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Der französische Premierminister Francois Bayrou und Mitglieder der französischen Regierung nehmen an der Fragestunde der Regierungssitzung in der Nationalversammlung in Paris teil.

© REUTERS/Benoit Tessier

Zick-Zack-Kurs in Frankreich: Ein neuer Haushalt allein bringt keine Stabilität

Sozialisten und Rechtsextreme werden heute die Regierung nicht über ihr Haushaltsgesetz zu Fall bringen. Aber vielleicht nächste Woche. Die Erleichterung ist nur von kurzer Dauer.

Andrea Nüsse
Ein Kommentar von Andrea Nüsse

Stand:

Die gute Nachricht: Frankreich bekommt endlich einen Haushalt für das laufende Jahr – und die Regierung wird frühestens nächste Woche gestürzt. Ein „Kompromiss“ à la francaise. 

Der Druck, das Land nicht in weiteres Chaos zu stürzen, war groß genug, damit die Sozialisten bei der heutigen Vertrauensabstimmung wohl stillhalten. Diese wurde vom Rest des ursprünglichen Linken-Bündnisses eingebracht, nachdem Premier Bayrou den Haushalt ohne Abstimmung dank des Verfassungsartikels 49.3 am Montag eingebracht hatte. Wird die Regierung heute nicht gestürzt, ist der Haushalt automatisch in Kraft.

Sozialistische Wähler und Bürgermeister sowie sozialistische Politiker wie François Hollande oder Lionel Jospin, die Regierungsämter innehatten, drängten auf institutionelle Stabilität. Und Premier Bayrou war etwas mehr auf die Forderungen der Linken eingegangen als sein Vorgänger, der nach nur drei Monaten im Amt über den Haushalt gestürzt war.

Nächste Vertrauensabstimmung nächste Woche

Die Rechtsextremen wiederum müssen beweisen, dass ihre Kandidatin Le Pen ausreichend verantwortungsbewusst und staatstragend für das Präsidentenamt ist. Daher lassen sie die heutige Möglichkeit, die Regierung zu stürzen, wohl verstreichen.

Gelegenheit dafür wird es noch zuhauf geben: Die erste gleich in der nächsten Woche, wenn die Sozialisten eine neue Vertrauensabstimmung ansetzen – diesmal, um ihren Unmut über die rechtspopulistischen Äußerungen Bayrous zur Migration zu sanktionieren.

Die Fraktionsvorsitzende des RN, Marine Le Pen, hält es für klüger, ein Haushaltsgesetz nicht zu verhindern.

© AFP/ALAIN JOCARD

Damit hatte er zwar die Rechtsextremen umschmeichelt, aber theoretisch könnten sie – ähnlich wie die AfD vergangenen Woche mit dem Merz-Vorstoß – darüber hinwegsehen und die Regierung stürzen.

Sozialisten scheren aus Linken-Bündnis aus

Dann hätte Frankreich ein Budget, aber keine Regierung. Das scheint in den Augen der Sozialisten eine gute Lösung zu sein. Die Logik erschließt sich nicht wirklich. Außer, sie hoffen, dass das „Misstrauensvotum“ nicht durchkommt.

Dann hätten sie ihren Verbündeten im Linken-Bündnis bewiesen, dass sie nicht umgefallen sind – auch wenn sie sich jetzt in der Haushaltsfrage erstmals seit den Parlamentswahlen von ihnen abgesetzt haben.

Dazu reicht offene, scharfe Kritik an der verschärften Rhetorik Bayrous und der harten Politik seines extrem rechten Innenministers Bruno Retailleau offensichtlich nicht.

Große Streitthemen in Sicht

Und das Damoklesschwert bleibt ja weiter über der Minderheitenregierung Bayrou hängen. Vielleicht verhakt man sich noch nicht über das Sterbegesetz und die Neuregelung für Hilfen für Bauern, die die Regierung als Nächstes angehen will.

Aber sollte der Innenminister sich mit verschärfter Migrationspolitik durchsetzen, sollten die Gespräche über eine Reform der Rentenreform nicht fruchten – schon könnte es wieder so weit sein. Und eigentlich müssten ja auch sofort die Beratungen über den Haushalt 2026 beginnen …

Es ist ein Erfolg von Premier Bayrou, dass Frankreich trotz der verfahrenen Lage im Parlament nun einen Haushalt bekommt. Für größere politische Weichenstellungen, die notwendigerweise kontrovers sind, wird es nicht reichen.

Der sozialistische Ex-Präsident François Hollande hat seine Partei bearbeitet, damit sie das Haushaltsgesetz der Regierung Bayrou passieren lässt.

© AFP/THIBAUD MORITZ

Aber vielleicht bis zum Ende des Sommers – dann wäre erstmals eine vorgezogene Parlamentswahl wieder nötig – und die soll nach dem Willen der Rechtsextremen dann auch stattfinden.

Sollte deren Anführerin Marine Le Pen allerdings Ende März in der Veruntreuungsaffäre um EU-Gelder zur Nichtwählbarkeit verurteilt werden – dann könnte der RN um sich schlagen und schön früher politisches Chaos anrichten wollen.

Frankreich fällt also auf absehbare Zeit weiter aus. Das ist die bittere Nachricht.
 

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