag lang Gespräche in verschiedenen Formaten zwischen US-amerikanischen und ukrainischen Sicherheitsberatern geben.

Seit der Bekanntgabe des US-Plans herrscht erhebliche Verwirrung darüber, wer an seiner Ausarbeitung beteiligt war. Die europäischen Verbündeten kritisieren, nicht konsultiert worden zu sein. Kanzler Friedrich Merz hatte Freitag mit Trump telefoniert und dabei die Beratungen in Genf vereinbart. Er hatte die US-Regierung am Samstag gewarnt, dass die USA keine Vereinbarung ohne die Ukraine und die Europäer treffen können.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte indes ihrerseits Bedingungen für einen Friedensschluss in der Ukraine. Die Grenzen der Ukraine könnten nicht mit Gewalt verändert werden, sagte sie. Zudem dürfe die ukrainische Armee nicht so verkleinert werden, dass das Land für künftige Angriffe anfällig werde. Drittens müsse die EU eine zentrale Rolle bei einem Friedensabkommen spielen. „Die Ukraine muss die Freiheit und das souveräne Recht haben, über ihr eigenes Schicksal zu bestimmen. Sie hat sich für einen europäischen Weg entschieden“, sagt von der Leyen.

Die ukrainische Delegation in Genf wird Präsidialamtschef Andrij Jermak angeführt. Vor einem Treffen mit den US-Vertretern schrieb er auf der Plattform X: „Wir sind sehr konstruktiv.“ Man arbeite weiter zusammen, um einen dauerhaften und gerechten Frieden für die Ukraine zu erreichen. (AFP/Reuters/dpa)

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