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Jung und empathisch. Lavinia Steinfels und Rafael Frenk wollen alten Frauen helfen, die durch alle Gitter fallen.

© PR/Sophia Emmerich

Junge Firma engagiert sich gegen Armut im Alter: Berliner Start-up unterstützt Frauen mit wenig Geld

Die Stiftung eines Berliner Start-ups kämpft gegen weibliche Altersarmut und will das Thema mit einer Gala aus der Tabuzone holen – mit Vicky Leandros als Stargast.

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Während Lavinia Steinfels auf Reisen war, sollte ihre Mutter ein Auge auf die Post haben. Eines Tages kam ein Rentenbescheid. „Du bekommst nach sieben Jahren Arbeit schon mehr als ich nach 30 Jahren”, staunte die Mutter noch nach der Rückkehr der Tochter.

Steinfels ist im Vorstand der Berliner Glow25-Stiftung. Sie hat Politikwissenschaften und Linguistik studiert und einen guten Job in der Öffentlichkeitsarbeit. Die Mutter, erzählt sie, hat drei Kinder allein großgezogen, als Ganztagsbetreuung noch nicht verbreitet war. Als Friseurin, über weite Strecken auch noch in Teilzeit, hat sie nur wenig Geld verdient, lebt im Alter am Existenzminimum.

Von der Aufklärung zum Trend

Als man in der Stiftung darüber diskutiert, welchen Charity-Schwerpunkt man künftig setzen solle, war ihr sofort klar, wo ein hoher Bedarf an Hilfe besteht: Altersarmut führt zu Einsamkeit. Davon sind überwiegend Frauen betroffen. Oft schämen sie sich auch noch, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Bei Rafael Frenk stieß sie sofort auf offene Ohren. Der 35-Jährige hat zusammen mit zwei Freunden 2025 ein Start-up gegründet, um Kollagen-Produkte aus den USA zu verkaufen. „Erst haben wir Aufklärungsarbeit geleistet”, erinnert er sich. „Dann wurde es ein Trend.

Und schließlich lief es so gut, „dass wir beschlossen, jeden Monat 10.000 Euro für einen guten Zweck zu stiften”. Die Kunden durften mitentscheiden, wohin das Geld gehen sollte. Mal war es ein mexikanisches Waisenhaus, mal die Aktion Fischotterschutz oder die Berliner Kältehilfe. Aus diesem „Glow Purpose Projekt“ entstand im letzten Jahr die Glow Purpose Foundation mit dem Ziel, weiblicher Altersarmut und Einsamkeit entgegenzutreten.

Auch Frenk wusste genau, worum es ging. Aufgewachsen in Polen und später in Westfalen, hing er sehr an seiner Oma mütterlicherseits. Sie arbeitete in einem Kiosk, aber als der Mann starb, musste sie mit sehr wenig Geld auskommen und freute sich jedes Mal sehr über die Lebensmittelgeschenke, wenn der Enkel mit der Mutter nach Polen zu Besuch kam.

Kein Geld zur Teilhabe

Dass sein eigentlicher Vater Kubaner war und in Havanna lebte, erfuhr Frenk erst nach dem Tod des Stiefvaters. Bei einem Besuch auf Kuba sah er sich ebenfalls mit großer Armut konfrontiert, gerade auch bei älteren Menschen. Demnächst wollen sie mit einer großen Gala dem Thema mehr Aufmerksamkeit verschaffen.

Dass das kein einfaches Unterfangen ist, wissen sie. Während Charity-Projekte für Kinder meist mit süßen Bildern verbunden sind, will niemand alte Frauen sehen. Man kann sie oft auch gar nicht sehen, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Sie haben kein Geld zur Teilhabe am sozialen Leben, können nicht ins Kino und nicht ins Konzert und schon gar nicht ins Restaurant gehen, weil ihnen dafür das Geld fehlt.

150.000
Euro wollen die Organisatoren mit der Gala auftreiben.

Ziel der Gala ist es nun, mindestens 150.000 Euro aufzutreiben, um gezielt Projekte unterstützen zu können, die alten Menschen in Not helfen. Egal, ob jemand eine Brille braucht, ein Hörgerät oder Zahnersatz. Ohne Unterstützung ist es vielen Betroffenen schlicht nicht möglich, solche essenziellen Dinge zu finanzieren.

Manche verlieren die Wohnung, andere stehen vor der Wahl, sich mittags satt zu essen oder dem Enkel etwas mitzubringen. Das ist ironischerweise oft der Lohn der Aufopferung in frühen Jahren. Viele Frauen, die allein aus Geldmangel einsam sind, haben früher unbezahlte Care-Arbeit geleistet für andere.

Sie mussten die Erwerbsarbeit unterbrechen, um Kinder groß zu ziehen oder Eltern zu pflegen und verdienten, wenn sie wieder berufstätig waren, aufgrund des Gender Pay Gaps im Schnitt 16 Prozent weniger als die Männer. Aber auch Schicksalsschläge führen zur Verarmung, die bei den Frauen oft mit Scham besetzt ist.

Eine dieser Frauen ist Marion Ritzel, die ihren richtigen Namen nicht in dem Zusammenhang erwähnt wissen möchte. In der DDR war sie als Französischlehrerin tätig, wurde nach der Wende aber nicht verbeamtet. Die Wohnung in Karlshorst wurde nach dem Verkauf des Hauses an Investoren irgendwann zu teuer, nicht mehr finanzierbar.

Also zog sie mit ihrem Mann in ein Ferienhaus auf dem Land. Nach dem dritten Schlaganfall musste der Mann ins Pflegeheim, 20 Kilometer entfernt von seiner Frau. Die ist inzwischen 84 Jahre alt und gehbehindert. Ein großer Teil ihrer Rente fließt in die Pflegekosten. Damit sie ihren Mann wenigstens gelegentlich noch mal sehen kann, finanziert ihr die Organisation Helfende Hand, die finanziell arme Frauen über 60 unterstützt, Taxifahrten.

Mitgründerin Iris von Künsberg-Lingenthal freut sich über die zusätzliche Aufmerksamkeit für die Arbeit ihres Vereins und die Frauen, die im Alter in Not geraten. Angesichts der Ungerechtigkeit, der ältere Frauen oft ausgesetzt sind, sieht sie da großen Handlungsbedarf: „Über dieses Thema wird gar nicht geredet“, sagt sie. Das müsse sich ändern.

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