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Dreimal Max Liebermann. Die Fotografie fertigte Fritz Eschen um 1930 in Liebermanns Atelier am Pariser Platz an.

© Berlinische Galerie, Repro: Anja Elisabeth Witte

Ausstellung in der Berlinischen Galerie: Maler, Fliegerinnen und kaputtes Berlin

Von Max Liebermann über Elly Beinhorn bis zu den vernarbten Füßen von Straßenkindern. Eindrucksvolle Fotos von Fritz Eschen in der Berlinischen Galerie

Max Liebermann hat sich fest im Blick. Der Maler sitzt auf einem schmalen Klappstuhl, Palette in der Linken, Pinsel in der Rechten. Sein Stuhl steht vor einem Selbstbildnis, das Liebermann intensiv mustert. Und das gleich doppelt.

Denn auf Liebermanns linker Seite ragt ein Spiegel empor. Auch Max Liebermanns Spiegelbild scheint von Leinwand-Liebermann gar nicht genug bekommen zu können. Und wohin schaut der? In die Kamera – und zu uns.

Diese Kamera gehört Fritz Eschen. Selbstbewusst, eigensinnig und mit feiner Ironie porträtiert der Fotojournalist den 1930 bereits hochbetagten Maler als Künstler im Vollzug. „Dreimal Max Liebermann“ sei sein Lieblingsbild, sagt Eschen 1947.

Die Eschen-Schau ist Produkt hauseigener Nachwuchsförderung

Das Porträt ist Teil einer Ausstellung in der Berlinischen Galerie, ein Produkt der hauseigenen Nachwuchsförderung. Ein Jahr lang hat der Kunsthistoriker Maximilian Westphal, finanziert durch das Thomas-Friedrich-Stipendium für Fotografieforschung, die Bestände des Berliner Fotografen gesichtet.

Herausgekommen ist neben einer fotohistorischen Forschungsarbeit eine Ausstellung mit gut drei Dutzend Bildern. Die Galerie präsentiert sie in einem nüchtern blaugrau gestrichenen Raum mitten in der Dauerausstellung.

Fritz Eschen, Mädchen und Junge vor einer Litfaßsäule.
Fritz Eschen, Mädchen und Junge vor einer Litfaßsäule.

© SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Fritz Eschen, Repro: Anja Elisabeth Witte

"Fritz Eschen - Porträts eines Bildjournalisten" liefert einen Überblick über ein Werk, das sich über knapp fünf Jahrzehnte streckt. 1900 geboren, etabliert Eschen sich in den späten 20er Jahren als Pressefotograf. Die Bilder aus dieser Zeit sind Zeugen einer Gesellschaft, in der Technik und menschlicher Entdeckergeist eine goldene Zukunft verheißen.

Zu seinen erfolgreichsten Bildern gehören glorifizierende Aufnahmen wie "Das Gesicht der Fliegerin", das die Flugpionierin Elly Beinhorn in vollem Pilotinnenornat in den Himmel blicken lässt.

Eschen stammt aus einem jüdischen Elternhaus. Nach Hitlers Machtergreifung wird es für ihn zunehmend schwierig, seine Bilder zu Geld zu machen. Eschen verlegt sich auf eher sachliche Stadt- und Landschaftsaufnahmen. Nach Meinung Westphals auch eine indirekte Distanzierung vom unmenschlichen Umgang des Regimes mit der jüdischen Bevölkerung. Als Mann einer „Arierin“ entkommt Eschen selbst der Tötungsmaschinerie. Seine erste, jüdische Frau und der gemeinsame Sohn sterben in den Lagern.

Er porträtiert Hermann Hesse und Renée Sintenis

Nach dem Krieg fotografiert Eschen viel Beschauliches, süddeutsche Landschaften und heimelige Kleinstädte. Die Illustrationsaufnahmen sichern Eschens Lebensunterhalt. Unter seinen Fotografien finden sich aber auch wieder Porträts, von Le Corbusier, Hermann Hesse oder Renée Sintenis. Mit der Handkamera hält Eschen das kriegszerstörte Berlins fest.

Fritz Eschen: Sonnenstrahlen im Hauptbahnhof Frankfurt am Main, vor 1945
Fritz Eschen: Sonnenstrahlen im Hauptbahnhof Frankfurt am Main, vor 1945

© Berlinische Galerie, Repro: Anja Elisabeth Witte

Nüchtern und schonungslos zeigt er die dreckigen, vernarbten Füße mehrerer Kinder auf einem gesprungenen Kachelboden. Zwei junge Frauen in schicken Pelzmänteln lesen in einer Zeitschrift. An der Wand hinter ihnen steht "Für Juden verboten".

Die Ausstellung liefert einen Überblick der wichtigsten Stationen in Eschens Fotografenlaufbahn. Das hat seinen Preis. Die kleine Schau in der Berlinischen Galerie hetzt durch die Jahrzehnte. Auswahl und Anordnung der Bilder mäandern ohne ersichtliche Logik zwischen chronologischer und thematischer Reihung.

[Berlinische Galerie, Alte Jakobstr. 124-128, Mi bis Mo 10 – 18 Uhr.]

Dafür kann sie Eschens Fotografien erstmals in einen biografischen und werkhistorischen Zusammenhang stellen. Drei Kontaktbögen mit Bildern Hermann Hesses geben etwa Einblick in sein Arbeiten mit Mensch und Kamera. Am Morgen klemmt sich der Autor steif und unwohl in seinen Arbeitsstuhl, beim Schnack mit seiner Frau schleicht sich ein erstes Lächeln ins Gesicht. Abends sitzt Hesse dann ganz entspannt vor seiner Bücherwand. Eschen ist es Zeit seines Lebens wichtig, eine Verbindung mit seinen Protagonisten und ihrem Alltag aufzubauen.

So auch bei "Dreimal Max Liebermann". Das Bild hängt unmittelbar neben dem Durchgang zur Dauerausstellung. Und dort lockt passenderweise schon der vierte: Max Liebermanns Selbstbildnis von 1912.

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