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Das Philharmonia Quartett mit Primarius Daniel Stabrawa (r.)

© Stefan Röhl

30 Jahre Philharmonia Quartett: Silbriger Wohlklang

Seit 30 Jahre streichen und zaubern sie: Das Philharmonia-Quartett feiert sein Jubiläum im Kammermusiksaal mit Schostakowitsch und Beethoven.

Nur an der dezenten Vase mit Blumen merkt man's: Hier wird gerade ein Jubiläum gefeiert. Konzentration, Askese, Demut, nichts soll ablenken von der Musik – wer zum Philharmonia-Quartett in den Kammermusiksaal geht, bekommt erneut bestätigt, dass Streichquartett wirklich die mönchischste, vergeistigtste, geistvollste aller Gattungen ist. Seit dreißig Jahren treten die drei Berliner Philharmoniker Daniel Stabrawa, Christian Stadelmann und Neithard Resa zusammen auf. Dietmar Schwalke hat den Cellopart 2009 übernommen, nachdem Jan Diesselhorst – treibende Kraft bei der Gründung des Quartetts – im Alter von nur 54 Jahren gestorben ist.

Nichts schweißt ein Streichquartett so sehr zusammen wie Zeit. Der Klang legiert sich, bekommt eine charakteristische Färbung, unverwechselbar, einzigartig. Was die vier (beziehungsweise fünf) in den drei Jahrzehnten alles erlebt haben, schildert Christian Stadelmann im anekdotengesättigten Beitrag fürs Programmheft. Nach einem Konzert in Südengland fehlte auf dem Scheck die Unterschrift, im antiken Theater von Catania wartete das Publikum trotz einstündiger Flugverspätung „seelenruhig unter samtig südlichem Abendhimmel“ und Papst Benedikt XVI. entpuppte sich nach der „Italienischen Serenade“ von Hugo Wolff als Kenner mit dem Kommentar: „Na, das war aber heute für die zweite Geige ziemlich anspruchsvoll“.

Statt Tiefenbohrung setzt das Philharmonia Quartett auf Breite

Zum Jubiläumskonzert gibt's Kernrepertoire: Beethoven, dessen Streichquartette das Philharmonia Quartett gerade in Gesamteinspielung vorgelegt hat, und Schostakowitsch. Sieben Sätze hat sein elftes Streichquartett op. 122, sie tragen Bezeichnungen wie „Etüde“, „Humoreske“, „Elegie“. Nur zwei dagegen sein zwölftes op. 133, in dem Schostakowitsch, vierzig Jahre nach ihrer Erfindung, Zwölftönigkeit auf kluge Weise integriert, ohne sie zum beherrschenden Moment der Sache werden zu lassen.

Statt Tiefenbohrung setzt das Philharmonia-Quartett lieber auf Breite. Die große Pranke, die scharfe Attacke nach Art des Alban Berg Quartetts war nie seine Sache, dafür ein ins Impressionistische hinüberschimmernder silbriger Wohlklang, Glättung, Schönheit, fast meditative Entspanntheit. Das allzu bekannte Streichquartett-Paradox meistern die vier auf betörende Weise: klanglich zu verschmelzen und doch als Individuen deutlich erkennbar zu bleiben. Daniel Stabrawa bleibt Erster unter Gleichen, gibt auch gestisch ganz klar die Einsätze.

Schostakowitsch hat seine beiden Quartette 1966 und 1968 komponiert, da hatte er noch drei Jahre zu leben, und auch Beethoven läutet mit op. 127 sein erst unverstandenes, aber epochales Streichquartett-Spätwerk ein.

Es ist die Phase im Leben beider Komponisten, in der die technische Souveränität einen Grad erreicht hat, der alle Konventionen, Beschränkungen, Einengungen abstreift und frei von Fesseln zu Neuem aufbricht. Das gewaltige, 16-minütige Adagio: ein Lied ohne Worte, schon den „Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit“ in op. 132 vorwegnehmend, vom Philharmonia-Quartett mit vitaler Fantasie, mit mäandernder, sich ständig neue Wege suchender Gestaltungskraft interpretiert. Das vertrackte Finale des Vivace-Scherzandos: ein Blick hier, ein Atemzug da, die Abstimmung klappt perfekt. Und zum Applaus dürfen's natürlich, so viel Feierlaune ist dann doch, noch ein paar Blumen mehr sein.

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