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Wahlen in Japan: Wird eine rechte Impfgegner-Partei zur Gefahr für Japans Premier?
Am Sonntag wählt Japan sein Oberhaus. Während die Liberaldemokraten von Premier Shigeru Ishiba in Umfragen schwächeln, legt die Partei Sanseito zu. Ihre Mitglieder sehen sich als Gleichgesinnte der AfD.
Stand:
Der Juli ist unerträglich heiß und schwül in Tokio, einer der größten und am dichtesten bewohnten Metropolen der Welt. Wer kann, bleibt in geschlossenen Räumen, klimaanlagengekühlt. Auch offene Autofenster sieht man selten. Mit wenigen Ausnahmen: Weiße Kleinbusse, deren Lautsprecher alle paar Sekunden dieselben kurzen Sätze wiederholen, fahren die langen Straßen der Hauptstadt auf und ab.
Der Hochsommer ist Höhepunkt des Wahlkampfes in Japan. Was in Endlosschleife aus den Boxen plärrt, sind die Namen der Kandidatinnen und Kandidaten für das Sangiin, das „Haus der Räte“. Sie selbst sitzen auf dem Beifahrersitz. Durch das offene Fenster winken die Politikerinnen und Politiker zum Bürgersteig, die Hand in einem blütenweißen Handschuh. Andrere stehen auf Mini-Bühnen auf den Dächern der Kleinbusse und lassen sich von Unterstützern zujubeln.
Schlechte Umfragewerte belasten Regierungspartei
Die Hälfte der 248 Sitze des Oberhauses des japanischen Parlaments wird bei dieser Wahl neu vergeben. Gegenwind verspürt besonders eine Partei: Dabei haben die Liberaldemokraten (LDP) von Premier Shigeru Ishiba seit 1955 mit Ausnahme weniger Jahre fast immer regiert oder mitregiert.

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Doch nach einem ernüchternden Ergebnis bei der Unterhauswahl 2024 führen sie schon jetzt nur eine Minderheitsregierung in einer Koalition mit der kleinen Komeito-Partei. Eine Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo, die am Dienstag veröffentlicht wurde, besagt, dass die Koalitionsparteien ihre Mehrheit auch im Sangiin verlieren könnten.

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Zwar kann das Oberhaus den Premier oder die Regierung nicht abwählen. Doch Ishiba hat als Ziel ausgegeben, eine Mehrheit zu halten. Gelingt dies nicht, wäre sein Rücktritt möglich. In diesem Fall müsste die LDP schnell einen neuen Parteichef wählen, der sich dann zur Wahl als Premier aufstellen und danach wohl den Weg für Neuwahlen freimachen würde.
Möglich wäre aber auch, dass Ishiba Premierminister bleibt und die Koalition sich für mehr Partner öffnet. Solche Mehrparteien-Bündnisse haben allerdings, wie die „Japan Times“ es kürzlich formulierte, „keine glückliche Geschichte“.
Hohe Inflation, niedrige Löhne
Inhaltlich dominiert wurde der Wahlkampf vor allem von den steigenden Preisen für Lebensmittel, Treibstoff und Wohnen. Die Reallöhne sind laut Anfang Juli veröffentlichten Regierungsdaten in jedem der ersten fünf Monate des Jahres geschrumpft. Die Konsumentenpreise stiegen im Mai um 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.
Skandal um Landwirtschaftsminister
Reis ist heute teilweise doppelt so teuer wie vor einem Jahr. Psychologisch verstärkt wird der Inflationsschock noch dadurch, dass das Land seit Mitte der 90er Jahre Deflation, also sinkende Preise, gewöhnt war.

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Ishiba musste kürzlich seinen Landwirtschaftsminister Taku Eto entlassen, nachdem dieser in einer Diskussion das Thema der steigenden Kosten für Reis so kommentiert hatte: Er selbst habe noch nie Reis gekauft, weil er den von seinen Unterstützern geschenkt bekomme.
Etos Einlassung wurde in japanischen Massenmedien – und von Japanerinnen und Japanern in den sozialen Medien – als Beleg für die Abgehobenheit vieler Mitglieder der politischen Klasse diskutiert. Dieses Gefühl nutzt derzeit einigen kleineren, teils deutlich populistischen Parteien. Sie legen in den Umfragen zu.
Rechte Impfgegner-Partei könnte gefährlich werden
Eine davon, rechts und nationalistisch, gibt es erst seit fünf Jahren, hervorgegangen teils aus einer Bewegung von Maskenverweigerern und Impfgegnern während der Pandemie: Sanseito. Parteichef Sohei Kamiya nennt als Gleichgesinnte gerne Rassemblement National in Frankreich und die AfD in Deutschland.
Die Kandidaten verzichten auf Wink-Touren mit weißem Handschuh und setzen auf Wahlkampf im Internet. Der Sanseito-Kanal auf Youtube hat derzeit 435.000 Abonnenten, etwa dreimal so viele wie der der LDP.
Die Partei vereint Unterstützung der Öko-Landwirtschaft mit Kritik an LGBTQ-Rechten und Ausländern. Sie verspricht Preissenkungen und hohe finanzielle Anreize, um die Geburtenrate zu steigern. Laut Umfragen laufen ihr vor allem bisherige LDP-Wähler zu, und sie könnte bis zu 17 der zur Wahl stehenden Sitze erreichen. Das wäre genau die Zahl, die die Koalition verlieren müsste, um ihre Mehrheit einzubüßen.
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