
© You Know That You Are Human @ POINTS of RESISTANCE V
Ausstellung in der Zionskirche: Der Strand in Odessa, jetzt ganz leer
Ukrainische Fotokunst, Skulpturen und Videos: die Orgelempore in der Zionskirche wird über Weihnachten zum Zufluchtsort für Kunst.
Stand:
Es gibt unzählige Geschichten zu dieser Ausstellung. Zum einen weil es eigentlich zwei Ausstellungen sind, die hier ineinanderfließen, zum anderen weil die Kunst hier grundlegende Themen berührt, an diesem symbolträchtigen, für die Friedliche Revolution so wichtigen Ort: der Zionskirche in Prenzlauer Berg.
Die Galeristen und passionierten Kunstvermittler Constanze Kleiner und Stephan von Wiese, haben ihre Ausstellungsreihe „Points of Resistance“ während der Coronazeit in der Zionskirche gestartet. In der neuen Ausgabe arbeiten Künstler:innen aus der Ukraine mit Berliner:innen zusammen.
Im Hauptraum der Kirche wird grade der Boden saniert. Kleiner und von Wiese konnten den Pfarrer der Gemeinde überzeugen, trotz Renovierungsarbeiten und Schließung die Orgelempore für die Ausstellung nutzen zu dürfen. So ist die Kirche nun auch über die Weihnachtstage zugänglich. Und wenn die Besucher:innen dieses Mal nicht wegen des Gottesdienstes kommen sondern wegen der Kunst, offenbaren sich die Gemeinsamkeiten zwischen Religion und Kunst vielleicht von ganz allein.
Die lichtdurchflutete Orgelempore mit den hohen, buntverglasten Kirchenfenstern und den charmant abgeblätterten Mauerwerk ist ein idealer Ort für Kunst. Beim Hineiengehen sieht man Zeichnungen, die die Künstlerin Sofia Golubeva vom sonst gut besuchten Strand in Odessa gemalt hat. Jetzt kann er wegen möglicher Minen nicht mehr betreten werden. Was bleibt sind die widerspenstigen Strandpfalnzen und Metallkonstruktionen aus alten Sowjettagen, die früher – mit Platten belegt – als Sonnenliegen genutzt wurden. Jetzt sind sie alt und würden zusammenkrachen, wollte man sie nochmal nutzen.
In der Mitte des Raumes, an Bauzäune geheftet, sind Fotoarbeiten 21 ukrainischer Küstler:innen zu privaten und gesellschaftlichen Themen. Kuratorin Kataryna Filyuk hat die Ausstellung ursprünglich 2019 für Kiew vorbereitet, wo sie dann in Folge des Krieges nicht mehr gezeigt werden konnte. Zahlreichen Unterstützern ist es zu verdanken, dass die Schau nun in Teilen in Berlin präsentiert wird.
55 Künstler:inne stellen in der Zionskirche aus
Bemerkenswert ist unter anderem das Porträt einer androgynen Person von Maryna Frolova. Alexander Chekmenev fotografierte improvisierte Fotostudios in Luhansker Wohnungen. 1994 sollten in der Ukraine innerhalb eines Jahres alle sowjetischen Pässe durch neue ukrainische ersetzt werden, weshalb Fotografen, unter anderem Chekmenev selbst, zu alten und kranken Bürger.innen nach Hause geschickt wurden um Passbilder zu machen.

© Sofia Golubeva
Zu den Fotografien gruppieren sich Skulpturen, Bilder und Videos von Berliner und internationalen Künstler:innen. Die Bodenarbeit von Caroline Shepard zeigt eine Collage aus nackten Frauenkörpern. Man muss die Frauenleiber mit Füßen treten, wenn man die Arbeiten dahinter richtig anschauen will. Fühlt sich falsch an, ist aber von der Künstlerin so gewollt, als Geste des Widerstands gegen die verschärften Abtreibungsgesetze in den USA.
In Nina E. Schönefelds Videoarbeit „Why Do We Kill“ wird das Phänomen der Gewalt mit den Grundprinzipien des Kapitalismus kurzgeschlossen. Sofiia Yesakova aus Kiew, beschäftigt sich in ihren Zeichnungen mit den abstrakten, technischen Codes des Krieges. „Cargo-200“ bezeichnet im Militärjargon etwa den Transport toter Soldaten in Zinksärgen.
In nüchternen, cleanen Zeichnungen versucht Yesakova, die in Berlin in der Künstlerkommune „Ukrainian Cultural Community“ wohnt, die Ungeheuerlichkeit der kriegerischen Gewalt begreifbar zu machen. Kunst kann dazu beitragen, mit den Widersprüchen des Lebens umzugehen; und sei es nur, sie der Klarheit halber einmal in anderem Licht wahrzunehmen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: