
© IMAGO/Depositphotos (Archivbild aus 2011)
„Wir haben uns traditionell überschätzt“: Russlands Ex-Heereschef räumt öffentlich Fehler zu Beginn des Ukrainekriegs ein
In einem Interview spricht der russische Ex-Kommandant der Landstreitkräfte von Fehleinschätzungen zu Beginn der Ukraine-Invasion. Man habe den Feind unterschätzt und müsse „eine harte Lektion lernen“
Stand:
Der ehemalige Kommandant der russischen Landstreitkräfte, Wladimir Tschirkin, hat sich ungewohnt kritisch über Russlands Invasion in der Ukraine geäußert. In einem Interview mit dem russischen Nachrichtensender „RBC“ vom 27. November berichtet der Generaloberst in der Sendung „Tamantsev. Fazit“: „Wir haben in der Ukraine eine harte Lektion gelernt.“
Tschirkin sagt, dass vor Kriegsbeginn Fehlinformationen verbreitet wurden, die zu Fehlentscheidungen bei der Militärführung geführt hätten. „Der Führungsriege wurden falsche Informationen gegeben“, so der 70-Jährige. „Wir dachten, dass 70 Prozent der Ukrainer für uns waren und 30 Prozent gegen uns. Aber es stellte sich heraus, dass es genau umgekehrt war. 30 Prozent waren für uns und 70 Prozent gegen uns.“
Tschirkin kritisiert vorrangig den russischen Geheimdienst und dessen irreführende Briefings an die Moskauer Regierung: „Ich würde unserer gesamten Geheimdienstgemeinschaft eine schlechte Note geben.“
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Nach Kritik: Moderator reagiert sichtlich überrascht
Ferner moniert der russische Militäroffizier, dass sich Russland weitestgehend unvorbereitet in die militärische Konfrontation gestürzt habe: „Jeder Krieg hat Ziele, und in dieser speziellen Militäroperation hat der Präsident der Russischen Föderation die Ziele der Entnazifizierung und Demilitarisierung festgelegt.“ Tschirkin wolle niemanden kritisieren, „aber meiner Meinung nach war Russland wieder einmal nicht auf einen Krieg vorbereitet.“ Der Generaloberst räumt ein: „Wir haben den Feind traditionell unterschätzt und unsere eigenen Streitkräfte überschätzt.“
Innerhalb der Armeeführung sei man tatsächlich davon ausgegangen, dass man die Ukraine innerhalb weniger Tage einnehmen könne. „Wenn Sie sich erinnern, sagten am 24. Februar alle, dass der Krieg in drei Tagen vorbei sein würde.“ Damals habe es eine Haltung in die Richtung gegeben: „Das ist es. Wir werden sie jetzt fertig machen.“
Tschirkin begründet das mit dem „Tiflis-Syndrom“ und bezieht sich damit auf den russischen Fünf-Tage-Krieg von 2008. Damals startete Russland eine Invasion gegen Georgien, in deren Folge Moskau die Kontrolle über die Regionen Südossetien und Abchasien erlangte. Im Fall der Invasion gegen die Ukraine sei es „leider anders gekommen“, so der Generaloberst.
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„Unsere Armee weiß, wie viele Tote, Verwundete und Versehrte wir dort zurücklassen mussten“, sagt Tschirkin in dem Interview und fährt nach langem Zögern und ins Leere blickend fort: „Und ich glaube, dass das noch nicht vollständig offengelegt wurde.“
Der Moderator Yuri Tamantsev seinerseits reagiert sichtlich überrascht und entgegnet: „Ehrlich gesagt hatte ich mit solch einer Wendung und Offenheit gleich zu Beginn des Gesprächs nicht gerechnet.“ Daraufhin greift Tamantsev hektisch zu seinem Kugelschreiber und wendet sich schnell einem weiteren Gesprächspartner in der Runde zu.
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