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Andrej Babis will eine Minderheitsregierung in Tschechien anführen.

© Anadolu via Getty Images/Anadolu

Der „tschechische Trump“: Worauf sich Europa unter Andrej Babis einstellen muss

Milliardär Andrej Babis gewann am Samstag die Wahl in Tschechien – mit einem EU-kritischen Kurs. Auch die bedingungslose Unterstützung der Ukraine steht auf dem Spiel.

Stand:

Andrej Babis winkt aus dem Auto. Er hatte es selbst zu der Prager Burg gefahren, wo er am Sonntagmorgen mit Tschechiens Präsident Petr Pavel über die künftige Regierung beraten wollte.

Nach vier Jahren in der Opposition konnte Tschechiens ehemaliger Premierminister seine Protestbewegung ANO am Wochenende mit fast 35 Prozent zum Sieg führen. Doch die Regierungsbildung dürfte schwierig werden, was einige Beobachter noch am ersten Wahltag über Neuwahlen spekulieren ließ.

Wer ist der Milliardär, der in der Maga-Welt Donald Trumps (nach dessen Wahlspruch „Make America Great Again“) zu Hause zu sein scheint und ungewollt den Interessen des russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Hände spielen könnte?  

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„Er ist das Paradebeispiel eines technokratischen Populisten, der sich von Anfang an weigerte, seine Identität entlang der Links-Rechts-Achse zu definieren“, sagt Politologin Daniela Ostra von der Palacky-Universität in Olmütz.

Weil Babis ein ideologisches Fundament fehle, habe er sein politisches Angebot auch im vergangenen Wahlkampf den Wählerpräferenzen angepasst. Er setzte auf Gesundheitsversorgung, leistbares Leben, den Kampf gegen Korruption und machte überdies die Unterstützung für die Ukraine zum Thema – alles Bereiche, wo es in Tschechien seit Jahren kriselt.

Er ist das Paradebeispiel eines technokratischen Populisten, der sich von Anfang an weigerte, seine Identität entlang der Links-Rechts-Achse zu definieren.

Daniela Ostra, Politologin an der Palacky-Universität in Olmütz

Einige Beobachter nennen ihn den „tschechischen Trump“. Mit rotem Baseballcap war Babis unter dem Motto „Starkes Tschechien“ in den Wahlkampf gegen die proeuropäische Regierungskoalition von Ministerpräsident Petr Fiala gezogen.

Damit hat der Populist offenbar einen Nerv getroffen. Denn ein Teil Tschechiens ist laut Politologen längst in der Maga-Welt angekommen. Sichtbar wurde dies zwei Tage nach dem Attentat auf den US-Influencer Charlie Kirk: Innerhalb weniger Stunden hatte die katholische Kirche des Landes eine Totenmesse für den Ermordeten in der Prager Teynkirche organisiert. Unter den Trauernden waren etliche Politiker. Demonstranten sprachen von einer „Schande“.   

Worauf müssen sich die Tschechen, die EU und die Ukraine unter einer Babis-Regierung einstellen? Der 71-Jährige erklärte, den „Wahnsinn aus Brüssel“ stoppen zu wollen. Der Green Deal ist ihm ein Graus – eine Einstellung, die ihn mit einem seiner möglichen Koalitionspartner verbindet: der neuen Protestbewegung der „Motoristen“, die für Verbrennungsmotoren kämpfen und am Samstag knapp sieben Prozent der Stimmen holten.

Mit der Bewegung Freiheit und direkte Demokratie (SPD, acht Prozent), einem weiteren möglichen Regierungspartner, verbindet Babis wiederum die Stimmungsmache gegen die Ukraine.

Durch seine Munitionsinitiative wurde Tschechien zu einem der wichtigsten Unterstützer des angegriffenen Landes. Voriges Jahr stellte Prag 1,5 Millionen Geschosse für die Verteidigung bereit. Noch im September beschloss die scheidende Regierung ein Hilfspaket von jährlich 41 Millionen Euro bis 2030 für die Ukraine.

Im Wahlkampf präsentierte sich Babis mit roter Maga-Mütze - angelehnt an die Bewegung von US-Präsident Donald Trump.

© Reuters/David W Cerny

Babis zufolge würde dieses Geld besser „für unsere eigenen Leute“ ausgegeben. Sein Unternehmen Agrofert machte ihn zu einem der reichsten Männer Tschechiens. Daher spekulieren Beobachter, er könnte die direkte Militärhilfe nach Vorbild der Slowakei in ein lukratives Geschäftsmodell umwandeln.

Viel Gegenwind aus Prag schlug der Ukraine bisher nicht entgegen, was ihre Zukunft in EU und Nato betrifft, sagte Daniel Sitera dem Tagesspiegel. Für den Forscher am Institut für internationale Beziehungen in Prag (IIR) steht fest: „Mit einer ANO-Regierung würde dies zu einem stärker an Bedingungen geknüpften Ansatz und weniger Unterstützung führen.“

Als großer Wahlverlierer gilt Premier Fialas Regierungsbündnis SPOLU. Dieses landete mit 23 Prozent auf dem zweiten Platz, dahinter die mitregierende Partei STAN mit 11 Prozent. Beide Parteien schlossen eine Zusammenarbeit mit Babis aus.

Die Regierungsbildung dürfte sich daher schwierig gestalten. Wie Babis ankündigte, strebe er eine Minderheitsregierung unter Duldung der ultrarechten SPD und Motoristen an. Doch ein stabiles Fundament sieht anders aus: Gemeinsam schafften es die drei Parteien auf rund 50 Prozent, bei Abstimmungen im Parlament käme es somit auf jeden einzelnen Abgeordneten an.

Hinzu kommt die unterschiedliche Herangehensweise der EU-Skeptiker. Während die Rechtsaußenparteien ein Referendum über Tschechiens EU- und Nato-Austritt fordern, konterte Babis: „Wir wollen die EU nicht verlassen, das würde uns schaden, aber wir wollen sie verändern.“

Babis will die Visegrad-Gruppe wiederbeleben

Damit schlug er in dieselbe Kerbe wie der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. Überhaupt plant Babis, die derzeit eher inaktive Visegrád-Gruppe, bestehend aus Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien, wiederzubeleben.

Der lose Verbund der mitteleuropäischen Staaten bemüht sich um Austausch politischer Positionen – nicht zuletzt als Gegenpol zu Brüssel. Mit Orbán und dem slowakischen Premier Robert Fico hätte Babis die passenden Verbündeten.

Wird Tschechien nach Ungarn und der Slowakei nun das nächste Einfallstor für Moskau in die EU? Diese Sorge äußerten zuletzt nicht nur viele Tschechen, sondern auch westliche Diplomaten. Tschechiens Ex-Außenminister Tomas Petricek meint dazu: „Weder seine Wähler noch die Mehrheit der tschechischen Gesellschaft sehen die Zukunft irgendwo im Osten.“

Auch das Fachmedium „VSquare“ attestiert den Tschechen „wenig Appetit“ für eine „Orbanisierung“. Die Parteien, mit denen Babis kooperieren will, gelten hingegen als offen prorussisch. Sie könnten künftig Druck auf ANO ausüben. Noch an der Wahlurne hatte Noch-Premier Fiala gewarnt: Jetzt entscheide sich, ob Tschechien „in die Vergangenheit oder in die Zukunft, in den Westen oder in den Osten“ gehe.

Der große Verlierer der Wahl: Der tschechische Ministerpräsident und Vorsitzende der Koalition der drei konservativen Parteien „Gemeinsam“ Petr Fiala.

© imago/CTK Photo/IMAGO/Katerina Sulova

In Prag allerdings kursieren seit dem Wahlabend viele Gerüchte. Könnte eine der bisherigen Regierungsparteien ihren angekündigten ANO-Boykott brechen und doch mit Babis koalieren? Das Szenario könnte laut Analysten Tschechiens proeuropäische Politik sichern, gilt jedoch als extrem unwahrscheinlich.

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