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Dauerbrenner. Dirk Zöllner will immer wieder raus auf die Bühne - und vom Leben erzählen, wie es sein könnte

©  Doris Spiekermann-Klaas

Dirk Zöllner und seine Band feiern Doppeljubiläum: Auf zu den Glücksinseln

Im Herzen ist er immer ein Hippie gewesen: Dirk Zöllner war einer der wenigen Soulmusiker des Ostens - und er schaffte es, mit seinen Bands Die Zöllner und Die 3 Highligen nach der Wende auch im Westen Fuß zu fassen. Weil er viel auftritt, kann er von seiner Musik leben. Zum 50. Geburtstag hat er sich jetzt eine Autobiografie geschenkt

Irgendwann Mitte der Neunziger im Tränenpalast am Bahnhof Friedrichstraße: der Erstkontakt. Ganz zufällig hineingeraten, von irgendwem mitgenommen. Die Zöllner heißt die Band des Abends, „Bumm Bumm“ deren neues Album. Keine Ahnung, was die machen, nie von denen gehört. Soll irgendeine Ostband sein. Und dann das: fetter Sound, funky Beat, schneidende Bläserriffs und ein schicker Sänger, der auf Deutsch überraschend soulige Tanznummern und Balladen singt. Die Band ist heiß und der Mann seiner Zeit voraus, denn von deutschem Soul hat da – mal abgesehen von Edo Zanki – noch kein Mensch was gehört. Und von Ost-Soul noch gleich gar nichts. Die DDR ist da zwar schon längst hinüber, aber Dirk Zöllner, der so ziemlich einzige Funker, den sie hervorgebracht hat, macht immer noch Musik – als Bandleader, Sänger, Songschreiber. 2012 ist sein Jubiläumsjahr. Er wird 50 und die 1987 gegründete Band Die Zöllner 25, was mit Autobiografie, Album und Konzerten angemessen gefeiert wird.

Irgendwann Ende Januar: wieder beim Zöllner-Konzert. Diesmal absichtlich. Die Leute, die in die Passionskirche am Marheinekeplatz strömen, tragen kalte Schneeflocken im Haar und warmes Sehnen im Herzen. Umarmen, Geplauder, Klassentreffenatmosphäre. Drei vornehmlich im Osten unter dem Namen Die 3 Highligen bekannte Musikerhelden geben das von drei Generationen umjubelte Abschlusskonzert ihrer Tour: André Herzberg, Dirk Michaelis und Dirk Zöllner. Gitarren, Keyboard, Balladen, ja, aber von Funk und Soul keine Spur. Dafür hängt unsichtbar das schlimme Wort „Ostrock“ in der Luft. Es steht Dirk Zöllner und seinen sowohl musikalisch als auch optisch frisch gebliebenen Kollegen allerdings ausnehmend gut.

Vor ein paar Tagen dann: Treffen im Café Zebrano in Friedrichshain. Dirk Zöllner hat’s nicht weit, er ist schon da. „Die fernen Inseln des Glücks“ heißt seine jetzt erscheinende Autobiografie. Der Titel zitiert den traurig-tollen Zöllner-Song „Immer einer“. Der ist 1996 erschienen, genau, auf dem Album „Bumm Bumm“. Der Kreis ist rund. Und Dirk Zöllner steckt das Wort Ostrocker inzwischen ganz und gar gelassen ein. In der DDR sei das ein abfälliger Begriff für peinliche Bands gewesen, sagt er, dann reine Ostalgie, aber inzwischen trüge er ein ganz neues Selbstbewusstsein. „Da steckt die spielerisch-provokante Abgrenzung der Minderheit drin, so ein bisschen Partisanentum.“ Lustig daran: Als Bands wie City oder Karat die großen DDR-Stars waren, ist Dirk Zöllner aber eigentlich noch ein Newcomer. Obwohl er er ein paar Titel im Radio laufen hat und auch schon viel aufgetreten ist, mit seiner ersten, auch in Dieter Schumanns Musikdokumentation „Flüstern und Schreien“ verewigten Profiband Chicorée und dann mit den Zöllnern. Er grinst. „Posthum bin ich dann Ost-Star geworden.“ Da hat die Zeit, „die alte Sau“, wie er sie im ersten Satz seiner unverblümt und flapsig geschriebenen Biografie nennt, doch mal einen interessanten Effekt erzeugt.

Überhaupt sind Zeit und Leben ganz freundlich zu dem Jungen aus Karlshorst, dem als Kind liebreicher, lockerer und linker Eltern nicht viel anderes übrig bleibt, als selbst so zu werden. Zumindest wenn man Zöllners Buch glaubt.

Der schwarze Soul, die Seelenmusik, kommt über Muttis Liebe zu Otis Redding zu ihm. „Das war reines Gefühl.“ Sich so hingeben, so absolut gelöst durch die Wohnung tanzen wie sie, das will der Sohn auch. Bis heute. „Ich glaube immer noch, dass Musik die größtmögliche Form von Freiheit ist“, sagt Dirk Zöllner. Die Schule, die Lehre im Betonwerk, die Armeezeit – das passiert irgendwie. Ist alles längst nicht so wichtig wie die Musik. Erst kommt sie, dann alles was sonst noch berauscht: Freunde, Frauen, später Kinder und – ganz wichtig – Rotwein und ein, zwei andere Drogen.

Es ist so, wie es sich anfühlt, liest und auf dem neuen, frei zwischen Soul, Deutschpop, Weltmusik flottierendem Album „Uferlos“ anhört: Dirk Zöllner ist ein Hippie. Liebessüchtig, liebesvoll, gelegentlich auch selbstverliebt. „Klar, Ostdeutschland war ein Hippieland“, sagt er. Ach nee, wieso? „Weil man in bestimmten Nischen fast ohne Geld überleben konnte.“ Das hat ihn allerdings nicht davon abgehalten, zu den Unterstützern der staats- und parteikritischen Künstlerresolution im September ’89 zu gehören.

Als die Mauer fällt, zaudern Die Zöllner nicht und fangen gleich an, im Westen zu spielen. Der Ostkünstler-Karriereknick bleibt aus, der Riesenreichtum allerdings auch. Zöllner zuckt die Achseln. „Ich habe nie in meinem Leben Ersparnisse gehabt.“ Immer wenn er gut verdient, etwa als Hauptdarsteller im Musical „Jesus Christ Superstar“, gibt er die Kohle für eine Tour oder ein Album aus. Auch das neue, das am 11. Mai bei Edel erscheint, ist selbst produziert. Schön, freut sich Zöllner, aber ohne Label wär’s auch gegangen. „Wenn man den Ball flach hält und viel auftritt, kann man von Musik leben.“ Genau das macht er – mit Die Zöllner, den 3 Highligen oder der Konzertreihe „Café Größenwahn“. Im Gegensatz zur Nachwendezeit aber wieder meist im Osten. Warum? „Ist zwar albern, aber wahr: Da kommen mehr, das rechnet sich besser.“

Ein klarer Fall von Wessi-Verblendung, wenn man das facettenreiche Album hört, bei dem Leute wie Xavier Naidoo, Regy Clasen oder Edo Zanki mitsingen. Dirk Zöllner mag nun mal nicht stagnieren. Persönlich nicht und künstlerisch nicht. „Nur wo das Fremde ist, da ist der Spaß.“ Und ja, reichlicher Alkoholkonsum sei für ihn ein Weg, um Euphorie und andere Wahrheiten zu finden. Immer nur darüber reden, wie das Leben oder diese Gesellschaft sind – das kann’s nun wirklich nicht sein. „Ich habe keine Lust, dieser Langeweile zu dienen. Künstler müssen aussprechen, wie es sein könnte!“ Und ihre Seelenmusik dazu spielen.

Konzert: Dirk Zöllners „Café Größenwahn“, Kulturbrauerei, 8. März, 20 Uhr; Buch: „Die fernen Inseln des Glücks“ erscheint am 9. März im Verlag Neues Leben

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