zum Hauptinhalt
Begegnung im Besuchsraum. Die Bilder der Polaroidserie „When Dad Comes Home“ entstanden 2018.

© Larry W. Cook

Ausstellung Larry W. Cook: Grüße aus dem Knast

Mit einer Ausstellung des afroamerikanischen Fotografen Larry W. Cook verabschiedet sich die Galerie Weiss aus Berlin.

Zwei Schwarze drehen mit einer Luxuslimousine einen nächtlichen Breakdance auf regennassem Asphalt. Die Wagentüren sind wie Engelsflügel hochgeklappt. Am Rande klatschen Hip-Hopper. „I have a dream“, singt der Beifahrer wie ein Mantra das berühmte Wort von Martin Luther King.

Der Traum von der Gleichberechtigung der Afroamerikaner als Video, wobei man auch von einem Statussymbol wie dem Auto träumen darf. Am Schluss des Clips rollt ein Junge in einem Mini-Elektrogefährt vorbei.

Larry W. Cooks sozialkritisches Werk umfasst Fotografie, Video- und Konzeptkunst, in denen der Weiße ausgeblendet ist. Er spürt der schwarzen männlichen Identität nach, seine Arbeiten sind in Zeiten von verstärkten Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt hochaktuell.

Der mehrfach ausgezeichnete Afroamerikaner, Jahrgang 1986, der seine Karriere als Clubfotograf begann, lehrt heute an der Howard University in Washington. Traditionell afroamerikanisch, ist sie heute jedem zugänglich.

In der Serie „Fatherhood“ von 2018 nahm Cook Väter mit ihren Kindern auf, um eine wichtige zwischenmenschliche Beziehung im Kontext von schwarzer Männlichkeit dazustellen. Unter freiem Himmel steht ein Vater, flankiert von seinen beiden erwachsenen Söhnen. Zu Füßen der Gruppe das gerahmte Foto eines Verwandten, vielleicht dem verstorbenen Großvater.

Die Armbanduhr am Handgelenk der Männer symbolisiert das Verstreichen der Zeit. Auf einem anderen Bild rasiert der Vater seinem Sohn die Haare. An der Wand hängt eine Zeichnung eines älteren Manns mit Baseballmütze. Drei Generationen sind jeweils vereint, mit ihnen verändert sich auch das schwarze Selbstverständnis.

Farbporträts von Männern mit ihren Familien

Um Vaterschaft geht es auch bei „When Dad Comes Home“ (2018): Farbporträts von Männern mit ihren Familien. Scheinbar unverfängliche Bilder. Doch Cook benutzte hier sein eigenes Archiv von Fotos aus fremder Hand. Sie entstanden als Polaroids, meist aufgenommen von einem Gefängnisfotografen im Besuchsraum der in den USA teilweise privat betrieben Justizvollzugsanstalten.

Den Hintergrund bilden Kulissen, die in Airbrush von Inhaftierten selbst gemalt wurden. Sie spiegeln eine traumhafte bunte Welt außerhalb der Mauern: elegante Straßenkreuzer, grandiose Skylines und Landschaften – Motive, wie sie auch die Wände städtischer Clubs zieren.

Die Aufnahmen suggerieren eine Normalität, die im Gegensatz zum Leben hinter Gittern steht. Meist verurteilt wegen Drogen- oder Armutsdelikten, leisten die Gefangenen während ihrer Haftstrafe Zwangsarbeit in Fabriken oder bei der Straßenreinigung.

[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen rund um das Coronavirus. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de.

Rückseiten mit Grüßen für die Angehörigen

Cook stellte die Aufnahmen zu einer Reihe zusammen und fotografierte dabei die Rückseite der Abzüge, auf denen die Inhaftierten Grüße an ihre Angehörigen hinterlassen. Diese Bilder, für einige Dollars zu erwerben, sind mittlerweile zu wichtigen Dokumenten schwarzer Kultur geworden. Jeder dritte Afroamerikaner saß in Amerika bereits einmal hinter schwedischen Gardinen.

Cook bezeichnet sich selbst als Archivar seiner eigenen Familie im weitesten Sinn. Keine schwarzen Stars, kein Kuriositätenkabinett der Kolonialfotografie. Seine Werke erinnern an ein Familienalbum, fallen auf durch ihre ausgewogene Farbigkeit und Komposition. Seine Figuren signalisieren Virilität, Stolz, Verletzlichkeit. Bewusst entzieht Cook seine Protagonisten den ihnen gesellschaftlich oder kulturell zugewiesenen Images.

[Galerie Weiss, Bundesallee 221, bis 25. Juli; Di–Sa 13–18 Uhr]

Die Galerie Weiss schließt damit nach fünf Jahren in Berlin, ihr befristeter Mietvertrag endet. Galeristin Kerstin Weiss, selbst Kunsthistorikerin und Kuratorin, kehrt zurück in die USA. Arbeiten von Larry W. Cook werden in der Ausstellung „Marking Time – Art in the Age of Mass Incarceration“ im MoMA in New York zu sehen sein, deren Eröffnung wegen Corona verschoben wurde. Die Preise der Arbeiten liegen zwischen 550 und 1700 Euro.

Angelika Leitzke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false