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Für sie geht es am Sonntag um alles: Moldaus Präsidentin Maia Sandu

© IMAGO/Bernd Elmenthaler

Wegweisende Wahl und EU-Referendum: Gelingt es Moldau, sich aus Russlands Schlinge zu lösen und den Weg nach Europa zu gehen?

Für Maia Sandu geht es am Sonntag nicht nur um die Wiederwahl zur Präsidentin. Beim Referendum zum EU-Beitritt steht die Zukunft des ganzen Landes auf dem Spiel. Russland kauft derweil Stimmen im großen Stil.

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Moldau, das kleine Land zwischen der Ukraine und Rumänien, gerät geopolitisch oft in Vergessenheit: Russland weiß das zu nutzen und versucht, Wahlen zu manipulieren und die Meinung der Bevölkerung zu beeinflussen. Die derzeitige Präsidentin Maia Sandu kämpft vehement dagegen an und will das Land in die EU führen. Beitrittsverhandlungen hat die EU mit Moldau offiziell im Juni dieses Jahres aufgenommen.

Doch die Zukunft des Landes entscheidet sich vor allem an diesem Wochenende: Da stimmen die Moldauerinnen und Moldauer in einem Referendum über den EU-Beitritt ab. In welche Richtung wird sich das Land bewegen – in die der EU oder Russlands?

Alle Beiträge unserer Serie „3 auf 1“ finden Sie hier.


Maia Sandu wird die Wahl wahrscheinlich gewinnen

Ja und nein. Ja, die Regierung tut sehr viel, um Reformen im Rahmen der EU-Beitrittsgespräche durchzuführen und ist hier auch erfolgreich. Nein, das Land ist weiterhin gespalten und sehr verletzlich gegenüber russischer Desinformation und Attacken auf Präsidentin Maia Sandu und Ihre Partei „PAS“. Sie wird die Wahl sehr wahrscheinlich gewinnen, beim Referendum ist das weniger sicher.

Aber alles ist eine Vorbereitung auf die Parlamentswahl nächstes Jahr und da sieht es für die Partei der Präsidentin nicht so gut aus. Für Moldau kam der Kandidatenstatus zu früh, das Land braucht davor noch viele andere Reformen, um eine funktionsfähige Verwaltung aufzubauen und Grundlagen für den Beitritt zu legen.

Die begrenzten Human Ressources werden vor allem für den Beitritt gebraucht und eine Institutionalisierung findet kaum statt. Die Regierung macht Fehler, auch mit Blick auf die Isolation von Gagauzien, die Russland in die Hände spielt. Einige Entscheidungen unter anderem mit Blick auf Richter sind problematisch. Die Gesellschaft ist empfänglich für russische Narrative zum Krieg gegen die Ukraine, Souveränität und sozioökonomische Fragen. 


Die junge Generation bewegt sich längst in Richtung Europa

Der erste Moldauer, den ich bei einem Besuch in Chişinău dieses Frühjahr traf, erzählte mir, er hätte die Schnauze voll. Er wolle weder zu Russland gehören noch zur EU. Stattdessen wolle er in Ruhe gelassen werden. Und nicht mehr so viel für Heizkosten ausgeben, wie seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Der Mann, mittleres Alter, etwas untersetzt, fuhr mich mit dem Taxi vom Flughafen Chișinău zu meiner Unterkunft. Wir sprachen Russisch.

Im Anschluss traf ich viele junge Moldauer:innen. Auch sie sprachen Russisch. Aber sie wollten zu Europa gehören. Ihr (Berufs-)Leben liegt noch vor ihnen und sie verstehen, dass eine Europäische Integration üblicherweise wirtschaftlichen Aufschwung für ein Land bedeutet. So wie schon für Rumänien, dessen kaufkraftbereinigtes Bruttosozialprodukt sich seit dem EU-Beitritt deutlich dem europäischen Durchschnitt angenähert hat. Und sie verstehen, dass der Anstieg der Heizkosten um rund 60 Prozent im Jahr 2022 nicht am pro-europäischen Kurs der Präsidentin Maia Sandu lag, sondern am Marschbefehl Putins auf Kyjiw.

Umfragen des moldauischen Center of Sociological Investigations and Marketing Research zufolge wollen 63 Prozent der Moldauer:innen beim Referendum am Sonntag für den EU-Beitritt stimmen. Das ist nur folgerichtig, denn die junge Generation bewegt sich längst in Richtung Europa. Viele studieren hier, versuchen hier Fuß zu fassen.

Doch das führt zu einem enormen Braindrain. Ein großer Teil des moldauischen BIP besteht aus sogenannten Remittances, also Geld, das Moldauer:innen aus dem Ausland an ihre Familien schicken. Das ist nicht nachhaltig. Nachhaltig ist ein vollständige wirtschaftliche, soziale und politische Integration Moldaus in die EU – trotz all der nötigen Reformen, die nicht einfach zu implementieren sein werden. In der Hoffnung, dass ein möglicher wirtschaftlicher Aufschwung auch meinen Taxifahrer von der EU überzeugt.


Die Moldauer müssen sehen, welche Vorteile die EU für das Land hat

Moldau befindet sich definitiv auf dem Weg in die EU. Die moldauische Regierung verfolgt das klare Ziel, bis 2030 die EU-Beitrittsverhandlungen erfolgreich abzuschließen. 60 Prozent der Menschen in Moldau befürworten einen EU-Beitritt. Das Referendum am Sonntag wird ein wichtiger Schritt sein, um diese Bereitschaft zu demonstrieren.

Gleichzeitig sind wir schon Teil der europäischen Familie: Wir haben eine pro-europäische Regierung und Präsidentin, zwei Drittel der moldauischen Exporte gehen auf den europäischen Markt, rund eine Million Bürger Moldaus haben auch die rumänische Staatsangehörigkeit. Sie sind bereits EU-Bürger. Auch die große moldauische Diaspora lebt vor allem in EU-Staaten.

Ob es gelingt, die nötigen Reformen schnell genug zu implementieren, hängt aber von der politischen Stabilität ab. Wir beobachten gerade, wie Russland versucht, die Präsidentschaftswahlen und das EU-Referendum zu manipulieren. Schätzungen der moldauischen Polizei zufolge investiert Russland monatlich 15 Millionen Euro, um Stimmen für pro-russische Parteien in Moldau zu kaufen. Gesteuert wird das kriminelle Netzwerk von dem moldauischen Kleptokraten Ilan Shor, der sich in Moskau aufhält. So sollen schätzungsweise zehn Prozent der Wahlberechtigten korrumpiert worden sein. Ich fürchte, dass auch die Parlamentswahlen im kommenden Jahr betroffen sein werden.

Ein Mittel dagegen sind Initiativen wie der Wachstumsplan der EU, der Moldau zwischen 2025 und 2027 ein Budget von 1,8 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Das Geld soll in die Infrastruktur investiert werden. Nur so kann das Vertrauen der Menschen in die europäische Zukunft des Landes gefestigt werden: Die Menschen in Moldau müssen sehen, welche Vorteile die EU für unser Land hat.

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