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Wahl in den Niederlanden: Jetten könnte Regierung führen – Wilders enttäuscht
Bei den Hochrechnungen für die niederländische Parlamentswahl haben die Linksliberalen ihren Vorsprung vor der Rechtspartei von Geert Wilders eingebüßt. Wilders hat aber im Vergleich zu 2023 deutlich verloren.
Stand:
Nach der Parlamentswahl in den Niederlanden liegen die Partei des radikal-rechten Populisten Geert Wilders (PVV) und die linksliberale D66 nach der neuesten Hochrechnung gleichauf. Nach Auszählung von rund 99 Prozent der Stimmen kommen beide Parteien auf je 26 der 150 Sitze im Parlament. Das vorläufige Endergebnis wird im Laufe des Tages erwartet.
Die erste Hochrechnung und die früheren Prognosen hatten noch einen Vorsprung für die D66 von Spitzenkandidat Rob Jetten von zwei Sitzen gesehen.
Nach Angaben des Wahldienstes der Nachrichtenagentur ANP sind noch nicht alle Stimmen gezählt worden. Es fehlen zum Beispiel noch etwa 20 Prozent der Stimmen aus der Hauptstadt Amsterdam. In der Stadt Venray im Osten des Landes war die Auszählung abgebrochen worden wegen eines kurzen Brandes im Rathaus.
Für den umstrittenen Rechtspopulisten Wilders ist das dennoch schon jetzt eine schwere Niederlage, da er im Vergleich zur letzten Wahl 2023 weit über zehn Sitze verliert. Er räumte auch sofort ein, dass sein Ergebnis hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. „Der Wähler hat gesprochen“, schrieb Wilders am Abend auf X. „Wir hatten auf ein anderes Ergebnis gehofft.“

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Hinter Wilders landete die rechtsliberale Partei VVD, sie kam demnach auf 22 Sitze, dahinter blieb mit 20 Sitzen die linksgerichtete Groenlinks/PvdA unter Führung des ehemaligen EU-Klimakommissars Frans Timmermans.
Rob Jetten könnte Regierung führen
Der 38-jährige Rob Jetten hat damit die besten Aussichten, Regierungschef in Den Haag zu werden, denn schon vor der Wahl hatten die großen Parteien klar gemacht, keine Koalition mit dem politisch unzuverlässigen Geert Wilders bilden zu wollen. Der hatte im Sommer im Streit um neue Asylgesetze seine Minister aus dem damaligen Kabinett zurückgezogen und damit die Niederlande in eine politische Krise gestürzt.
Der Name von Rob Jetten wurde im Vorfeld der Wahl zwar immer wieder genannt, doch wurde ihm allenfalls der Part als Juniorpartner in einer Koalition der Mitte zugetraut. Ihm ist es gelungen, seine Partei D66 mit progressiven Themen wie Bildung, Digitalisierung und Klima vor allem für jüngere Wähler attraktiv zu machen.
Motivierend wirkte offensichtlich auch sein dynamisches und optimistisches Auftreten – und auch die Aufforderung an seine Landsleute, stolz auf die Niederlande zu sein. Gleichzeitig hat Jetten geschickt die veränderte, nach rechts gerückte politische Stimmung im Land aufgegriffen und seiner sozialliberalen Partei einen konservativeren Anstrich verpasst. Deutlich hörbar war das beim Thema Migration, wo er eine deutlich härtere Gangart fordert. Auf Wahlveranstaltungen lästerte er gerne auch über „woke“ Regenbogen-Zebrastreifen.
Schlappe für die Sozialdemokraten
Eine kleine Enttäuschung ist der Ausgang für den Konservativen Henri Bontenbal und den Sozialdemokraten Frans Timmermans, die sich zuletzt in allen Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den zweiten Platz hinter Geert Wilders geliefert hatten.
Der 42-jährige Bontenbal hatte den konservativen Christdemokraten (CDA) zu einem sensationellen politischen Comeback verholfen. Bei der letzten Wahl im Jahr 2023 war die einst mächtige Partei mit blamablen 3,3 Prozent der Stimmen in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht. Nun gewann er wohl 14 Sitze hinzu, doch für Bontenbal muss sich dieser Sieg dennoch wie eine Niederlage anfühlen.
Frans Timmermans, der mit seinem Zusammenschluss von Sozialdemokraten und Grünen wohl fünf Sitze verliert, zog unmittelbar nach Bekanntgabe der Ergebnisse die Konsequenzen. „Mit schwerem Herzen trete ich als Parteivorsitzender zurück“, sagte der 64-Jährige am Mittwochabend vor seinen Anhängern.
Es liegt nun wahrscheinlich in den Händen von Rob Jetten, die Mitte-Rechts-Parteien zu einer stabilen Regierung zusammenzuführen – und vor allem das Vertrauen der Bürger wiederzugewinnen. Die scheinen in den Jahren des unaufhörlichen Parteienstreits und politischen Durchwurstelns den Glauben verloren zu haben, dass die etablierten Politiker in der Lage sind, die größten Probleme des Landes zu lösen.
Das erklärt auch den Aufstieg von Geert Wilders, der in seinem politischen Auftreten allein auf Konfrontation und Destruktion setzt. Er hatte mit seinem Spott über das politische Establishment und seinen apokalyptischen Aussagen etwa beim Thema Migration leichtes Spiel bei den Wählern.
In den ersten Interviews sagten die Chefs der größten Parteien am Wahlabend, dass sie die große Verantwortung übernehmen und rasch erste Gespräche führen würden. Dazu wird ein sogenannter „Formateur“ ernannt, der im niederländischen System die Verhandlungen leitet, um die Regierungskoalition zu bilden.
Einige der Parteien bekundeten im Wahlkampf ihr Bestreben, eine schnelle Regierungsbildung bis Weihnachten herbeiführen zu wollen. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass dies eine sehr optimistische Einschätzung ist. (mit dpa)
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