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Das Luf-Boot, Glanzstück des Ethnologischen Museums mit Schattenseiten.

© Staatliche Museen / Stiftung Humboldt Forum / Alexander Schippel

Ab heute Humboldt Forum: Die Schätze aus aller Welt im Berliner Schloss

Das Ethnologische Museum zeigt endlich seine Sammlung im Humboldt Forum. Doch vieles wirkt provisorisch. Das koloniale Erbe tritt langsam erst zutage.

„Wir werden Humboldt-Forum“, lautet das Mantra von Generalintendant Hartmut Dorgerloh, das er auch diesmal zum Besten gibt. Es soll all die Umwege und Stolperer der letzten Jahre als Teil eines Erkenntnisprozesses mit positivem Ausgang einbeziehen. An diesem Montagmorgen hat Dorgerlohs Optimismus verbreitende Losung noch etwas mehr ihre Berechtigung.

Endlich werden das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst im zweiten und dritten Geschoss des Humboldt-Forums übergeben, am Mittwoch folgt der offizielle Akt mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi. Ab Donnerstag dürfen alle kommen.

Durch die Staatlichen Museen als Vierte im Bunde neben der Stiftung Humboldt-Forum, der Humboldt-Universität und dem Stadtmuseum kommt der wichtigste Kulturneubau der Republik nach den Eröffnungen der anderen Player bereits im Sommer zu seiner eigentlichen Bestimmung. Denn mit den außereuropäischen Sammlungen mitten in Berlin war für die unselige Hülle ein doch noch überzeugender Inhalt gefunden, der dialektisch über die Rückwärtsgewandtheit einer rekonstruierten Preußenresidenz hinweghelfen sollte: Durch sie gibt sich Berlin global, die Welt und ihre Kulturen haben im Zentrum der Hauptstadt ihren festen Platz – ein auch politisches Bekenntnis.

Dass die Kolonialismusdebatte genau in dem Moment hochkochte, als eine sinnvolle Nutzung für die gewaltigen Stellflächen gefunden war, erwies sich sowohl als Glück wie Unglück für die Museen. Die bislang in Dahlem vor sich hindämmernden Bestände waren auf einmal in den Mittelpunkt einer Diskussion geraten, die das Selbstverständnis der gesamten Gesellschaft erfasste. Zugleich mussten sich die Macher Vorwürfe gefallen lassen: Provenienzforschung, kritische Hinterfragung der eigenen Bestände, Restitution waren viel zu lange vernachlässigt worden.

Der Fokus hat sich seitdem verändert. Mehr als die Objekte steht ihre Herkunftsgeschichte im Zentrum. Zumindest könnte man das an diesem Pressemorgen glauben, wo Stiftungspräsident Hermann Parzinger, Sammlungsdirektor Lars-Christian Koch und all die Kuratorinnen und Kuratoren auf dem Podium von fast nichts anderem sprechen: ein Museum unter Rechtfertigungsdruck. Doch wie viel findet sich davon in den Sälen des Westflügels, die nun als Erstes eröffnet werden? Der Ostflügel mit weiteren Beständen der beiden Sammlungen – darunter die Benin-Bronzen – folgt im Sommer 2022. Welche Häutungen haben die Museen gemacht? Das Ethnologische Museum im zweiten Stock präsentiert sich prachtvoller denn je.

Trapezförmige, dunkel eloxierte Vitrinen und alles schwimmt in Blau

Der Einstieg über Ozeanien sei empfohlen, ein pathetischer Auftakt. Trapezförmige, dunkel eloxierte Vitrinen der Ausstellungsarchitekten Ralph Applebaum Associates empfangen die Eintretenden monumental mitten im Raum. Alles scheint in einem Babyblau zu schwimmen, hier geht es um das Leben „In der Weite des Meeres“. Ein dreiteiliges Festkleid, feinst gewebte Bastmatten aus Samoa, Hüfttücher aus West-Neuguinea machen die Besucher:innen vor allem staunen.

Man könnte sich schwelgend verlieren, gäbe es nicht da und dort eine zeitgenössische Intervention wie das Foto von Greg Samu aus der Serie „Tomorrow we become Christians“, das in Leonardo-Manier „The Last Cannibal Supper“ zeigt. Eher zufällig stößt man am Rande der opulenten Inszenierung auf einen Aufsteller mit dem Wort Provenienz dick auf magentafarbenem Grund. Da war also doch noch was.

Der Text klärt darüber auf, welche Hoffnungen der hawaiianische König Kamehameha III. mit der Schenkung eines kostbaren Federmantels 1828 an Friedrich Wilhelm III. verband. Ob sie sich erfüllten, steht da nicht mehr. Die Angaben lassen unbefriedigt zurück, erst weiter hinten ist der herrliche Mantel aus Tausenden von roten und gelben Federn zu entdecken. Die Informationen wirken hastig nachgereicht. Zugleich verweisen sie darauf, dass die Forschung noch weitergeht, neue Erkenntnisse folgen könnten.

Es gibt noch Nachfahren des Luf-Volks

Gleich zwei solcher Überraschungsmomente erlebte das Ethnologische Museum mit dem Luf-Boot aus Deutsch-Guinea, seinem prominentesten Ausstellungsstück. Erst verdarb der Historiker Götz Aly die arglose Freude daran, indem er mit seinem gezielt terminierten Buch daran erinnerte, dass dieses vermeintliche Geschenk im Zusammenhang mit dem äußerst blutigen Vorgehen der kaiserlichen Truppen steht. In die Defensive gebracht, beauftragte das Museum einen örtlichen Filmemacher, vor Ort zu recherchieren.

Tatsächlich entdeckte er Nachfahren des offensichtlich doch nicht ausgerotteten Luf-Volks. In einer Videobotschaft macht das Familienoberhaupt den Vorschlag, dass man sich doch mal in Berlin das Boot und seine Bauweise anschauen könne, um die Technik wieder zu erlernen. Von Restitution keine Rede, von Groll keine Spur, bei Alexis von Poser, dem stellvertretenden Direktor, der das Video abspielt, ist Erleichterung zu spüren. Im riesigen Saal mit dem Luf-Boot muss man den dazugehörigen Aufsteller zur Provenienzgeschichte allerdings erst einmal finden.

Der berühmte Thron aus dem Königreich Bamum steht quer

Die Afrika-Abteilung des Ethnologischen Museums macht das anders. Hier enttäuscht zunächst die Präsentation der Bestände, die in den beiden Sälen Ozeaniens noch so beeindruckte durch die effektvolle Platzierung der Vitrinen, die zelebrierten Objekte. In der Sektion Afrika waltet bei der Inszenierung dagegen eine wenig glückliche Hand.

Auf den berühmten mit Glasperlen und Kauris bestickten Thron aus dem Königreich Bamum, ebenfalls ein Geschenk an den deutschen Kaiser, stößt man von hinten – kein sehr respektvoller Umgang. In der ansonsten lobenswerten Kindersektion gleich daneben wird spielerisch die Problematik des Kolonialismus erklärt. Nur wirkt das alles wie zusammengeschoben.

[Humboldt Forum, Mi–Mo 10–20 Uhr, Fr–So bis 22 Uhr. Eintritt frei.]

Das kuratorische Konzept überzeugt kaum, die Teile fallen auseinander. Wäre da nicht der nächste Raum, man würde sich ärgern. Doch da taucht mit einer Installation der Modeschöpferin Cynthia Schimming aus Namibia ein erfrischend anderer Ansatz auf. „Wir müssen mehr mit den Herkunftsgesellschaften reden“, hatte Parzinger sich selbst ermahnt.

„Zuhören üben wir noch“, ergänzte Andrea Scholz, Kuratorin für transkulturelle Zusammenarbeit, die zugleich auf schuldhafte Verstrickungen nicht nur im Museum, sondern bei so gut wie jedem Kleidungs- und Lebensmittelkauf heute verwies.

Cynthia Schimming war als Gast in Dahlem auf Spuren ihrer eigenen Geschichte gestoßen. Ihr neu interpretiertes Hererokleid, das daraufhin entstand, integriert Aufnahmen der Familie in seiner Schleppe. Das Schaudepot mit Erwerbungen fragwürdiger Sammler und Handelsreisender für das Museum gleich hinter ihrer Installation lässt ahnen, wie viele Geschichten noch zu erzählen wären. Die Museen stehen erst am Anfang.

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