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Gregor Schneider

© dpa

Gregor Schneider: Künstler will Sterbenden ausstellen

Beklemmende und unheimliche Räume sind sein Markenzeichen. Nun schockt der Künstler Gregor Schneider mit einem ganz besonderen Projekt: Er will einen Sterbenden in einem Museum ausstellen. Sein Beweggrund: "Das kann uns den Schrecken vor dem Tod nehmen."

In die Schlagzeilen ist Gregor Schneider wieder einmal durch ein geplantes Raum-Kunstprojekt geraten, mit dem der 39-jährige Träger des Goldenen Löwen der Biennale Venedig seinem Ruf als "unheimlichster Künstler der Gegenwart" neue Nahrung gibt: Er will einen auf natürliche Weise Sterbenden oder gerade Gestorbenen in einem von ihm gestalteten Raum präsentieren - möglicherweise in einem Museum. Wann, ist noch unklar. "Mein Ziel ist es, die Schönheit des Todes zu zeigen", sagte der vielfach prämierte Künstler unlängst der britischen Kunstzeitschrift "The Art Newspaper".

Die Idee verfolge ihn schon seit 1996, sagte er der Zeitung "Die Welt" in einem Interview. "Die Realität des Sterbens in deutschen Kliniken, Intensivstationen und Operationssälen ist grausam, das ist der Skandal. Der Tod und der Weg dahin ist heute Leiden. Die Auseinandersetzung mit dem Tod, wie ich sie plane, kann uns den Schrecken vor dem Tod nehmen." Ein Künstler könne humane Orte für den Tod bauen, wo Menschen in Ruhe sterben können, sagte er weiter. "Der Raum schafft die Würde und den Schutz."

Ideal erscheine ihm ein heller Raum aus dem Museum "Haus Lange" in Krefeld, den er bereits in seinem Atelier in Mönchengladbach transportabel nachgebaut habe. Bei seinem Projekt soll der Sterbende vorher alles bestimmen. "Er stünde im Mittelpunkt. Alles passiert in Absprache mit den Verwandten. Es wäre eine private Atmosphäre mit einer Besucherregelung." Einen Menschen, der öffentlich sterben will, hat Schneider schon gefunden. Er stehe bereits in Kontakt mit einem Kunstsammler, sagte er der Zeitung. "Mit ihm könnte ich es mir vorstellen."

Schneider ist erschüttert über negative Reaktionen

Nach mehreren Presseveröffentlichungen über die Pläne erhielt Schneider nach eigenen Angaben mittlerweile zahlreiche Schmäh-Briefe, in denen er teilweise bedroht wurde. Auch in Internet-Foren habe er "die seltsamsten Dinge gelesen". Er äußerte sich erschüttert über die Reaktionen. "Es ist kein Gespräch mehr zu führen", sagte er.

Auch bei Politikern stößt der Plan auf Ablehnung. Der kultur- und medienpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Waitz, sprach in einer in Berlin veröffentlichten Mitteilung von einem "Missbrauch künstlerischer Freiheit". Einen Sterbenden öffentlich zur Schau zu stellen, sei pietät- und geschmacklos. "Es gibt Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, wenn wir unsere Zivilisation nicht in Frage stellen wollen."

Eine "unausgegorene Idee" nannte es der nordrhein-westfälische Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU) in der "Rheinischen Post". NRW-Landespolitiker von Grünen und FDP sprachen in der Zeitung vom "Versuch einer Provokation" und einer geschmacklosen Aktion. Martin Hentschel, Direktor von Haus Lange, zeigte sich von Schneiders Plänen überrascht: "Wir wissen nichts davon, und Schneider hat mit uns auch nicht gesprochen", sagte er der "Welt am Sonntag".

Schneider forciere eine enthemmte und würdelose Gesellschaft

Auch bei der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung lösen die Pläne Kopfschütteln aus. "Wenn wir alle Tabus einreißen, sind wir eine enthemmte und würdelose Gesellschaft", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch in Dortmund. So ein Projekt bediene reinen Voyeurismus. "Es hat mit der Realität gar nichts mehr zu tun." Das Projekt sei eine Verzerrung des Sterbens, die auf Kosten der jährlich rund 820.000 Sterbenden in Deutschland gehe. Die Kulturschaffenden in Deutschland sollten sagen: "Hier machen wir nicht mehr mit."

Schneiders Kunst-Räume haben schon oft für Aufsehen gesorgt - auch außerhalb der Kunstszene. Viel diskutiert wurde etwa Schneiders Kubus-Installation vor der Hamburger Kunsthalle im Frühjahr 2007, die an die muslimische Kaaba in Mekka erinnerte. Die Aufstellung des 14 Meter hohen und jeweils 13 Meter langen und breiten schwarzen Würfels war zuvor in Venedig und Berlin wegen politischer Bedenken abgelehnt worden. In Untergeschoss der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf zeigte Schneider im vergangenen Jahr etwa gleichzeitig die beklemmende labyrinthische Raum-Installation "Weiße Folter" mit Dunkelraum und Kältezelle. Internet-Fotos aus dem Gefangenenlager Guantánamo hatten Schneider dazu angeregt.

International bekanntgeworden war Schneider längst zuvor - vor allem durch die Gestaltung des deutschen Pavillons bei der Kunstbiennale von Venedig 2001. Schneider hatte dort ganze Räume aus seinem Mönchengladbacher "Haus ur" wiederaufgebaut. In diesem Altbau- Mietshaus hatte er bereits mit 16 Jahren angefangen, die Räume umzubauen, neue Räume in bereits vorhandene hineinzubauen, Wände vor Wände zu ziehen und Fenster vor Fenster. Für den besten Pavillon der Biennale 2001 erhielt Schneider den "Goldenen Löwen". Eine Schau mit Raum-Installationen Schneiders ist seit Freitag im schweizerischen Burgdorf bei Bern zu sehen. Die Ausstellung im Museum Franz Gertsch endet am 15. Juni. (sba/dpa)

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