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XOOOOX: Einmal schneiden

Die Galerie Circleculture ist auf Street-Art spezialisiert und zeigt Arbeiten von XOOOOX.

„Cut & Go“ steht als eine Art Label auf der Hauswand an der Gipsstraße. Im perforierten Rahmen hockt darunter eine Schönheit im kleinen Schwarzen. XOOOOX war hier, und um das Graffito scharen sich Touristen. Die 20-köpfige Truppe lauscht den Erklärungen des Stadtführers und macht anschließend noch einen Abstecher in die Circleculture Gallery, die mit „Opening Soon“ die zweite Einzelausstellung des Street- Art-Künstlers präsentiert.

Hinter dem Pseudonym könnte sich allerdings auch eine Künstlerin verbergen. Eine Identität gibt XOOOOX nicht preis – oder wenn, dann gleich mehrere: Galerist Johann Haehling von Lanzenauer spricht überwiegend von ‚ihm‘, genau wie diverse Interviewer. Nur im Internetblog der „Vogue“ weiß man um eine Berliner Künstlerin selben Namens, und auf Myspace gibt sich XOOOOX als 35-jährig und weiblich aus.

Auf die feminine Fährte locken nicht zuletzt die Graffiti mit den Motiven aus der Modewelt und den aparten Girlies, die in schwarz-weißer Eleganz den Stadtraum bevölkern; mal dezent erotisch, mal mit einer Spur von Aufmüpfigkeit, immer aber adrett und mit den Initialen X und O, die wie kleine Sprechblasen über den Köpfen tänzeln. Das Phantom des Künstlers hat seit Banksy Konjunktur, und nicht nur in puncto Unsichtbarkeit erinnert XOOOOX an den britischen Street-Art-Star, sondern vor allem mit den sogenannten Stencils – Schablonengraffiti, die Banksy salonfähig gemacht hat. So liest sich das eingangs erwähnte Cut-and-Go-Prinzip wie eine Persiflage auf das jüngste Kunstmarktphänomen. Denn einige der von Banksy geadelten Mauern und Wände haben findige Sammler in Nacht-und-Nebel-Aktionen verschwinden lassen.

Doch wo Banksy & Co. mit Symbolen des Subversiven avancieren, setzt XOOOOX auf Mops statt Ratte oder Promenadenmischung und lässt die vierbeinigen Accessoires der Stilbewussten in Winkeln und an Straßenecken auftauchen, wo deren Herrchen und Frauchen selten gesichtet werden. Die müssen sich für XOOOOX auch nicht in unwegsame Gegenden begeben oder Handwerker bemühen, die heimlich Originale abmontieren. Bei Circleculture ist der Mops ganz legal als handgesprayte Edition für 500 Euro zu haben. Im Galerieraum präsentieren sich die Arbeiten denn auch ohne revolutionäres Street-Art-Pathos, sondern als künstlerisches Konzept und manchmal hintersinniges Spiel mit Schein und Sein der Schönen und Reichen, von Modeindustrie und Kunstwelt. Deren Verflechtungen kommentiert XOOOOX nicht ohne Selbstironie in „Modern House“ (6500 Euro). Ein Häuschen auf Rädern, dessen Holz- und Eisenkonstruktion Duchamps objets trouvés ebenso zitiert wie Kounellis’ Arte Povera und in dem neben Spraydose und Schablone ein Schuh der Edelmarke Louboutin glitzert.

In Bildobjekten reiht sich XOOOOX frech-fröhlich zwischen die Signets von Chanel, Hermès oder Patek Philippe und avanciert auf feiner Lederhaut selbst zur Marke (900 Euro), und ein zerfetzter Regenmantel baumelt an einer Fahnenstange „The Glory and the Power“ (4200 Euro) mit kleinen Troddeln von Comme des Garçons. Wo allerdings die Urbanität offensichtlich zu Markte getragen wird, gerät der Charme des Flüchtigen ins Wanken. Auf schick geknüllten oder morbide getrimmten Kupferplatten wie „Left to the Right“ (4500 Euro) verblassen die großen Bildnisse zum Dekor. In diese Reihe gehört auch ein Selbstporträt (3900 Euro), wo aus seidigem Stoff die Flügel der Siegesgöttin Nike wallen; allerdings lugt dahinter ein Antlitz hervor, und das zeigt eindeutig eine Frau.

Circleculture Gallery, Gipsstr. 11; bis 4. September, Di-Sa 14-18 Uhr.

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