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Ursula Sax: Textilskulptur (230 x 117 x 25 cm) aus dem Jahr 2005

© Ursula Sax/VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: Galerie Semjon Contemporary / Eric Tschwernow

Aus Stoff oder Seife: Arbeiten der Berliner Künstlerinnen Ursula Sax und Renate Hampke

Die Galerie Semjon Contemporary feiert die 90. Geburtstage der Künstlerinnen Ursula Sax und Renate Hampke mit einer gemeinsamen Ausstellung.

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Für Wandzeichnungen verwendet Renate Hampke dicke, schwarze Linien aus Gummi. Ihre plastischen Formen vollziehen sanfte Kurven in der Galerie Semjon Contemporary und arrangieren sich zu Tableaus, die an geometrische Muster oder Buchstaben erinnern.

Dass es sich tatsächlich um gebrauchte Fahrradschläuche handelt, merkt man an den schmalen Ventilen, die vertikal aus dem Gummi ragen – Hampke, die seit 1980 in Berlin lebt, geht mit der Herkunft ihrer Materialien entspannt um. So dauert es auch nicht lange, bis sich die Körper ihrer insektenhaften Objekte, die an straff gespannten Leinen aus Metall hängen, als Seifenstücke entpuppen. Benutzt natürlich, sodass jedes von ihnen anders aussieht.

Intime Reste

Manche sind vom Händewaschen dünn und transparent geworden und ähneln farbigen Edelsteinen. Die Künstlerin sammelt sie bei Freunden ein. Doch selbst, wenn man das nicht weiß, spiegeln die Alltagsobjekte ein Stück persönliche Geschichte. Hampke nennt sie „intime Reste“ und bringt die eigentümliche Schönheit ihrer Kunst damit auf den Punkt.

Mit Blick auf die Arte Povera, einer Kunstrichtung, die ab den 1960er Jahren bewusst einfache, teils ärmliche Werkstoffe verwendete, schafft die Künstlerin fragile Installationen. Ihre Arbeiten changieren zwischen konkreter und abstrakter Zeichenhaftigkeit. Das Thema Zeit spielt ebenso eine Rolle wie das Handwerkliche, das immer durchscheint.

180 Jahre Kunst

Das ist jedoch nicht der einzige Grund, weshalb Galerist Semjon Semjon Renate Hampke zusammen mit Ursula Sax in einer Ausstellung zeigt. Beide Künstlerinnen sind inzwischen 90, zusammengerechnet ergibt ihr Alter jene „180 Jahre“, die der Schau ihren Titel geben. Eine umwerfende Kombination, denn auch Sax spielt mit räumlicher Wirkung und Handarbeit.

Stoff und Papier sind dominant in ihrem Werk, auch wenn ihre bekannteste Plastik „Looping“ von 1987 am ICC aus Stahl besteht; mit fortschreitender Zeit konzentriert sich die Künstlerin auf umgänglichere Materialien. Bestes Beispiel für die Ausdruckskraft ihrer Arbeit sind drei jüngst entstandene Reliefs – Blätter, auf denen Sax mithilfe in Streifen gerissenen Papiers dreidimensionale Gitterstrukturen entstehen lässt. Die Streifen kreuzen und überschneiden sich, nicht immer sind ihre Spuren nachvollziehbar.

Hier wiederholt sich, was die Künstlerin vor zwei Jahrzehnten in ihrer großen Textilskulptur realisiert hat: Auf über zwei Metern windet sich der Nesselstoff, bildet Schlaufen, Knotenpunkte und Strukturen. Das Ganze wirkt wie eine zerfetzte Leinwand, was auch hier auf künstlerische Vorgänger wie Lucia Fontana, dessen zerschnittene Bildoberflächen ebenfalls locker der Arte Povera zugeordnet werden.

Ursula Sax und Renate Hampke entstammen einer Generation, in der Digitalität ein untergeordnetes Thema – und höchstens etwas für Pionierinnen der Medienkunst wie etwa Vera Mólnar – war. Stattdessen zählten Sinnlichkeit wie auch die Unmittelbarkeit des Eindrucks. Beides prägt die formal unterschiedlichen Werke der beiden Künstlerinnen.

Und auch wenn das preisliche Gefälle ganz schön groß ist – Hampkes Installation der Seifeninsekten kostet 2800 Euro, die Textilskulptur von Sax mehr das Doppelte –, feiern beide die Stofflichkeit in ihrer Schau für die Sinne.

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