
© Julia Terjung/Netflix
Netflix-Agentenkomödie mit Jella Haase: So hat sich „Kleo“ verändert
Jenseits von historischen Fakten setzt Netflix den Überraschungserfolg fort – mit mehr Action, aber auch mehr Nachdenklichkeit.
Stand:
Kleo Straub besaß die Lizenz zum Töten. Die ostdeutsche Stasi hatte sie als Jugendliche zur perfekten Auftragskillerin ausgebildet, die bei der Ausübung ihres Berufs mindestens so einfallsreich verfährt, wie man es in heutiger Zeit Putins Geheimdiensten zuschreibt.
Nach einem erfolgreichen Hit in West-Berlin wird Kleo jedoch mit fadenscheinigen Gründen von den Genossen in der DDR verhaftet und als angebliche Hochverräterin weggesperrt. Bei Misshandlungen im Knast verliert sie ihr ungeborenes Kind. Als sie nach dem Fall der Mauer durch eine Generalamnestie freikommt, begibt sie sich auf einen Rachefeldzug, der nur noch in Quentin Tarantinos „Kill Bill“ einen ebenbürtigen Vergleich findet.
Die Kurzwiedergabe der ersten Staffel der Netflix-Serie mit einer im Wortsinn umwerfenden Jella Haase („Fack ju Göhte“) mag an dieser Stelle verwundern. Für all diejenigen, die die international überaus erfolgreiche achtteilige Serie nicht gesehen haben, ist sie jedoch dringend geboten. Denn das Autorentrio Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad verzichtet in der Fortsetzung komplett auf eine zusammenfassende Rückblende.
An der Stelle eines „Was bisher geschah“ lässt das Autorentrio – auch bekannt unter der Abkürzung HaRiBo – zusammen mit Ko-Autorin Katharina Brauer zum Wachwerden gleich zu Beginn einen US-amerikanischen Botschaftswagen mitsamt Insassen vor dem Berliner Olympiastadion in einer gewaltigen Feuerwolke explodieren.
Die weibliche Attentäterin, bei der es sich nicht um Kleo handelt, schnappt sich dabei einen roten Lederkoffer – eine Anspielung auf das Utensil von Stasi-Chef Erich Mielke. Das auffällige Gepäckstück spielte bereits in der ersten Staffel eine Dauer-Rolle. In der Fortsetzung hängt am Koffer, respektive dessen Inhalt, die Zukunft Europa. Es geht um nichts weniger als die Neuordnung des Alten Kontinents nach dem Ende des Kalten Krieges.
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In den sechs Episoden der zweiten Staffel ist der Netflix-Serie erneut nichts heilig. Das gilt besonders für historische Fakten. Die Zeit zwischen dem Fall der Mauer im November 1989 und der Wiedervereinigung im Oktober 1990 hat in der ehemaligen DDR mitunter anarchische Freiräume geschaffen. Die Macher der Streamingserie (Regie: Isabel Braak und Nina Vukovic) nutzen diese ungehemmt, um ihrer Fantasie so richtig die Sporen zu geben.
Zu jeder Geschichte lässt sich über eine alternative Realität fabulieren. Was also spricht gegen ein Szenario, bei dem nicht der Westen, sondern der Osten als Gewinner vom Platz gehen könnte. Die extravaganten Outfits der 80er Jahre sowie die schrillen Inneneinrichtungssünden dieser Zeit in Ost und West wirken für dererlei Fantastereien wie ein Katalysator.
Schrille Frisuen, knallbunte Tapeten
Dabei ist diese Zeit des Umbruchs an sich schon explosiv genug. Man denke nur an die eingangs erwähnte Autobombe. Während Kleo bei ihrer Vendetta nach weiteren Drahtziehern für den Verrat an ihr sucht, tobt ein weiterer Kampf – mit Kleo zwischen allen Fronten.
Die Stasi mag sich in Auflösung befinden, verdiente Genossen mögen für Valuta sämtliche Prinzipien über Bord werfen, doch für den KGB gilt dies trotz eines Michail Gorbatschow nicht. Und erst recht nicht für den allmächtigen US-Auslandsgeheimdienst CIA. Eines verbindet alle Seiten: Sie sind scharf auf den roten Koffer – und Kleo Straub ist ihnen dabei im Weg.
Kleo lässt sich davon allerdings nicht beirren. Sie sucht sich zielstrebig ihren mit Leichen gepflasterten Weg. Gegen die bestens ausgebildete Profi-Killerin ziehen ihre Widersacher stets den Kürzeren. Allerdings stellen sich auch beim sonst so eiskalten Racheengel diesmal vermehrt nachdenkliche Momente ein. Dann quälen sie Fragen, wer sie wirklich ist. Und vor allem, welche Rolle ihre Eltern dabei gespielt haben. Denn sie merkt immer mehr, dass vieles von dem, was man ihr erzählt hat, nicht stimmen kann.
Leichen pflastern ihren Weg
Doch nicht nur in ihrer Vergangenheit gibt es ungeklärte Gefühle. Denn Sven Petzold – famos gespielt von Dimitrij Schaad („Die Känguru-Verschwörung“) – lässt nicht ab von ihr. Der ebenso tollpatschige wie quirlige West-Berliner Ex-Polizist will Kleo helfen. Diesmal geht es bis nach Belgrad und Moskau.
Dabei hat er keine Ahnung, worum es bei diesem Kampf wirklich geht, in dem sogar eine Margot Honecker mit Blauhaarfrisur mitmischt. Und plötzlich steht noch ein Jugendfreund von Kleo aus längst vergessenen Tagen mit seinem Simson-Moped vor der Tür.
Doch kann die zweite Staffel so überzeugen wie die Neuentdeckung vor zwei Jahren? Bei der Fortsetzung entfällt zwangsläufig die Überraschung beim Kennenlernen von Kleo, die der „Guardian“ gar als „German Killing Eve“ bezeichnete. Die zweite Staffel versucht dies durch noch mehr Action und etwas mehr Nachdenklichkeit auszugleichen. Die irrwitzig überdrehte Story erschwert dabei den Einstieg etwas, doch es lohnt sich dranzubleiben. Denn nur dann hat Netflix einen Grund, „Kleo“ zur Trilogie werden zu lassen.
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