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Demonstranten tragen israelische Fahnen während eines Protests in der Nähe der Knesset.

© dpa/Ilia Yefimovich

Zehntausende protestieren gegen Pläne: Israels Parlament billigt Teil der umstrittenen Justiz-Reform

Das Parlament stritt bis spät in die Nacht, bevor die Änderungen angenommen wurden. Die Opposition kündigte an, „für die Seele der Nation zu kämpfen“.

Das israelische Parlament hat trotz Massenprotesten den Weg für eine umstrittene Überarbeitung des Justizsystems von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu frei gemacht. Die Knesset billigte in der Nacht auf Dienstag (Ortszeit) nach einer rund achtstündigen Sitzung einen Teil der umstrittenen Justizreform in der ersten von drei Lesungen.

„Eine großartige Nacht und ein großartiger Tag“, schrieb Netanjahu nach der Abstimmung auf Twitter. Das Parlament stritt bis spät in die Nacht, bevor die vorgeschlagenen Änderungen in erster Lesung angenommen wurden.

Zwei Reformen konnte Netanjahu mit seiner absoluten Mehrheit von 64 der 120 Sitze in der Knesset durchsetzen: Eine stärkt den Einfluss der Regierung bei der Auswahl der Richter, die andere schränkt die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs ein, Gesetze zu kippen.

Die Änderungen seien dazu gedacht, die Einmischung eines nicht repräsentativen Obersten Gerichtshofs in die Politik zu beenden, erklärte die Regierung. Kritiker sagen, der wegen Bestechung angeklagte Netanjahu strebe Gesetzesänderungen an, die Israels demokratische Kontrollen und Gleichgewichte beeinträchtigen, die Korruption fördern und zu diplomatischer Isolation führen würden.

Die Opposition im Parlament kündigte an, „für die Seele der Nation zu kämpfen“, Zehntausende gingen am Abend gegen die Reformen auf die Straße. Umfragen hatten ergeben, dass die meisten Israelis eine Verlangsamung der Reformen wünschen, um einen Dialog mit Kritikern zu ermöglichen - oder keine Reformen wollen.

Acht Personen festgenommen

Zuvor hatten Demonstranten versucht, Abgeordnete der Netanjahu-Koalition an ihrem Aufbruch zur Knesset zu hindern. Nach Angaben der Polizei wurden acht Personen wegen ungebührlichen Verhaltens festgenommen und der Verkehr umgeleitet, nachdem Demonstranten einige Straßen blockiert hatten. „Demonstranten, die von Demokratie reden, bringen selbst das Ende der Demokratie herbei, wenn sie den gewählten Abgeordneten das grundlegende Recht in einer Demokratie verweigern - zu wählen“, teilte Netanjahu mit.

Angesichts der Instabilität des Reformstreits haben viele Wirtschaftswissenschaftler und führende Vertreter der Hightech-Branche und des Bankensektors vor einer Flucht von Investoren und Kapital aus Israel gewarnt. „Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den Justizreformen und einem Schlag für Israels Wirtschaft“, wies der Vorsitzende des Finanzausschusses der Knesset, Moshe Gafni, die Warnung zurück. Jeder Versuch einer Verknüpfung sei politisch motiviert.

Israels Staatsoberhaupt, Präsident Isaac Herzog, hat Regierung und Opposition wiederholt zu Kompromissgesprächen aufgefordert. Beide Seiten haben zwar ihre Bereitschaft bekundet, sind sich aber über die Bedingungen uneins.

Unterdessen besuchte erstmals seit Vereidigung der israelischen Regierung Bundesjustizminister Marco Buschmann das Land. Der FDP-Politiker fand mahnende Worte, ohne das Gesetzesvorhaben direkt zu erwähnen. „Aus der Geschichte zu lernen bedeutet zu erkennen, dass man breite Mehrheiten suchen sollte, wenn man die Spielregeln des demokratischen Wettbewerbs und das Zusammenspiel der Verfassungsorgane verändern möchte“, sagte Buschmann bei einer Ausstellungseröffnung am Abend in Tel Aviv.

In Deutschland seien Änderungen des Grundgesetzes nur mit einer Stimmenmehrheit von zwei Dritteln in Bundestag und Bundesrat möglich. „Das gelingt regelmäßig nur dann, wenn auch große Teile der Opposition von der Notwendigkeit der Änderung überzeugt sind.“(Reuters/dpa)

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