zum Hauptinhalt
Wladimir Putin bei dem Besuch eines Kommandopostens der Streitkräfte.

© dpa/Uncredited

Erst dritter Auftritt in Camouflage: Was könnte Putin mit dem Tragen seiner Militäruniform bezwecken?

Es ist das dritte Mal, dass sich Putin seit Beginn des Ukrainekriegs in Militäruniform zeigt. Zurückliegende Auftritte legen nahe, dass der Kremlchef mit seinem Auftritt etwas Bestimmtes bezweckt.

Stand:

Am vergangenen Sonntag verkündete Kremlchef Wladimir Putin bei einem Treffen mit dem russischen Generalstab, dass Russland erfolgreich den nuklear angetriebenen Marschflugkörper „Burewestnik“ getestet habe. In einem vom Kreml veröffentlichten Video der Besprechung wies Putin seinen Generalstabschef Waleri Gerassimow an, sämtliche Vorbereitungen für die Stationierung der neuartigen Waffe zu treffen.

Besonders bemerkenswert an dem Treffen ist nicht nur der dabei besprochene Inhalt, sondern wie sie Russlands Machthaber und seine Riege an Militärvertretern vor laufender Kamera präsentierten. Putin betrat den Besprechungsraum in einer Militäruniform – ein seltener Anblick, der auch bei Militäranalysten Beachtung fand. Konfliktexperten der US-amerikanischen Denkfabrik „The Institute for the Study of War“ (ISW) bezeichneten Putins Auftritt am Sonntag als „bemerkenswert“. Die Analysten erklärten: „Dies war erst das dritte Mal seit Beginn der groß angelegten Invasion, dass er bei einer öffentlichen Veranstaltung eine Uniform trug.“

Putin in Militäruniform: Drei Erklärungsversuche

Wer sich das Video der Generalstabsbesprechung ansieht, den dürfte bereits in den ersten paar Minuten ein Gefühl einer gut inszenierten Machtdemonstration beschleichen. Denn die Ausstattung des Besprechungsraums wirkt, wie mit Bedacht arrangiert. Der Kremlchef und Gerassimow tragen ihre Kriegsberichte fast hölzern vor. Und Putin selbst bietet in seiner Camouflage-Uniform ein ungewöhnliches Bild. Doch warum tritt der 73-Jährige gerade jetzt in einer Militäruniform auf? Im Nachfolgenden bieten wir drei Erklärungsversuche, bei denen es sich ausdrücklich um Hypothesen handelt.

1. These: Putin als militärisch Überlegener

Möglicherweise möchte Putin mit dem Tragen seiner Militäruniform eine militärische Überlegenheit und Dominanz Russlands im anhaltenden Ukrainekrieg demonstrieren, die es so allerdings gar nicht gibt. Als der Kremlchef am Schreibtisch sitzend die bisherigen Meilensteine der russischen Armee und seine Forderungen an den Generalstab vorliest, liegt neben ihm aufgeschlagen eine Landkarte.

Gerassimow seinerseits listet schlichtweg die jüngsten Erfolgsmeldungen seiner Truppen auf. So seien etwa in den Städten Pokrowsk, Kupjansk und Wowtschansk, aber auch in etlichen anderen kleineren Ortschaften und Regionen bedeutende Fortschritte erzielt worden.

Kriegsblogger und unabhängige Militäranalysten widerlegten die Erfolge allerdings weitestgehend. Das ISW urteilt etwa: „Putin und Gerassimow geben auch weiterhin übertriebene Behauptungen über Siege auf dem Schlachtfeld von sich“. Der Kriegsblogger „Militärinformant“ mutmaßt derweil via Telegram, dass Gerassimow „wieder einmal voreilig ist“ und hoffe, dass die Realität vor Ort „seine Berichte bald einholen wird“.

2. These: Putin als Mann des Volkes

Mit seinem Auftritt in Militäruniform könnte der Kremlchef allerdings auch eine Art Nahbarkeit zur Schau stellen wollen. Indem sich Putin ungewohnt in Camouflage zeigt, demonstriert er seinem Volk und seinen Soldaten gleichermaßen: „Ich bin einer von euch.“ Bei dem Generalstabstreffen zur Lage im Ukrainekrieg verkündet der Kremlchef dann auch gleich mehrfach und mich Nachdruck, dass „die Sicherheit unserer Soldaten oberste Priorität hat.“ Auch der Schutz seiner Zivilbevölkerung habe laut Putin nun absoluten Vorrang: „Es muss alles getan werden, um die Sicherheit der Zivilbevölkerung zu gewährleisten.“

Möglicherweise wollte Russlands Machthaber seinen Auftritt auch dafür nutzen, um den Rückhalt in der russischen Bevölkerung und die Loyalität seiner Frontsoldaten zu bekräftigen. Immerhin ist der Kremlchef – auch angesichts der wirtschaftlich prekären Lage seines Landes und einem horrenden Haushaltsdefizitnun mehr denn je auf das Wohlwollen seines Volkes angewiesen. Wie das ISW am Sonntag in seinem Lagebericht zum Ukrainekrieg berichtete, will Moskau die Einmalzahlungen für Russen, die Verträge mit dem russischen Verteidigungsministerium unterzeichnen, bald erneut senken. Die Analysten werten die Budgeteinsparungen als Indikator dafür, dass Russland bald mit großangelegten Zwangsrekrutierungen von Reservisten beginnen könnte.

3. These: Putin als Mann der Tat

Die Tatsache, dass Putin und Gerassimow am Sonntag den erfolgreichen Test ihres neuen Atom-Marschflugkörpers „Burewestnik“ verkündeten, legt nahe, dass Putin sich bei dem Generalstabstreffen vor allem als Entscheidungsträger und oberster Armeeführer darstellen wollte – und nicht als jemand, der nur aus einem Büro heraus regiert. Als der Kremlchef den Besprechungsraum in seiner Militäruniform und mit deutlich sichtbarer Russlandflagge auf dem Oberarm betritt, wird er stehend von seinem Generalstab empfangen, der ihm wiederholt mit der Anrede „Genosse, Oberbefehlshaber!“ Bericht erstattet.

Russland stellt sich selbst immer wieder als übermächtige Atommacht dar, die im Eskalationsfall nicht davor zurückschrecken würde, Atomwaffen einzusetzen. Die Nato, Ukraine-Verbündete, aber auch Militäranalysten werfen Moskau in dem Zusammenhang allerdings immer wieder atomares Säbelrasseln vor, das lediglich der Abschreckung dienen soll.

Das ISW stufte Gerassimows Bericht, nach dem die „Burewestnik“ eine „unbegrenzte“ Reichweite habe und „eine garantierte Genauigkeit gegen hochgeschützte Ziele in jeder Entfernung“ aufweisen soll, als „nukleare Säbelrasseln-Kampagne“ ein. „Putin und Gerassimow hoben die angeblichen technischen Fähigkeiten der Marschflugkörper hervor, um diese nuklearen Drohgebärden wahrscheinlich noch zu verstärken“, schreiben die Analysten. Der Denkfabrik zufolge habe die „Burewestnik“-Präsentation vor allem darauf abgezielt, die westliche Unterstützung für die Ukraine zu unterminieren. „Mit einer Kombination aus Zuckerbrot und Peitsche versucht Russland, die Vereinigten Staaten zu Zugeständnissen in Bezug auf den Krieg zu bewegen“, mutmaßen die Analysten außerdem.


Fazit: Warum Putin Camouflage getragen haben könnte

Bei den beiden zurückliegenden Auftritten Putins in Militäruniform berichtete das ISW, dass der Kremlchef mit seiner Aufmachung möglicherweise „die militärische Stärke Russlands“ demonstrieren und sich selbst als „engagierter Kriegsführer darstellen“ wollte. Unter Umständen will der Kremlchef in seinem Soldatenaufzug bei westlichen Regierungsvertretern den Eindruck erwecken, dass es sich dieses Mal nicht mehr nur um reines Säbelrasseln handelt, sondern er in passender Kampfmontur entschlossen und zu allem bereit ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })