zum Hauptinhalt

Kultur: Aus dem Diskurs geklinkt

Vor zwei Jahren übernahm die Berliner Kunstzeitschrift "neue bildende kunst" (nbk) das Kunstheft Zyma - nun droht sie selbst zu verschwinden.Doch die Macher in Berlin-Mitte wehren sich gegen den Eindruck, das Heft könnte ihnen endgültig aus der Hand genommen werden.

Vor zwei Jahren übernahm die Berliner Kunstzeitschrift "neue bildende kunst" (nbk) das Kunstheft Zyma - nun droht sie selbst zu verschwinden.Doch die Macher in Berlin-Mitte wehren sich gegen den Eindruck, das Heft könnte ihnen endgültig aus der Hand genommen werden.Bis Juni sei die Auslieferung gesichert, danach alles offen."Wir wissen nicht, wie es weitergeht", sagt Reakteurin Katrin Wittneven."Wir sind gekündigt, wollen aber weitermachen und verhandeln mit verschiedenen Verlagen und Institutionen."

Die Zeitschrift wurde 1946 von Karl Hofer und Oskar Nerlinger unter dem Namen "bildende kunst" gegründet und nach kurzer Pause ab 1953 vom Verband bildender Künstler der DDR weitergeführt.1990 übernahm der Henschel-Verlag die Geschicke, worauf der heutige Vize-Präsident der Akademie der Künste, Matthias Flügge, und der Kunsthistoriker Michael Freitag in eigener Regie das Magazin der marktorientierten Situation anzupassen suchten, mit Anschubfinanzierung der Stiftung Kulturfonds 1991 die ersten Hürden übersprangen und das Unternehmen Gordon & Breach als Finanzier ins Boot holten.Jetzt zieht sich dieser Verlag zurück.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, haben sich Kunstzeitschriften aus dem Diskurs der Gesellschaft ausgeklinkt und pflegen das gegenseitige Schulterklopfen einer ausmanövrierten Gemeinschaft.Alle Debatten zur Kunst der letzten Jahre gingen nicht von Kunstzeitschriften, sondern von Tageszeitungen aus - mehr noch, die profundesten Beiträge zu diesen Debatten standen ebenso in Tageszeitungen.Was zeichnet eine gute Kunstzeitschrift aus? Unbestechlichkeit, Darstellungswitz und eine gesunde Mischung aus entdeckerischem Gespür und Traditionsbewußtsein.Das ist unter Bedingungen, die die Existenz an Marktakzeptanz knüpft, viel verlangt.Zeitschriften brauchen Inserenten.Und wer inseriert, gibt mit dem Inserat oft eine Empfehung an die Redaktion für Rezensionen und Portraits ab.Galerien, Künstlern und Kuratoren ist allein an der Verbreitung ihrer Interessen gelegen.Selbstdarstellung im Interview ist ihnen am genehmsten.

Dieser Trend zur Personalisierung der Kunstbelange deckt die überall gratis ausliegende, von Lindinger + Schmid in Regensburg hochprofessionell gemachte "Kunstzeitung" am konsequentesten.Kritische Analysen ohne Ansehen der Person stören da nur.Gefragt sind Klatsch und Bonmots.Deshalb hat sich eine Vielzahl der Kunstvereine und Museen für die Unterstützung der aus dem Anzeigenvertieb lebenden "Kunstzeitung" entschieden und ihre Anzeigen von Kunstzeitschriften mit kritischen Neigungen abgezogenen."Wir bekommen jetzt Anrufe von Museumsleuten und Kunstvereinsleitern, die uns das Beileid aussprechen", sagt der Chefredakteur der nbk, Michael Freitag."Wo habt ihr inseriert?, frage ich dann nur." Der Vorsitzende des Verbandes der Kunstvereine, Stephan Berg, wolle, so Freitag, zur konzertierten Aktion für die nbk aufrufen.Gleichzeitig gibt es Gespräche mit dem Berliner Senat und verschiedenen Unternehmen, um eine Mischfinanzierung auf die Beine zu stellen.

Aus einem länderübergreifenden Blickwinkel erscheint die nbk als Regionalmagazin im Wettbewerb mit dem quicklebendigen "Kunst-Bulletin" aus Zürich, dem enzyklopädischen und katalogbuchdicken Kölner "Kunstforum", der theorieorientierten Zeitschrift "Texte zur Kunst" ebenfalls aus Köln und der vom österreichischen Kulturministerium finanzierten "springerin" aus Wien.Darüber steht das immer wieder junge "Art" aus dem Hamburger Großverlag Gruner + Jahr mit fast drei Mal so hoher Auflage wie die vorgenannten Zeitschriften zusammen.Unersetzbar sind nur diejenigen, die einen länderübergreifenden Dialog mit jeweils punktueller Perspektive aufrechterhalten, so daß Interessierte in Berlin wissen, was in New York läuft und welche Künstler aus Tokyo gerade angeschoben werden.Die auch von der nbk ausgiebig bejubelten Berliner Galerien sind nicht in der Lage, die nbk am Leben zu halten.Warum das so ist, sollte geklärt sein, bevor die Redaktion neuen Anlauf nimmt.Denn ist nur eines sicher: wenn die Redaktion weitermacht, dann nicht wie bisher.

PETER HERBSTREUTH

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false