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Rainald Goetz bei der Vorstellung der neuen Ausgabe der Zeitschrift für Ideengeschichte.

© ©MAURICE WEISS/OSTKREUZ/©Maurice Weiss/Ostkreuz

Aus dem Feuilletonbetrieb: Wenn Rainald Goetz auftritt, kommen immer alle

Der Berliner Schriftsteller liebt die Kulturseiten der Zeitungen, und die Kulturredaktionen lieben ihn - und versichern sich ihrer selbst bei seinen Lesungen.

Gerrit Bartels
Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Stand:

Es war vergangene Woche ein großes Ereignis, als der Schriftsteller Rainald Goetz nach langer Zeit mal wieder einen öffentlichen Auftritt hatte; zumindest ein Ereignis im Feuilleton. Goetz hielt am Wissenschaftskolleg Berlin eine Blattkritik der neuen Ausgabe der „Zeitschrift für Ideengeschichte“, für die er selbst einen Beitrag geschrieben hatte – und (fast) alle waren da.

So wie Ende der neunziger bis ungefähr Mitte der nuller Jahre immer ALLE da waren in Mitte, Charlottenburg oder Kreuzberg, im Eggers & Landwehr-Café, in der Galerie Wiensowski, der Galerie berlintoyko oder im Myslyvska, natürlich auch Rainald Goetz selbst.

Unter einer Decke versteckt

Bei den Auftritten von Goetz wiederum in jener Zeit und später waren selbstredend ebenfalls immer ALLE da. Als er beispielsweise in einem Hinterhof in der Kreuzberger Oranienstraße sein „Klage“-Buch vorstellte. Oder er im einstigen Suhrkamp-Haus in der Pappelallee sein Fotobuch „Elfter September 2010“ präsentierte. Oder er im Hörsaal 1b der Rostlaube seine Antrittsvorlesung als Gastprofessor hielt.

Oder, unvergesslich, ebenfalls noch in der Pappelallee, der Suhrkamp Verlag seinen „Johann-Holtrop“-Roman vorstellte und, großer Moment, Goetz eine Stunde lang mit einer Decke verhüllt unter einem Schreibtisch kauerte, bevor er eine Passage las.

Natürlich hat es seinen Grund, dass bei Goetz immer alle waren und weiterhin sein werden. Sein Werk speist sich passagenweise aus dem Feuilleton, aus Events, bei denen vielleicht nicht immer alle, aber doch viele waren. In seinem „Ideengeschichte“-Text streift er in seinem Arbeitszimmer all die vielen Zeitschriften, die mit dem Feuilleton zu tun haben (lustigerweise auch das „Deutsche Ärzteblatt“, inzwischen ein Schatten seiner selbst).

Goetz erkennt hier noch einmal „Personen und ihre Werke (...), die nicht mehr ganz im Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit stehen.“ Das aber gilt genauso für die jeweiligen Publikationen und das unter Druck geratene Zeitungsfeuilleton. Es kämpft um Aufmerksamkeit, Platz und Relevanz, um Klicks, die es naturgemäß nie in der Größenordnung bekommt wie Texte über Corona, den Krieg in der Ukraine oder Boris Becker. Wenn der Feuilleton-Addict Rainald Goetz auftritt, vergewissert sich das Feuilleton stets seiner selbst.

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